# taz.de -- Klagen gegen Moratorium: Die Ölindustrie will wieder bohren
       
       > Nach der Explosion der Bohrplattform "Deepwater Horizon" war die
       > Ölindustrie zwei Monate lang still. Jetzt klagt sie vor Gericht: Sie will
       > wieder bohren.
       
 (IMG) Bild: Und weiter soll es gehen: öliger Golf von Mexiko.
       
       63 Tage nach der Explosion der Bohrplattform "Deepwater Horizon" geht die
       Ölindustrie in die Gegenoffensive. Nachdem sie in den vergangenen Wochen
       vor allem mit Anzeigen auf Sympathiewerbung gesetzt hat, versucht sie jetzt
       mit Klagen vor Gerichten in New Orleans und in Houston, das sechsmonatige
       Moratorium für Tiefsee-Bohrungen zu kippen. In New Orleans hält Kläger Todd
       Hornbeck das Moratorium für "ungerecht und kapriziös". In Houston meint das
       klagende Unternehmen Diamond, das Moratorium sei "verfassungswidrig".
       
       In New Orleans will Richter Martin Feldman bis spätestens Mittwoch über die
       Klage entscheiden. Ursprünglich hatte das in New Orleans ansässige
       Ölunternehmen Hornbeck Off Shore Service die Klage angestrengt. Andere
       Unternehmen haben sich angeschlossen. Der Gouverneur von Louisiana, der
       Republikaner Bob Jindal, unterstützt die Klage. Er hat auch eine Petition
       für die Aufhebung des Moratoriums organisiert. Sein Hauptargument:
       Arbeitsplatzverluste und wirtschaftliche Verluste. Nach einer Untersuchung
       der Universität von Louisiana wird das Moratorium, selbst wenn es nur
       weitere fünf Monate dauern sollte, mindestens 3.339 Arbeitsplätze in der
       Offshorebranche sowie weitere 7.656 indirekte Arbeitsplätze in Louisiana
       vernichten.
       
       Jindal beklagt auch, dass ihn die Regierung in Washington vor der
       Verhängung des Moratoriums nicht einmal gehört habe. Als Alternative zu
       einem globalen Moratorium schlägt er vor, dass die Regierung
       InspekteurInnen zur Überwachung auf alle Plattformen schickt.
       
       In Louisiana hängt die Staatskasse von den Abgaben der Ölindustrie ab. Der
       Gouverneur ist der Branche eng verbunden. Dasselbe gilt auch für die
       meisten anderen PolitikerInnen in der Region - sowohl für RepublikanerInnen
       als auch für DemokratInnen. Auch die Mehrheit der KüstenanwohnerInnen hat
       ein durchwachsenes Verhältnis zur Ölindustrie. Fast alle haben sowohl
       FischerInnen als auch Ölbeschäftigte in der Familie. Und viele Fischer sind
       in Personalunion selbst in der Ölbranche: Außerhalb der Fangsaison
       verdingen sie sich auf Plattformen oder in einer der zahlreichen
       Raffinerien.
       
       Die Ölindustrie argumentiert ebenfalls mit Arbeitsplätzen, die bedroht
       seien. In Houston seien laut Diamond, das jetzt die Verfassungswidrigkeit
       des Moratoriums belegen will, "zehn- bis hunderttausende Arbeitsplätze"
       bedroht. Diamond untermauert seine Klage damit, dass das Moratorium auch 33
       bereits bewilligte Ölbohrungen stoppe, "die allen Sicherheitsstandards
       genügen".
       
       Die Regierung in Washington will das sechsmonatige Moratorium nutzen, um
       die Ursachen der Explosion der "Deepwater Horizon" herauszufinden und um
       neue Sicherheitsregeln zu fixieren. William Reilly aus dem von Barack Obama
       eingesetzten Untersuchungsausschuss zur Ölkatastrophe hält es für
       "unwahrscheinlich", dass das Moratorium vor Anfang nächsten Jahres
       aufgehoben wird.
       
       Angst vor Abwanderung 
       
       Die internationale Ölindustrie sieht ihre Zukunft vor allem in
       Offshorebohrungen. Die Tendenz geht zu immer weiter von den Küsten
       entfernten Bohrstellen, von denen manche doppelt so tief gelegen sind wie
       die unter der "Deepwater Horizon".
       
       Der Golf von Mexiko mit zahlreichen sehr tief liegenden, aber riesigen
       Ölvorkommen ist eines der begehrtesten Bohrgebiete der Welt. Die USA
       beziehen gegenwärtig von dort 31 Prozent ihres Öls, Tendenz steigend.
       Während des Moratoriums in den USA, so eines der Argumente der
       LobbyistInnen der Branche und eine der Sorgen von AnwohnerInnen und
       PolitikerInnen der Küstenstaaten, wird sich die Industrie in anderen
       Weltgegenden nach neuen Möglichkeiten umschauen und ihre Plattformen
       dorthin verlagern. Unter anderem interessiert sich die Branche für die
       Ölvorkommen vor der Küste von Brasilien. Im vergangenen Monate fand dort in
       Brasilien bereits ein Treffen zwischen Regierung und Ölunternehmen statt,
       um Lehren aus der "Deepwater Horizon"-Katastrophe zu ziehen.
       
       23 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) US-Regierung verschärft Auflagen: Keine neuen Ölfelder im Meer
       
       Kehrtwende in der US-amerikanischen Umweltpolitik: Die Regierung will nun
       keine neuen Ölfelder mehr genehmigen - bis 2017. Von bereits genehmigten
       Feldern darf aber weiter gefördert werden.
       
 (DIR) Erdölförderung im Golf von Mexiko: Obama hält an Moratorium fest
       
       Das Weiße Haus will vom Gericht bemängelte Begründung nachliefern.
       Bundes-Richter hielt Beteiligungen an Ölfirmen. Förderung in der Nordsee
       bedroht Wattenmeer.
       
 (DIR) Kommentar Ölindustrie: Konsequent dreist
       
       Dass die Ölindustrie jetzt gegen das Ölmoratorium klagt, ist eine bodenlose
       Frechheit. Es reflektiert aber auch die übermächtige Stellung der Branche.
       
 (DIR) Niederlage für Obama: US-Gericht hebt Bohrstopp auf
       
       Nach der Katastrophe auf der Deepwater Horizon hatte Obama ein Moratorium
       für neue Bohrungen im Golf von Mexiko verhängt. Doch dieser Schritt war
       "willkürlich" urteilt nun ein Gericht.