# taz.de -- Montagsinterview mit Union-Spieler Karim Benyamina: "Hier in der Hauptstadt will man schon die Nummer eins sein"
       
       > Karim Benyamina ist ein Berliner Gewächs durch und durch. Von den
       > Fußballkäfigen im Märkischen Viertel hat er sich hochgekickt bis zum
       > Zweitligisten Union Berlin. Die harte Schule des Straßenfußballs sei eine
       > gute Vorbereitung für seine Profikarriere gewesen, sagt er. Heute träumt
       > er davon, mit Union in die Erste Liga aufzusteigen.
       
 (IMG) Bild: "Ich hatte nie Nachteile dadurch, dass ich einen algerischen Papa habe - im Gegenteil."
       
       taz: Herr Benyamina, waren Sie einmal Hertha-Fan? 
       
       Karim Benyamina: Nicht wirklich. Man war schon auch für die eigene Stadt,
       in der man aufgewachsen ist, aber so ein richtiger Fan war ich nie.
       
       Und für welche Mannschaft waren Sie als Jugendlicher, der im Märkischen
       Viertel aufgewachsen ist? 
       
       Früher war ich immer für Dortmund. Das hat aber nichts mit der Stadt zu
       tun. Aber die Spieler haben mir damals besser gefallen, waren interessanter
       für mich.
       
       Als Sie mit dem Fußballspielen begonnen hast, gab es da schon den Wunsch,
       einmal Fußball-Profi zu werden? 
       
       Ich habe ziemlich spät angefangen, mit zwölf. Und erst mal ging es nur
       darum, Spaß zu haben mit den eigenen Freunden. Aber es hat nicht lange
       gedauert, da habe ich schon daran gedacht. Wenn man die jungen Profis im
       Fernsehen gesehen hat, die vielen Zuschauer, doch, da war das schon ein
       Gedanke. Und dann bin ich einfach drangeblieben.
       
       Und Ihr Club Union Berlin hat Ihnen eine Profikarriere ermöglicht. 
       
       Es ist in Berlin sehr schwer, mit Fußball Geld zu verdienen. Hier in der
       Stadt gibt es nur zwei Vereine, die professionell arbeiten: Hertha und
       Union. Bei allen anderen Klubs muss man nebenher noch arbeiten. Jetzt kann
       ich meinen Traum leben. Und dafür bin ich sehr dankbar.
       
       Was wären Sie geworden, wenn es mit der Profikarriere nicht geklappt hätte? 
       
       Ich habe eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker gemacht. Ich habe Nebenjobs
       gemacht und viel gearbeitet. Als ich zu Union gewechselt bin, konnte ich ja
       nicht mehr arbeiten, weil wir auch in der Oberliga schon zwei Mal am Tag
       Training hatten. Damit war die Entscheidung für den Fußball gefallen.
       
       Haben Sie immer daran geglaubt, dass Sie es schaffen, Profi zu werden? 
       
       Ich habe schon viel Hoffnung darangesetzt, schon als ich noch im
       Fußballkäfig gekickt habe. Ich wusste, wie schwer es ist, in Berlin
       überhaupt Arbeit zu finden. Die Arbeitslosenrate ist relativ hoch. Ich
       hatte schon immer auch die Angst, irgendwann arbeitslos zu sein, obwohl ich
       eine Ausbildung habe. Deshalb habe ich viel darangesetzt, dass ich mit
       Fußball Geld verdienen kann.
       
       Wie hart ist eine Jugend in einem Fußballkäfig im Märkischen Viertel? 
       
       Es gibt sicher härtere oder schlimmere Ecken auf der Welt als das Märkische
       Viertel. Ich denke, jede Stadt hat solche Käfige, in denen die Jugendlichen
       Fußball spielen können. Ja, es war hart, aber es gibt härtere Sachen.
       
       Was war hart? 
       
       Man musste immer seinen Platz verteidigen. Viele wollten da spielen, und
       manche hat man eben nicht mitspielen lassen. Man musste immer um
       Anerkennung kämpfen.
       
       Was kann man im Käfig lernen? Profitieren Sie als Profi davon? 
       
       Ich glaube, dass ich ein guter Kämpfer bin, dass ich eine starke
       Willenskraft habe. Man spielt da ohne Schiedsrichter, man ist unter sich,
       da wird oft gefoult, ohne dass es geahndet wird. Wenn man damit klarkommt,
       hat man schon viel mitgenommen für den weiteren Werdegang als Spieler.
       
       Haben Sie heute noch Kontakt zu Ihren Jugendfreunden? 
       
       Ich bin ja immer in Berlin geblieben. Da ist es nicht ganz so schwer, den
       Kontakt zu den alten Freunden aufrecht zu erhalten. Man kann sich
       verabreden, sich mal treffen, auch wenn manchmal nicht viel Zeit ist.
       Freunde sind wichtig. Ich fahre auch noch oft ins Märkische Viertel und
       treffe mich mit Leuten, mit denen ich mich schon vor sieben Jahren
       getroffen habe. Da hat sich nicht viel geändert.
       
       Spielen Sie dann auch wieder im Käfig? 
       
