# taz.de -- Schweinsteiger schimpft auf Argentinien: Von Tretern, Tricksern und Simulanten
       
       > Vor dem Viertelfinale gegen Argentinien versucht Schweinsteiger einen
       > psychologischen Kleinkrieg vom Zaun zu brechen, doch die Argentinier
       > lassen sich nicht beunruhigen.
       
 (IMG) Bild: Frings wird zurückgehalten: Bereits 2006 traf Deutschland im Viertelfinale auf Argentinien. Es kam zur Rangelei.
       
       ERASMIA taz | Bastian Schweinsteiger ist bereit fürs Spiel gegen
       Argentinien. Er ist einen Tag vor dem Viertelfinale in Kapstadt in
       Kampflaune. Die Argentinier seien, sagte der Profi des FC Bayern München,
       ganz schlimme Gesellen. Die würden ständig provozieren - und überhaupt. "Es
       geht ja schon vor dem Spiel los, wie sie gestikulieren, wie sie den
       Schiedsrichter beeinflussen, das gehört sich nicht", sagte Schweinsteiger
       im deutschen Teamquartier.
       
       Er geriet fast außer Rand und Band. Auch würden argentinische Fans brave
       Zuschauer von ihren Sitzen drängen, damit sich die Horde der weiß-blauen
       Anhänger dort breitmachen könne. "Das ist respektlos, aber die Argentinier
       sind so, das zeigt ihren Charakter und ihre Mentalität", behauptete er, nur
       um dann weiter loszuledern: "Wir deutschen Spieler sind keine, die andere
       Spieler absichtlich verletzen wollen, andere Nationen eher."
       
       Mit ruhiger Miene verfolgte DFB-Pressesprecher Harald Stenger
       Schweinsteigers Verbalattacken. Man hätte annehmen können, er halte den
       25-Jährigen zurück, aber Stenger ließ ihn reden. Man kann also davon
       ausgehen, dass Schweinsteiger nicht nur ein rein persönliches Anliegen
       formulierte.
       
       In einem größeren Interview mit der Zeitschrift Stern hatte sich
       Schweinsteiger bereits zuvor sehr deutlich geäußert: "Argentinien ist
       sicher nicht eine der fairsten Mannschaften. Sie fordern gelbe Karten, wenn
       sie gefoult werden, und wenn sie selbst Foul spielen, dann beschweren sie
       sich auch noch beim Schiedsrichter, weil der gefoulte Spieler am Boden aus
       ihrer Sicht doch nur simuliert."
       
       In Erinnerung ist natürlich die Rangelei nach dem WM-Viertelfinalspiel 2006
       im Berliner Olympiastadion, das die DFB-Auswahl nach Elfmeterschießen
       gewonnen hatte. Es kam damals zu kleineren Scharmützeln, in die nicht nur
       Spieler und Betreuer, sondern auch Pressesprecher Stenger ("Ich wollte nur
       schlichten") verwickelt waren. "Diese Szene steckt noch in den Köpfen
       drin", sagte Schweinsteiger. Offenbar hat sich die Führung der
       Nationalmannschaft um Bundestrainer Joachim Löw entschieden, dass
       Schweinsteiger seine Rolle als "aggressiver Leader" sehr ernst nehmen soll.
       
       So schoss er seine Salven ins etwa 30 Kilometer entfernte Lager der
       Argentinier ab, wo sie allerdings verpufften. Man hätte annehmen können,
       dass die Argentinier, in ihrem Nationalstolz verletzt, Schweinis Bild von
       den Tretern und Tricksern korrigieren. Aber Diego Maradona sagte nur, sie
       hätten keine Zeit, an Schweinsteiger zu denken. Und Javier Pastore meinte:
       "Wir denken nicht darüber nach, wir beschäftigen uns nur mit uns." Kurzum:
       Die Gauchos blieben cool.
       
       Auf der Position des Sechsers, also des defensiven Mittelfeldspielers, der
       sich vor der Viererabwehrkette postiert, amtieren für gewöhnlich streitbare
       Typen. In Schweinsteigers Verein lebt Mark van Bommel vor, wie man Würze in
       eine Partie bringt: mit teilweise fiesen taktischen Fouls und Sticheleien
       im Vorfeld. Schweinsteiger zeigt sich als gelehriger Schüler des
       holländischen Nationalspielers.
       
       Abschließend riet Schweinsteiger dazu, "sich nicht anstecken zu lassen von
       den Provokationen der Argentinier". Er hofft wohl vielmehr darauf, dass die
       Albiceleste nach den Beleidigungen den Kopf verliert. Nur dieses Kalkül
       kann hinter Schweinsteigers Ausführungen stecken. Auch beim letzten
       Aufeinandertreffen beider Teams Anfang März in München, als das DFB-Team
       0:1 verlor, piesackte man sich ein bisschen.
       
       Nach dem Auftritt von Maradona mit Zigarre beim Training tauchte Löw mit
       einer Zigarre vor der Presse auf. Nach der Partie kam es zu einem kleinen
       Eklat auf der Pressekonferenz: Der deutsche Debütant Thomas Müller hatte
       sich neben Maradona gesetzt, woraufhin der große Ballstreichler indigniert
       das Podium verließ. Offenbar wollte er nicht neben einem No-Name sitzen,
       sondern bitteschön neben Löw. Müller musste sich damals wie ein Schuljunge
       verziehen, damit der große Diego Hof halten konnte. "Ich weiß immer noch
       nicht, warum er mich damals weggeschickt hat", grübelte Müller dieser Tage
       in Erasmia.
       
       Bei Schweinis Kurzseminar zum angeblich so hinterhältigen argentinischen
       Nationalcharakter ging fast ein bisschen unter, dass er ja nicht nur forsch
       daherreden kann, sondern auch sehr gut Fußball spielen. In diesem Turnier
       hat er sich zum wichtigsten Deutschen auf dem Platz aufgeschwungen. Er
       rennt, sofern er nicht verletzt ausgewechselt wird, jede Partie fast zwölf
       Kilometer und hat die meisten Ballkontakte in der Elf.
       
       Seine Dienste bei Spielaufbau und Ballverteilung sind so wichtig fürs
       deutsche Spiel wie der Energieriegel für einen Langstreckenläufer. "Er
       bringt auf der Position des Sechsers viel Symmetrie und Ordnung ins Spiel",
       lobte Löw. "Er ist ständig in Bewegung, treibt ständig an." Ja, der Basti
       sei "au schon von großer Bedeutung". Schweinsteiger ist da angekommen, wo
       er nach eigenem Bekunden schon immer hingehörte: auf der Sechs. "Das ist
       meine Lieblingsposition, ich wurde da beim FC Bayern ausgebildet." Aber als
       junger Spieler habe er freilich immer ausweichen müssen auf die Flügel,
       weil "auf dieser zentralen Position" andere das Zepter schwangen: Kovac,
       Ballack oder Jeremies. Jetzt darf Bastian Schweinsteiger regieren. Auf
       diplomatische Feinheiten legt er allerdings keinen Wert.
       
       1 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
       ## TAGS
       
 (DIR) DDR
       
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