# taz.de -- Sziget-Kuratorin Pommier über Romamusik: "Der Zigeuner ist als Musiker beliebt"
       
       > Auf dem Sziget-Festival in Budapest gibt es eine Bühne nur für Romabands.
       > Ihre Musik ist trotz Anti-"Zigeuner"-Stimmung voll in Mode. Sponsoren
       > gibt's dafür leider keine, klagt Marina Pommier.
       
 (IMG) Bild: Schnell, gut, spaßig: Viele Roma-Musiker touren erfolgreich durch Deutschland.
       
       taz: Frau Pommier, haben Sie keine Angst vor Übergriffen? 
       
       Marina Pommier: Nein, wieso das denn? Die Atmosphäre beim Sziget ist immer
       sehr friedlich, auch im Vergleich mit anderen Festivals - das ist hier eher
       so Peace and Love …
       
       … deswegen schwärmen so viele vom "Woodstock des Ostens" - aber das klingt
       kitschig. 
       
       Stimmt. Woodstock, das war auch eine andere Epoche, die längst vergangen
       ist …
       
       … und das Sziget, für das Sie seit 2002 das Romazelt organisieren, ist Teil
       der ungarischen Gegenwart - mit grassierender Gewalt gegen Roma, und in der
       eine rechtsradikale Parteimiliz ihr Unwesen treibt - ohne Sie zu
       behelligen? 
       
       Die gibt es - aber weniger in Budapest. Die sind eher im Osten auf dem
       Land. Und auf dem Sziget lassen die sich nicht blicken: Das sind keine
       Leute, die Geld ausgeben, um Krawall machen zu können. Außerdem haben wir
       natürlich vernünftige Kontrollen. Da kämen die nicht durch.
       
       Es wirkt wie ein politisches Signal, wenn Sie eine Bühne für die
       unterdrückte Musik der Roma …? 
       
       Die Musik? Die ist doch nicht unterdrückt! Die ist voll in Mode, die Gipsy-
       oder Balkanwelle ist auf dem Höhepunkt. Die Leute mögen diese Musik, die
       Konzerte sind gut besucht. Etwas spitz gesagt: Der Zigeuner ist beliebt,
       solange er auf der Bühne steht.
       
       Aber im Radio dürfen sie nicht spielen? 
       
       So gut wie - immerhin gibt es seit einigen Jahren den Romasender Radio C,
       der spielt natürlich diese Musik. Das kommerzielle Radio aber höchstens in
       Folksendungen und auch dann nur, wenn die Gruppen nicht in ihrer Sprache
       singen.
       
       Wie denn dann? 
       
       Auf Ungarisch. Einige Gruppen machen deshalb zwei Versionen von ihren
       Liedern, die eine auf Romani, die andere ausschließlich in Ungarisch.
       
       Auch die Band, die Sie managen? 
       
       Nein, nicht Romano Drom. Die singen nur auf Romani - und kommen im
       Kommerzradio nicht vor. Aber sonst ist das sehr verbreitet, auch bei
       populären Bands, etwa Romantik …
       
       … das klingt populär. 
       
       Die sind wirklich ziemlich beliebt. Und die singen ohnehin fast nur auf
       Ungarisch. Aber manchmal lassen sie sich eine Passage in Romani schreiben -
       das erledigt meistens unser Sänger Antal Kovács für die. In der
       Radioversion fallen dann selbst die paar Wörter weg.
       
       Es ist also eine Frage der Sprache? 
       
       Und der Begriffe: Deshalb haben wir auch keine Sponsoren fürs Romazelt. Die
       anderen Festivalbühnen haben da keine Probleme. Bei uns gäbe es keine, wenn
       wir es anders nennen würden: Kein ungarisches Unternehmen will mit den Roma
       in Verbindung gebracht werden.
       
       Aber der Name bleibt ? 
       
       Ja, der bleibt. Wir hätten das Zelt auch anders nennen können: Wir machen
       ja nicht nur Romamusik. Bei uns spielen auch andere Strömungen, vor allem
       aus Mittel- und Osteuropa. Also hätten wir es auch "Kleine Weltmusikbühne"
       oder etwa "Zelt der Minderheiten" nennen können. Aber ich wollte das nicht.
       Ich glaube, es ist wichtig, den Namen zu behalten.
       
       Es bleibt eine überraschende Musikrichtung auf einem Rockfestival. 
       
       Das Sziget war nie ein reines Rockfestival. Hier gab es immer
       unterschiedliche Bühnen für die verschiedenen Szenen. Und das ist so
       ungewöhnlich nicht: Es gibt ja auch andere Mischfestivals. Außer uns hat
       aber keins ein Romazelt, da sind wir die Einzigen.
       
       Und wie kam das? 
       
