# taz.de -- 100 Tote in Kirgisien: Plünderungen und Massaker
       
       > Kirgisische Marodeure mit Schusswaffen ziehen seit Freitag brandschatzend
       > und mordend durch die von den Usbeken bewohnten Stadtviertel Oschs.
       
 (IMG) Bild: Bilder aus dem russischen Fernsehen: Verbranntes Haus in Osch.
       
       Russland wird trotz der blutigen Zusammenstöße zwischen ethnischen Kirgisen
       und Angehörigen der usbekischstämmigen Minderheit vorerst keine Soldaten
       nach Südkirgisien schicken. Der russische Präsident Dimitri Medwedjew
       betrachtet die Unruhen in den südlichen Provinzen Kirgisiens als
       innerstaatliche Angelegenheit. Am Samstag bat die geschäftsführende
       kirgisische Präsidentin Rosa Utanbajewa den russischen Präsidenten um ein
       militärisches Eingreifen. Trotz der Absage aus Moskau landen zurzeit
       russische Militärmaschinen auf der Militärbasis unweit der kirgisischen
       Hauptstadt Bischkek. Neben Russland verfügt auch die USA in dem
       zentralasiatischen Land an der chinesischen Grenze über
       Luftwaffenstützpunkte.
       
       Usbekistan hat die Grenzen unweit der brennenden südkirgisischen Stadt Osch
       geöffnet. Tausende usbekische Frauen und Kinder sind in das Nachbarland
       geflohen. Die Unruhen gefährden den Plan der provisorischen Regierung, die
       im April bei einem Umsturz gewonnene Macht durch ein Referendum am 27. Juni
       zu legalisieren.
       
       Derweil berichten Usbeken per Telefon aus Osch, dass sich die Lage etwas
       beruhigt habe. Die kirgisischen Sicherheitskräfte würden endlich in der
       südkirgisischen Stadt gegen die Plünderer vorgehen. Am Samstagabend wurde
       aus der nordkirgisischen Hauptstadt Bischkek die Spezialtruppe Alpha mit
       schwerem Gerät nach Osch eingeflogen.
       
       In dem zwei Autostunden von Osch entfernten Dschalalabad spitzt sich die
       Lage dagegen zu. Geschäfte gehen in Flammen auf, die Universität der
       Völkerfreundschaft, die ein usbekischer Geschäftsmann erbaut hat und das
       usbekische Kulturzentrum beherbergt, brennt. Die Regierung in Bischkek hat
       über beide Städte eine Ausgangssperre verhängt. Sie ist aber kaum in der
       Lage, nach Osch nun ein zweites Feuer zu löschen.
       
       Bisher gibt es nach offiziellen Angaben mehr als 80 Tote und hunderte
       Verletzte. Aber Augenzeugen aus Osch und die in der Stadt festsitzenden
       Zentralasienexpertin von Human Rights Watch, Andrea Berg, gehen von einer
       weit größeren Opferzahl aus. Berg war am Donnerstag nach Osch gereist und
       von den Unruhen überrascht wurden. "Das waren regelrechte Pogrome gegen die
       usbekischen Wohnviertel", sagte Berg der taz am Telefon, die seither im
       Hotel eingeschlossen ist. Die Stadtverwaltung versucht Friedensgespräche
       zwischen den Ältestenräten der Kirgisen und Usbeken zu organisieren. Immer
       wieder sind an den Stadträndern Schüsse zu hören. Augenzeugen berichten von
       Zusammenrottungen Jugendlicher. Kirgisische Marodeure mit Schusswaffen
       ziehen seit Freitag brandschatzend und mordend durch die von den Usbeken
       bewohnten Stadtviertel Oschs. Die in ihren Häusern eingeschlossenen Usbeken
       schickten SMS-Notrufe in die Welt. Für zwei Tage war die Stadt mit 300.000
       Einwohnern der Gewaltwelle schutzlos ausgeliefert.
       
       Die ethnischen Konflikte in Osch brachen Donnerstagnacht nach einem
       Diskobesuch aus. Bewaffnete Usbeken sollen wild um sich geschossen und ein
       Mädchenwohnheim überfallen haben. Danach seien die Kirgisen aus den
       umliegenden Dörfern in Osch eingefallen und hätten seit Donnerstag die
       usbekischen Stadtviertel angegriffen. Die kirgisische Regierung beschuldigt
       den im April vertriebenen Präsidenten Kurmanbek Bakijew, hinter den Unruhen
       zu stecken.
       
       Der Rassenhass beschränkt sich nicht nur auf Osch. Am Samstag verlangte
       eine Gruppe von knapp 50 Kirgisen vor dem Innenministerium in Bischkek nach
       Waffen, um damit nach Osch zu reisen. "Die Usbeken müssen nach unseren
       Regeln leben", sagte ein Kirgise.
       
       14 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marcus Bensmann
       
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