# taz.de -- Erstmals Frau Regierungschefin: Australiens Premier weggeputscht
> Zum ersten mal in der Geschichte eine Frau an der Spitze der Regierung.
> Julia Gillard übernahm nach einer parteiinternen Revolte das Amt von
> Kevin Rudd.
(IMG) Bild: Kein Team mehr: Kevin Rudd muss gehen, seine Stellvertreterin Julia Gillard übernimmt.
CANBERRA taz | Die australische Laborpartei hat am Donnerstag Julia Gillard
in einer Sondersitzung zur Parteichefin ernannt. Kurze Zeit später wurde
sie als Premierministerin vereidigt. Die Politikerin, die als Kind von
Wales nach Australien ausgewandert war, ist die erste Frau, die der
australischen Regierung vorsteht.
Der Ernennung gingen einige der dramatischsten Stunden der jüngeren
australischen Geschichte voraus. Der bisherige Premierminister Kevin Rudd
hatte sich am Morgen nicht mehr zur Neuwahl gestellt, nachdem klar geworden
war, dass er die Unterstützung der Partei verloren hatte. Meinungsumfragen
hatten in den letzten Wochen darauf hin gedeutet, dass Labor mit Rudd an
der Spitze die Wahlen verlieren würde, die spätestens am 16. April 2011
stattfindend müssen.
Offenbar war ein grosser Teil der Wählerinnen und Wähler desillusioniert
mit dem einstigen Hoffnungsträger, nachdem er mehrere Versprechen nicht
eingehalten hatte. Bei seiner Wahl im November 2007 wurde der
Sozialdemokrat Rudd von weiten Teilen der Bevölkerung gefeiert. Er hatte
nach 11 Jahren das Ruder von John Howard übernommen, dem erzkonservativen
Premier und Vorsitzenden der liberal-nationalen Koalition.
Als erstes unterzeichnete Rudd das Kioto-Protokoll. Im Vorfeld der Wahlen
hatte er den Kampf gegen den Klimawandel als "grösste moralische
Herausforderung unserer Zeit" genannt und versprochen, ernsthafte
Massnahmen dagegen zu unternehmen. Doch genau dieses Versprechen dürfte zu
seinem frühzeitigen politischen Ende beigetragen haben. Nachdem eine
Vorlage zur Einführung eines Emissionshandels im Parlament dreimal am
Widerstand der konservativen Opposition gescheitert war, vertagte er die
Massnahme auf unbestimmte Zeit.
Kurz darauf begannen die Meinungsumfragen umzuschwenken. Auch in der
Flüchtlingspolitik und im Umgang mit den chronisch benachteiligten
Ureinwohnern enttäuschte Rudd viele seiner früheren Anhänger, da er
versprochene Reformen nicht im erwarteten Umfang realisierte. Pläne für
eine Extrasteuer auf sehr hohe Gewinne der australischen Bergbauindustrie,
die Rudd im Mai präsentierte, siegelten schliesslich sein Schicksal. Die
Industrie bekämpfte die Massnahme seit Wochen mit einer aggressiven, direkt
gegen Rudd gerichteten Angstkampagne.
Die Rohstoffwirtschaft polemisierte, die Steuer würde dringend notwendige
Investionen verhindern und Arbeitsplätze kosten. Diese Behauptung wurde
nicht nur von der Regierung sondern auch von unabhängigen Experten
verneint. Rudd's Niedergang war jedoch nicht alleine das Ergebnis seiner
Politik. Er verstand es nicht, die positiven Leistungen seiner Regierung
dem Volk zu kommunizieren. So war Australien während der Finanzkrise als
eines von wenigen Ländern nicht in eine Rezession gerutscht. Verschiedene
internationale Organisationen attestierten Rudd, die Gefahr eines
wirtschaftlichen Rückgangs frühzeitig erkannt und durch massive
Investitionen in den öffentlichen Sektor - etwa den Bau neuer Schulanlagen
- aufgefangen zu haben.
Rudd galt von seiner Persönlichkeit her zunehmend als unnahbarer, zu wenig
volksnaher Intellektueller. Er führte das Regierungskabinett in
autokratischem Stil und konsultierte meist einen engen Kreis vertrauter
Mitarbeiter. Von einigen wichtigen Entscheiden erfuhren selbst seine
Minister erst aus den Medien. Premierministerin Julia Gillard gab kurz nach
der Vereidigung bekannt, eine kürzlich begonnene Informationskampagne gegen
die Attacken der Rohstoffindustrie abzubrechen.
Damit hielt sie ein von Rudd gebrochenes Versprechen ein, keine
Steuergelder für politische Propaganda einzusetzen. Der globale
Rohstoffkonzern BHP Billiton stellte daraufhin die eigene,
regierungskritische Anzeigenkampagne ein. Gillard meinte, sie sei nach wie
vor an einem System mit dem Handel von CO2-Emissionen interessiert, werde
aber den Konsens mit den Verursachern suchen, der Rohstoff- und
Energieindustrie.
24 Jun 2010
## AUTOREN
(DIR) Urs Wälterlin
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