# taz.de -- Bildarchiv zeigt Bewegung der 80er Jahre: Der Chronist der Hausbesetzer
       
       > Kaum einer war so nah an der linken Szene wie Michael Kipp. Die Bilder
       > des verstorbenen Fotografen sind jetzt online zu entdecken. Sie zeigen
       > die Bewegung der 80er Jahre in West-Berlin.
       
 (IMG) Bild: Das Kipp-Foto: Bei der Kreuzberger Straßenschlacht am 12.12.1980, die als Ausgangspunkt der West-Berliner Hausbesetzerbewegung gilt, wird ein leeres Polizeifahrzeug gestürzt
       
       Der Mann mittleren Alters schaut zur Seite mit gekreuzten Armen. Er fühlt
       sich unbehaglich, das sieht man. Neben ihm steht ein junger Typ in
       Lederjacke, eine Sturmhaube über den Kopf gezogen. Auch er hat die Arme
       verschränkt, als wolle er sein Gegenüber imitieren. Ein Plakat an der Wand
       hilft bei der zeitlichen Datierung: Es ist der Sommer 1981 in Westberlin;
       das Foto zeigt den damaligen Vizevorsitzenden der Enquetekommission
       "Jugendprotest im demokratischen Rechtsstaat" Rudi Haug im schwierigen
       Dialog mit BesetzerInnen der Potsdamer Straße 152.
       
       Fotografiert hat die Szene Michael Kipp. Er war in der
       HausbesetzerInnenbewegung vor 30 Jahren als "Mann mit der Kamera" bekannt
       und auch regelmäßig für die taz unterwegs. Nachdem Kipp im September 2009
       an Lungenkrebs gestorben war, brachte sein Freund Peter Schwarz sechs
       Umzugskartons mit Fotoabzügen und Negativen zum [1][Umbruch-Bildarchiv].
       Das stellte eine Auswahl ins Internet.
       
       Einst heiß diskutierte, heute meist vergessene Politaktionen sind hier
       verewigt. Etwa das Bild eines Blocks nackter, nur mit einer Sturmhaube
       bekleideter AktivistInnen bei einer Demonstration gegen Häuserräumungen im
       September 1981. Oder ein Protestzug in den Villenbezirk Grunewald einige
       Wochen davor. Kipps Foto einer umgekippten Polizeiwanne bei einer
       Straßenschlacht nach Häuserräumungen im Dezember 1980 ist in viele
       Zeitungen gedruckt worden. "Michael war einer der ganz wenigen Fotografen,
       denen die linke Szene der frühen 80er Jahre vertraute", berichtet seine
       langjährige Lebensgefährtin.
       
       Kipp wurde 1951 geboren. Einen großen Teil seiner Kindheit und Jugend
       verbrachte er in Heimen. Später wurde die außerparlamentarische Linke in
       Westberlin seine politische Heimat. Er war mehr am Lebensgefühl als an
       Theorie interessiert. "Was Rudi Dutschke gesagt hat, hat mich nicht
       interessiert. Lieber habe ich mit Fritz Teufel Fußball gespielt", hat Kipp
       einmal erklärt.
       
       Neben den Politaktivismus hat Kipp den Alltag in den besetzten Häusern
       aufgenommen. Da sieht man etwa Alternative und Autonome, die sich einem
       Plenum über die richtige Demostrategie streiten. Auch ein Foto vom ersten
       Wahlplakat der Alternativen Liste (AL) von 1979 fand sich in Kipps
       Nachlass: Es zeigt die Fußsohlen von drei Personen, die nur mit einem Laken
       bedeckt in einen Krankhausbett liegen. Kipp war Gründungsmitglied der AL;
       1979 kandidierte er auf ihrer Liste für die Bezirksverordnetenversammlung
       Neukölln.
       
       In den 80er Jahren gelang Kipp der berufliche Durchbruch als Fotograf.
       Spiegel und Stern druckten seine Fotos. 1987 arbeitete Kipp für eine
       Fotoagentur, die den Wahlkampf des Regierenden Bürgermeisters Eberhardt
       Diepgen (CDU) managte. Dieses Engagement stieß auf Kritik in der linken
       Szene.
       
       Plötzlich, von einem Tag auf den anderen, beendete er seine Arbeit als
       Fotograf und zog zu seiner kranken Mutter. "Unmittelbarer Anlass war eine
       Steuerschätzung des Finanzamtes, die Kipp Schulden in vierstelliger Höhe
       bescherte", erinnert sich Peter Schwarz, Kipps Mitbewohner in einem
       Hausprojekt in Neukölln. "Kipp vergaß, Rechnungen für seine Fotos
       auszustellen, und versäumte auch die Steuererklärung."
       
       Doch er scheint auch die plötzlichen Veränderungen in seinem Leben genossen
       zu haben. "Wenn Kipp Erfolg hatte, zog er sich zurück", meint Peer
       Zeschmann vom Rixdorfer Café Linus, wo Kipp nach dem Tod seiner Mutter zum
       Stammgast wurde und von seiner Vergangenheit als Fotograf schwärmte.
       "Finanziell befand er sich damals auf dem Status eines
       Sozialhilfeempfängers. Mit Putzarbeiten besserte er seine kargen Einkünfte
       auf, bis er nach einem Streit Hausverbot bekam", erinnert sich Zeschmann.
       
       Zum Millenniumswechsel wollte Kipp noch einmal etwas Neues ausprobieren und
       bildete sich autodidaktisch zum Computerexperten aus. Die
       Lungenkrebsdiagnose machten seine Zukunftspläne zunichte. "Michael hatte
       auch nach vielen Krankenhausaufenthalten und gescheiterten
       Therapieversuchen noch einen enormen Lebenswillen", erinnert sich Schwarz.
       Kipp plante in den letzten Wochen noch die Veröffentlichung seiner Fotos im
       Internet, doch die Krankheit war stärker. Das Umbruch-Bildarchiv hat mit
       der Fotogalerie nicht nur den Mann mit der Kamera, sondern auch ein Stück
       Westberliner Geschichte vor dem Vergessen bewahrt.
       
       Die Bilder von Michael Kipp finden sich unter
       [2][www.umbruch-bildarchiv.de]
       
       10 Aug 2010
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.umbruch-bildarchiv.de/
 (DIR) [2] http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/michael_kipp.html
       
       ## AUTOREN
       
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