# taz.de -- Unruhen in Kirgisien: Schießen ohne Vorwarnung
       
       > In der von Kirgisen und Usbeken umkämpften Stadt Osch ist die Situation
       > außer Kontrolle geraten. Die Regierung hat Polizei und Soldaten erlaubt,
       > ohne Vorwarnung zu schießen.
       
 (IMG) Bild: Kirgisische Soldaten patroullieren durch die Stadt Osch.
       
       MARCHAMAT afp | Angesichts der schweren Unruhen hat die kirgisische
       Übergangsregierung Soldaten und Polizisten per Dekret ermächtigt, ohne
       Vorwarnung zu schießen. In einer am Samstagabend in Bischkek
       veröffentlichten Erklärung hieß es, der "Einsatz tödlicher Waffen" sei
       erlaubt, um Angriffe auf Polizei und Armee zu erwidern, die Regierung,
       Zivilisten und Privateigentum zu schützen.
       
       Bei den Ausschreitungen zwischen Kirgisen und Angehörigen der usbekischen
       Minderheit sind nach Behördenangaben seit Donnerstagabend bislang
       mindestens 77 Menschen getötet worden. Fast 1.000 Menschen wurden demnach
       verletzt. Hauptschauplatz der Kämpfe ist die südwestlich gelegenen Stadt
       Osch, die frühere Hochburg von Ex-Präsident Kurmanbek Bakijew.
       
       Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa hatte zuvor den russischen Staatschef
       Dmitri Medwedew um militärischen Beistand gebeten. Die Lage sei "außer
       Kontrolle" geraten, erklärte sie am Samstag im nationalen Fernsehen.
       
       Sie habe einen Brief unterschrieben, in dem sie Medwedew gebeten habe,
       Sicherheitskräfte nach Kirgistan zu schicken, sagte Otunbajewa. "Seit
       gestern ist die Lage außer Kontrolle geraten." Deshalb müsse Russland
       helfen. Wie die russische Regierung mitteilte, telefonierte Otunbajewa am
       späten Freitagabend auch mit dem russischen Ministerpräsidenten Wladimir
       Putin. Allerdings lehnte Russland am Samstag militärische Hilfen ab, da es
       sich um eine innere Angelegenheit Kirgisiens handeln würde.
       
       Die Interims-Präsidentin, deren Regierung im April die Macht in der
       ehemaligen Sowjetrepublik übernommen hatte, appellierte auch an
       pensionierte Polizisten und Ex-Armeeangehörige, in der umkämpften Stadt
       Osch die Sicherheit wiederherzustellen. Die Behörden seien für "jeden
       Freiwilligen" dankbar, sagte ein Regierungssprecher der Nachrichtenagentur
       24.kg.
       
       Tausende usbekische Frauen und Kinder flüchteten unterdessen von Osch aus
       an die nahegelegene Grenze, wie ein AFP-Reporter beobachtete. Diese wurde
       jedoch von der usbekischen Seite nicht geöffnet. In Kirgistan sind knapp 14
       Prozent der Bevölkerung Usbeken.
       
       Eine Mitarbeiterin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in
       Osch erklärte in einer Mitteilung, es gebe derzeit keinen sicheren Weg zum
       Flughafen. Usbekische Häuser würden brennen. Die internationale
       Gemeinschaft müsse für ein Ende der Gewalt sorgen, forderte sie. Auch in
       der Hauptstadt Bischkek kam es weiterhin zu Ausschreitungen.
       
       Bakijew war Anfang April gestürzt worden, im Zuge der Unruhen während des
       Umsturzes kamen 87 Menschen ums Leben. Seit dem Umsturz gibt es immer
       wieder Zusammenstöße zwischen Usbeken und Kirgisen. Otunbajewa will nun
       neue Präsidentin des Landes werden, die zunächst für den Herbst geplanten
       Wahlen wurden jedoch nach gewaltsamen Demonstrationen im Mai wieder
       abgesagt. In etwa zwei Wochen soll ein Referendum über die Verfassung
       abgehalten werden.
       
       12 Jun 2010
       
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