# taz.de -- Kommentar "Burn-a-Koran Day": Wegschauen ist die richtige Reaktion
       
       > Eine kleine rechte christliche Gruppe aus dem US-Bundestaat Florida
       > fordert dazu auf, den Koran zu verbrennen. Sie will den 11. September für
       > sich zu vereinnahmen - und Schlagzeilen.
       
       Was tun, um seine kleine unbedeutende Kirche mit 30 Mitgliedern in
       Gainesville im US-Bundestaat Florida ein wenig bekannter zu machen? Pastor
       Terry Jones kam eine Idee. Wir verbrennen am Jahrestag des 11. Septembers
       einfach ein paar Exemplare des Korans. Die ungeteilte Aufmerksamkeit der
       Medien ist uns mit dieser Provokation sicher, ebenso die wutentbrannte
       Reaktion der muslimischen Welt.
       
       Ein einfacher berechenbarer Mechanismus, der bisher zumindest im ersten
       Teil aufgegangen ist. Die Medien, nicht nur in seinem Bezirk, nicht nur in
       Florida oder in den US-Medien, nein, in der ganzen Welt berichten darüber.
       Die US-Regierung, die Nato, der Vatikan verurteilen den Pastor mit seinem
       "Burn-a-Koran Day". Also 1:0 für Terry.
       
       Was aber ist mit Teil zwei seiner Kalkulation? Ein ausführlicher Blick
       durch alle arabischen Medien heute Morgen ergibt: Die Reaktion geht gegen
       Null. Die meisten berichten lediglich vom US-Oberbefehlshaber Gen David
       Petraeus in Afghanistan, der erklärt hatte, dass die ganze Aktion die
       Sicherheit seiner Truppen gefährdet, und das "nicht nur in Kabul, sondern
       überall auf der Welt". In einem einsamen Kommentar beschwert sich die
       überregionale arabische Tageszeitung Al-Quds Al-Arabi. Es sei etwas
       unglücklich, dass die US-Regierung die Affäre hauptsächlich unter dem
       Blickwinkel der Sicherheit ihrer Soldaten betrachte und nicht als
       Respektlosigkeit gegenüber einer Religion. Arabische Reaktion ende. Nichts
       nach Art der dänischen Muhammad-Karikaturen. Vielleicht hat inzwischen ein
       gewisser Reifeprozess eingesetzt, indem man auf dieser Seite erkannt hat,
       nicht auf jede unsinnige Provokation hereinzufallen.
       
       US-Justiziminister Eric Holder brachte das Ganze kurz auf den Punkt, als er
       die Idee der Koranverbrennung als "idiotisch und gefährlich" bezeichnete.
       Während das „idiotisch“ sich von selbst erklärt, bleibt die Frage, was
       diese Aktion eigentlich wirklich gefährlich macht. Spielen hier nicht in
       erster Linie die Medien eine unheilvolle Rolle, indem sie einer
       unbedeutenden Kirche an einem unbedeutenden Ort viel mehr Aufmerksamkeit
       schenken, als sie verdient?
       
       Das Ganze entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Eine kleine rechte
       christliche Gruppe versucht den 11. September für sich zu vereinnahmen und
       will durch eine idiotische islamfeindliche Aktion in die Schlagzeilen
       geraten. Der Vatikan, die US-Regierung und die Nato setzen alles daran,
       dass dabei in der Islamischen Welt nur nicht der Eindruck entsteht, dass
       das gesamte Christentum und der Westen hinter einer solchen Aktion stehen.
       Sie kommen damit in die gleiche Lage, in die viele Muslime nach dem 11.
       September gerieten, als sie mancherorten kollektiv für die Anschläge
       verantwortlich gemacht wurden, und seitdem stets beweisen sollen, dass sie
       keine Terroristen sind. Zugegeben, die Proportionen sind nicht ganz
       richtig. Es gibt im Westen wahrscheinlich weniger Koranzündler als in der
       islamischen Welt Bin-Laden-Fans, und die Anschläge des 11. September haben
       eine völlig andere Dimension als eine Koranverbrennungszermonie. Aber in
       beiden Fällen läuft eine Mehrheit Gefahr, für die Taten einer Minderheit an
       den Pranger gestellt zu werden.
       
       Doch zurück zu Pastor Terrys Aktionstag. Am 11. September werden sie alle
       da sein. Die Weltpresse, die Kameras werden den kleinen Ort Gainesville
       belagern. Sie werden dafür sorgen, dass die Bilder der brennenden
       Koranexemplare um die Welt gehen, während 30 durchgeknallte rechtsradikale
       Christen ums Feuer tanzen. Vielleicht geht für Pastor Terry dann doch auch
       noch der zweite Teil seiner Kalkulation auf - falls die islamische Welt
       noch auf die Barrikaden geht. Das wäre das 2:0 für ihn.
       
       Bleibt zu hoffen, dass die Medien und die Muslime doch nicht wie pawlowsche
       Hunde reagieren, mal etwas ganz Unvorhersehbares machen, und Pastor Terry
       mit dem einzig Vernünftigen bestrafen, das er verdient: einfach ignoriert
       zu werden. Man stelle sich vor, es gibt eine Koranverbrennung, und keiner
       geht hin.
       
       8 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Facebook-Aufruf von US-Karikaturistin: Neuer Name wegen Netz-Hetzjagd
       
       Eine Karikaturistin rief zum "Zeichne Mohammed-Tag" auf und veröffentlichte
       eine religionskritische Karikatur per Facebook. Heute lebt sie auf Rat des
       FBI unter neuem Namen.
       
 (DIR) Kommentar Koran-Verbrennungen: Vergiftetes Gedenken
       
       Es ist vorbei mit der großen patriotischen Einheit nach 9/11: Durch den
       Streit um ein religiöses Zentrum sind Muslime in den USA ins Visier einer
       rechten populistischen Bewegung geraten.
       
 (DIR) Muslime in den USA nach 9/11: Die Moschee im Bibelgürtel
       
       Der geplante Neubau einer Moschee spaltet das gläubige Murfreesboro.
       Muslime müssen sich Verdächtigungen erwehren – und können dem Streit doch
       was abgewinnen.
       
 (DIR) Kritik an geplanter Koran-Verbrennung: Selbst Geert Wilders rät ab
       
       Kanzlerin Merkel findet es "abstoßend", US-Außenministerin Clinton
       "schändlich": Immer stärker wird die geplante Koran-Verbrennung kritisiert.
       Doch der Initiator will daran festhalten.
       
 (DIR) Brennender Koran und Ground Zero-Moschee: Religiöse prägen 9/11-Debatte
       
       Mit dem Plan, den Koran zu verbrennen, sorgt ein Evangelikaler für
       weltweite Empörung. Derweil entsteht zwei Blocks vom Ground Zero entfernt
       eine umstrittene Moschee.
       
 (DIR) Aktion christlicher Fundamentalisten in USA: Petraeus warnt vor Koran-Verbrennung
       
       Der christliche Fundamentalist Terry Jones will am 11. September den Koran
       verbrennen. Muslime in Kabul verbrennen bereits eine Puppe von Jones.
       Nato-General Petraeus fürchtet eine Eskalation.
       
 (DIR) Unklarheit über Koran-Verbrennung: "Vorlaufige Suspendierung"
       
       Der fundamentalistische Prediger Terry Jones droht weiterhin mit der
       Koranverbrennung. Jones will sich mit Iman in New Yok treffen.