       Die Idee ist 2001 entstanden während des französischen Kulturjahrs Ungarn,
       der "Saison culturelle hongroise". Bei der hatte ich für József Kardos
       gearbeitet, der künstlerischer Leiter des Sziget war. Und der hatte
       Anfragen von Radio C: Die wollten gerne auf Sziget vertreten sein - es war
       bloß unklar, wie. Ich arbeitete da schon länger mit Romagruppen zusammen,
       erst mit Musikern aus Rajasthan, 1999 haben wir Romano Drom gegründet. Die
       Kooperation mit Radio C ist dann irgendwann eingeschlafen, aber die Bühne
       war von Anfang an erfolgreich.
       
       Fragt sich nur: Was ist Romamusik? Ist das ein sinnvoller Begriff? 
       
       Nicht die Romamusik im Singular, die gibt's nicht - es gibt sehr viele!
       Allein in Ungarn haben wir drei Arten von Roma, jede hat ihre
       Musiktradition. Mir ist wichtig, die Bandbreite zu zeigen.
       
       Vom Folk über Sintijazz bis zu Thrash-Metal-Gruppen wie Ektomorf? 
       
       Nein, im Romazelt spielen Gruppen aus dem - weit gefassten -Segment
       Weltmusik: Also was absolut dazu gehört, ist Jazz Manouche, und wir haben
       auch öfters Sachen aus der Raprichtung: Gypsy.cz etwa waren hier, das ist
       HipHop mit starken Elementen der tschechischen Romatradition. Und mir ist
       wichtig, dass mindestens die Hälfte der Bands wirklich aus Romamusikern
       besteht.
       
       Klar. 
       
       Von wegen! Viele laufen unter dem Gypsy-Label, ohne dass Roma mitspielen.
       Meine Pflicht ist es, den echten Romagruppen Vorrang einzuräumen.
       
       Ihre Pflicht? 
       
       Ja, eine Pflicht. Ich finde, als vielleicht größtes Musikfestival Europas
       mit hunderttausenden Besuchern haben wir eine gewisse Verantwortung für
       das, was wir anbieten.
       
       Und das Publikum kommt aus Solidarität? 
       
       Quatsch. Was ich meine: Ich kenne ja beide Seiten, einerseits organisiere
       ich als Managerin Tourneen, andererseits bin ich Veranstalterin und
       engagiere Romabands. Das Problem ist, gerade weil diese Musik in Mode ist,
       schießen überall Amateurgruppen aus dem Boden. Die praktizieren oft einen
       wilden Mix, tsigano-klezmer oder was - da habe ich nichts gegen. Aber,
       gerade in der Wirtschaftskrise engagieren die Veranstalter lieber diese
       örtlichen Gruppen.
       
       Weil sie billiger sind? 
       
       Das ist doch logisch: Man spart ja schon Fahrt- und Unterbringungskosten.
       Den Schaden haben aber die authentischen Romagruppen aus Osteuropa. Denen
       gegenüber fühle ich mich verantwortlich - und genau die lade ich ein.
       
       Welche Bedeutung hat denn das Romazelt auf dem Sziget für diese Bands? 
       
       Es ist eine große Chance, eine solche Bühne zu haben, um diese Musik einem
       so breiten, internationalen und multikulturellen Publikum vorzustellen.
       
       Weil's kein spezielles Roma- oder Weltmusikfestival ist? 
       
       Absolut. Das ist wirklich etwas anderes, wobei das Romazelt jedes mal auch
       so etwas wie ein Minifestival im Festival ist: Einige kommen auch immer
       extra deswegen. Aber ebenso viele kommen, weil sie neugierig sind und etwas
       entdecken wollen. Das macht die Festivalatmosphäre aus.
       
       Klingt entspannt. 
       
       Das ist es auch.
       
       Obwohl die politischen Spannungen wachsen: Die rechtsextreme Jobbik-Partei
       erstarkt, und die seit Mai regierende Fidesz hat deren Programm gegen
       "Zigeunerkriminalität" übernommen … 
       
       Meine Musiker haben nach der Wahl gesagt, jetzt müssten sie wohl emigrieren
       - im Scherz. Aber es gibt tatsächlich ein großes Problem, das hier oft als
       "die Zigeunerfrage" bezeichnet wird - ähnlich den Einwanderungsproblemen in
       westeuropäischen Ländern. Wobei man eben nicht genug betonen kann, dass die
       Roma hier keine Einwanderer sind, sondern Ungarn von Geburt an und seit
       hunderten von Jahren. Das Problem ist die Armut und das Fehlen der Bildung
       …
       
       … infolge eines segregierenden Bildungssystems. 
       
       … selbstverständlich. Aber auch mitbedingt durch die Mentalität der Roma
       selbst, davor sollte man nicht die Augen verschließen. Im Kern ist es aber
       ein soziales Problem: Die Roma, die ich kenne, sind in erster Linie Bürger
       ihres Landes - und dann Roma. Trotzdem hat man sie nie als Angehörige der
       Gemeinschaft akzeptiert - außer als Musiker.
       
       10 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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 (DIR) Ungarn
       
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