# taz.de -- Kommentar Australien: Die wahre Macht
> Das Schicksal eines jeden Politikers in Australien liegt in den Händen
> der Rohstoffindustrie. Daran wird auch die neue Premierministerin Julia
> Gillard nichts ändern können.
(IMG) Bild: Kein Team mehr: Kevin Rudd muss gehen, seine Stellvertreterin Julia Gillard übernimmt.
Wenn es je Zweifel daran gegeben hatte, welche Macht die Rohstoffindustrie
Australiens über die Politik hat - der spektakuläre Fall von
Premierminister Kevin Rudd sollte jegliche Unklarheit zerstreut haben. Der
Entscheid, Rudd zu demontieren, wurde in den Kohlegruben und
Eisenerzbergwerken des Landes gefällt - nicht in den Reihen seiner Partei.
Rudd's Gesetz für einen Handel mit Emissionsrechten letztes Jahr und - vor
ein paar Wochen - sein Vorschlag für die Einführung einer neuen Steuer auf
besonders hohe Gewinne von Rohstoffunternehmen - sie haben ihm das Genick
gebrochen. Er hat sich mit einem Gegner angelegt, der für eine Demokratie
schlicht zu stark ist.
Die Rohstoffindustrie ist für den Grossteil des Exporteinkommens
Australiens verantwortlich. Die Milliarden Dollar, die aus Abnehmerländern
wie China und Japan als Entgelt für Milliarden Tonnen Kohle, Erz und Nickel
nach Downunder fliessen, sind die Stütze der australischen Volkswirtschaft.
Globale Ressourcenunternehmen und ihre Lobbyisten haben in den letzten
Wochen Millionen investiert, um Parlamentarier zu beeinflussen und die
Bevölkerung davon zu überzeugen, die neue Steuer würde den Wohlstand der
Nation fundamental gefährden.
Unsinn, sagen namhafte Experten. So lange sich die Mineralien in
australischem Boden befänden, würden sich immer Investoren finden, die ihre
Ausbeutung finanzieren. Wie wahr: soeben pumpte China zehn Milliarden
Dollar in neue Projekte. Keine Spur von Steuerangst. Doch die Panikmache
funktionierte. Die Meinungsumfragen zeigten nach Süden, Rudd musste gehen.
Während die Propagandaaktion im Fall der Steuer offensichtlich war, geschah
sie im Fall des Emissionshandels noch im Hintergrund. In Kollusion mit der
konservativen Presse des Medienzaren Rupert Murdoch schaffte die
Ressourcenindustrie ein Klima der Angst vor Massnahmen gegen den
Klimawandel. Auch damals siegte die Industrie 1:0.
Was bleibt ist das Bewusstsein, dass das Schicksal jedes Politikers - und
jeder Politikerin - in Australien zu einem bestimmten Grad in den Händen
der Rohstoffindustrie liegt. Es ist eine Industrie, die dafür
verantwortlich ist, dass Australien pro Kopf der Bevölkerung zu den
weltgrössten Emittern von Treibhausgasen gehört und durch die
Kohleausfuhren jedes Jahr weitere hunderte Millionen Tonnen CO2 exportiert.
In einem Land gesegnet mit Sonne und Wind gibt es erneuerbare Energien fast
nicht.
Dass Premierministerin Julia Gillard daran ernsthaft etwas ändern kann und
wird, muss bezweifelt werden. Denn der Status Quo liegt nicht nur im
Interesse einiger mächtiger Firmen, sie ist das wirtschaftliche Fundament
einer ganzen Nation.
24 Jun 2010
## AUTOREN
(DIR) Urs Wälterlin
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