       Ja, klar, wenn es geht, im Urlaub. Natürlich nicht mehr so intensiv wie
       früher. Ich passe dann schon auf meine Knochen auf. Aber ein bisschen
       Schießen, ein paar Tricks, den Ball hochhalten, das geht immer noch. Man
       muss sich ja den Spaß am Fußball erhalten.
       
       Sind Sie ein typischer Berliner? 
       
       Ich fühle mich zu 100 Prozent als Berliner.
       
       Was macht Berlin für Sie aus? 
       
       Berlin ist eine große Stadt. Ich fühle mich wohl in der Stadt. Ich komme
       mit vielen Leuten klar, in den unterschiedlichsten Bezirken. Im Osten gibt
       es andere Leute als im Westen. Das ist alles Berlin. Ich fühle mich als
       Berliner, weil ich einfach Berliner bin.
       
       Welche Rolle spielt es dabei, dass Sie einen algerischen Vater haben? 
       
       Ich hatte nie Nachteile, dadurch, dass ich einen algerischen Papa habe - im
       Gegenteil. In Berlin gibt es ja viele Mischlinge oder Ausländer, von daher
       hatte ich gar keine Probleme. Wo ich aufgewachsen bin, sowieso nicht.
       
       Und bei Auswärtsspielen, sind Sie da angefeindet worden? 
       
       Bei manchen Spielen, bei bestimmten Vereinen hat man sich als ausländisch
       aussehender Typ schon Beleidigungen anhören müssen. Aber das war normal im
       Berliner Fußball. Das hat dazugehört, um den Gegner zu provozieren. Das war
       jetzt aber nicht so schlimm. Ich habe mir das nie so zu Herzen genommen.
       
       Haben Sie es bei den Unionern schwerer als einer, der etwa aus Köpenick
       kommt? 
       
       Für die Fans macht das keinen Unterscheid, woher du kommst. Für die Fans
       ist es wichtig, dass du Leistung zeigt, dass du hinter dem Verein stehst,
       dass du kämpfst. Und die letzten Jahre bei Union waren ja nicht so
       schlecht. Du muss dir halt den Arsch aufreißen, dann hast du keine
       Probleme. Aber das ist ja überall so.
       
       Wie wichtig waren in diesem Zusammenhang die drei Tore, die Sie beim
       legendären 8:0 im Oberligaduell gegen den noch aus DDR-Zeiten verhassten
       Erzrivalen BFC Dynamo geschossen haben? 
       
       Wir Spieler wussten zwar, dass es da in der Vergangenheit so manche Sachen
       gegeben hat. Ich war damals erst 24. Und mir war nicht so extrem bewusst,
       was da dahintersteckt. Für mich war einfach nur wichtig, dass wir gewinnen,
       dass ich treffe, Tore mache - was man als Stürmer eben so machen will. Was
       wir damit auslösen, war uns nicht bewusst. Unvorstellbar, dass das Ergebnis
       noch fünf Jahre später auf der Anzeigetafel stand.
       
       Das war der Startschuss für Ihren Aufstieg mit Union. Jetzt spielen Sie
       Zweite Liga und auch da machen Sie Ihre Tore. 
       
       Das Entscheidende ist, dass man nie aufgibt, dass man immer versucht,
       besser zu werden, dass man nie zufrieden ist mit dem, was man erreicht hat.
       Das ist letztlich der Grund dafür, dass ich auch in der Zweiten Liga Tore
       schießen kann.
       
       Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Arbeit bei Union Berlin ausreichend
       gewürdigt wird? In der Aufstiegssaison waren Sie einer derjenigen, die erst
       ganz spät einen Vertrag für die Zweite Liga unterschrieben haben. 
       
       Das lag ja nicht nur am Verein. An Vertragsverhandlungen sind ja immer zwei
       Seiten beteiligt. Ich war mir selbst nicht ganz klar, ob ich vielleicht
       einmal etwas anderes ausprobieren wollte. Und jetzt bin ich froh, dass es
       sich so entwickelt hat, dass ich weiter hier spielen darf.
       
       Die Union-Fans hängen sehr an ihrem Verein. Spürt man da als Spieler eine
       besondere Verpflichtung? 
       
       Ich will als Fußballer - egal, für welchen Verein ich spiele - immer 100
       Prozent geben. Aber das gelingt eben nicht immer. Und da hat man schon ein
       extrem schlechtes Gewissen gegenüber den Fans. Wenn wir zu Hause verlieren,
       dann fällt es schon schwer, nach dem Spiel in die Kurve zu gehen. Aber die
       Fans helfen uns dann auch, indem sie uns zeigen: Kopf hoch, Jungs, weiter
       gehts, beim nächsten Mal wirds besser. Das ist einmalig.
       
       Was ist das Besondere an den Unionern? 
       
       Hier ist es viel familiärer. Die Fans kümmern sich darum, dass der
       Nachwuchs an den Klub herangeführt wird, dass man an Union festhält über
       Generationen. Die Fans würden alles tun für Union. Das merkt man auch als
       Spieler. In anderen Vereinen gibt es so etwas nicht.
       
