# taz.de -- Pro & Contra Google Streetview: Eingreifen versus Aufklären
> Rot-Rot unterstützt Bundesratsinitiative gegen Streetview. Aber muss der
> Staat die Bürger davor schützen?
(IMG) Bild: Blick auf den virtuellen Zionskirchplatz: Dank "Virtual Berlin" kann man bei Google Earth schon längst nicht nur jedes Berliner Haus in 3D, sondern auch in die Hinterhöfe sehen
PRO VON MARTIN KAUL
Ja, ich gestehe: Ich will auch wissen wie Josef Ackermann wohnt. Mich
interessiert wie sich ein Farbbeutel an der Hausfassade von Angela Merkel
machen würde. Ich will virtuell durch unbekannte Käffer wandeln. Und mein
Voyeurismus treibt mich zu der Frage: Könnte mir Google bitte endlich einen
Blick auf die Gardinen von Lena Meyer-Landrut eröffnen? Die jetzt in Berlin
diskutierten Nahaufnahmen böten dazu eine sexy Steilvorlage. Und doch mahne
ich edel: Der gute Staat muss seine armen Bürger schützen!
Denn auch abgesehen davon, dass Google Streetview uns wohl kaum zu
Ackermann und Merkel führen wird, steckt hinter der vorbehaltlosen
Veröffentlichung dieser Daten eine Grundsatzfrage: Wie weit geht mein
Selbstbestimmungsrecht?
Dass es sich bei Hausaufnahmen um öffentlichen, prinzipiell zugänglichen
Raum handelt, ist zwar richtig. Die Leichtigkeit, mit der ich mir diesen
Raum virtuell zu eigen machen könnte, macht ihn aber besonders
schützenswert. Denn es ist ein Unterschied, ob mein potentieller
Arbeitgeber vor dem Bewerbungsgespräch per Mausklick sehen kann, ob ich im
Carloft, Plattenbau oder im Anarcho-Hausprojekt residiere. Oder ob er
wenigstens mal vorbei fahren müsste.
Google hat ein unternehmerisches Interesse daran, Informationsnetzwerke
strukturell auszuweiten. Für dieses Interesse finden sich viele KundInnen,
die davon gerne profitieren. Es ist nur gerecht, dass der Schutz der
Betroffenen vor das Interesse der NutznießerInnen gestellt wird. Das
bedeutet ja nicht, dass die Veröffentlichung von Hausfotos prinzipiell
ausgeschlossen ist. Doch der Vorbehalt ist ein auch symbolisch wichtiger
Schritt, um die Selbstbestimmungsrechte der Einzelnen gegenüber den
Verwertungsinteressen der Anderen zu stärken. Und das mit dem Ackermann
müssen wir eh anders regeln.
CONTRA VON GEREON ASMUTH
Privatheit ist ein hohes Gut. Schon allein deshalb scheint es auf den
ersten Blick löblich, wenn sich SPD und Linke nun dazu aufraffen,
Internetplattformen wie Google Streetview in ihre Schranken zu weisen.
Allerdings kommt der Vorstoß rund fünf Jahre zu spät. Und damit ist er
schlichtweg weltfremd.
Eine Umsetzung würde wegen des hohen bürokratischen Aufwands das Verbreiten
von virtuellen Abbildern der Realität nahezu unmöglich machen. Die aber
sind längst Standard. Sie helfen bei der Orientierung. Sie lassen zum
Beispiel schnell erkennen, ob eine vom Makler angepriesene Wohnung
tatsächlich verkehrsgünstig liegt - oder ungeschützt neben der Autobahn. Ob
ein Hof begrünt oder verschattet ist. Und wie das Haus aussieht, dass man
grade in der echten Welt sucht. Problematisch wird das ganze erst, wenn die
Bilder mit anderen Daten verknüpft werden. Etwa mit der Angabe wer wo
wohnt.
Dieses Problem taucht aber nicht erst mit hochauflösenden Angeboten wie
Streetview auf. Längst sind im Internet Adressdateien mit den
Sattelitenbildern von Google Maps verbunden. Seit Jahren kann man mit zwei,
drei Klicks erfahren, ob ein Bundesbürger einen Pool im Garten hat oder ob
er im Plattenbau wohnt. Einzige Voraussetzung: Der Bürger hat seine Adresse
zur Veröffentlichung in Verzeichnissen wie dem guten alten Telefonbuch
freigegeben.
Wenn es aber in der echten Welt Standard wäre, dass jeder seinen Namen auf
einem gut lesbaren Transparent aus dem Fenster hängen hätte, dann käme auch
kein Politiker auf die Idee, Fotos von Häusern zu verbieten. Man würde
vielmehr den Menschen raten, ihre Namenstransparente reinzuholen. Genau das
sollte auch das probate Mittel für die virtuelle Welt sein: Raus mit der
Adresse aus allen Dateien! Aufklärung stünde Rot-Rot besser zu Gesicht als
ein Fotoverbot.
23 Jul 2010
## AUTOREN
(DIR) Martin Kaul
(DIR) Gereon Asmuth
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