       Sie spielen im sechsten Jahr bei Union. Sind Sie der Spieler, den die
       Neuzugänge fragen, wie der Klub tickt? 
       
       Wie die Sitten im Verein sind, klar, wer wo für was zuständig ist, das
       werde ich schon gefragt. Und überhaupt. Auch was Berlin angeht: Wo man
       hingehen kann, wo man essen kann, wo man Möbel herbekommt. Ich kann den
       Spielern viel über den Verein sagen und ich kann ihnen viel über Berlin
       sagen.
       
       Denken Sie an einen weiteren Aufstieg? Würden Sie gerne in der Ersten Liga
       spielen? 
       
       Man wäre kein Fußballer, wenn man sich mit irgendetwas zufrieden geben
       würde, mit der Zweiten oder der Dritten Liga. Natürlich will man in der
       besten Liga gegen die besten Fußballer spielen. Das Beste wäre natürlich,
       mit Union in die Erste Liga aufzusteigen.
       
       Kann Union das irgendwann schaffen? 
       
       Union ist jetzt frisch in der Zweiten Liga und muss sich erst mal
       etablieren. Wir stehen vor einem schweren zweiten Jahr. Dem Verein geht es
       jetzt besser als in der Vergangenheit. Jetzt gehören auch Spieler zum
       Kader, die schon höherklassig gespielt haben. Man wird sehen, was daraus
       wird.
       
       Dirk Zingler, der Präsident, hat kürzlich gesagt, bei Union müsse man immer
       mal wieder auch mit einem Abstieg rechnen. Haben Sie Angst vor dem Absturz? 
       
       Wir sind Fußballer, wir wollen gewinnen und wir kucken nicht nach unten,
       wir kucken nach oben. Wenn wir unser Potenzial ausschöpfen können, werden
       wir mit dem Abstieg nichts zu tun haben.
       
       Als es im letzten Jahr für Union gut lief, hat sie so mancher schon im
       WM-Team der algerischen Nationalmannschaft gesehen. War das denn
       realistisch? 
       
       So unrealistisch war das gar nicht. In der Nationalmannschaft stehen auch
       ein paar Spieler, die in der algerischen Liga spielen. Und ich denke, die
       deutsche Zweite Liga ist besser als die algerische Erste Liga. Aber
       Algerien ist immer so ein heißes Pflaster, da weiß man nie, was man glauben
       kann und was nicht. Deshalb war es zwar schön, im Gespräch gewesen zu sein,
       aber so viel Hoffnungen habe ich mir dann doch nicht gemacht. Zum
       entscheidenden Kontakt mit der Nationalmannschaft ist es letztlich nicht
       gekommen
       
       Wie gut kennen Sie Algerien? 
       
       Sehr gut. Bis vor fünf Jahren war ich jedes Jahr im Urlaub bei meiner
       Familie in Algerien.
       
       Sie sprechen auch die Sprache? 
       
       Gebrochen, aber ich kann mich verständigen.
       
       Werden Sie hier manchmal gefragt, ob sie denn Deutsch können? 
       
       Quatsch. Und wenn schon! Das merken die dann schon an der Antwort, dass ich
       Deutsch kann.
       
       Mit der Ausnahme Babelsberg haben Sie immer in Berlin gespielt, bei beinahe
       allen größeren Klubs. Gab es auch einmal Kontakt zu Hertha? 
       
       Als ich 20 war und bei den Reinickendorfer Füchsen gespielt habe, hatte ich
       mal ein Probetraining bei den Hertha-Amateuren. Meiner Meinung nach habe
       ich super trainiert. Ich hätte mich sofort genommen. Aber das wurde dann
       nichts, weil die im Umbruch waren, nicht wussten, wer kommt, wen sie nehmen
       sollen.
       
       Schade? 
       
       Das war halb so wild. Ich bin ja dann bei Union gelandet. Bin ich auch froh
       drüber.
       
       Und jetzt habt ihr die Chance, gegen Hertha zu gewinnen. Ist das das Spiel
       des Jahres? 
       
       Jetzt mal ehrlich: Gegen Hertha gibt es drei Punkte zu vergeben - mehr
       nicht. Gegen Mannschaften wie Paderborn gibt es auch nicht mehr.
       
       Wird überhaupt über etwas anderes gesprochen in der Kabine als über das
       große Derby am nächsten Freitag? 
       
       Bis jetzt ist es komplett ruhig in der Mannschaft. Worüber gesprochen wird,
       ist die Verteilung der Eintrittskarten. Viele Freunde fragen, ob da nicht
       was möglich ist. Die wollen das sehen. Das ist es, was uns beschäftigt.
       
       Wie viele Karten haben Sie zu vergeben? 
       
       Ich weiß nicht genau. Ich, glaube jeder kriegt fünf. Mal sehen.
       
       Vor dem Spiel ist Union aber in einer besseren Situation. So richtig
       verlieren kann doch nur Hertha. 
       
       Die sind natürlich Favoriten mit ihrer Mannschaft, mit ihren guten
       Spielern. Aber wenn wir gegen Hertha verlieren, würde mich das extrem
       treffen. Hier in der Hauptstadt will man schon die Nummer eins sein.
       
       13 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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