# taz.de -- Standards für nukleare Lager und AKWs: Röttgens atomare Probleme
       
       > Schlechte Nachrichten für Umweltminister Röttgen. Erst soll sich der Bau
       > des Endlagers Schacht Konrad um Jahre verzögern, dann wirft ihm die
       > Kieler Atomaufsicht vor, AKW-Standards zu senken.
       
 (IMG) Bild: Strahlende Lagerprobleme: Protestaktion vor dem Bundestag in Berlin.
       
       BERLIN/HAMBURG dapd/dpa | Der Bau des Atommüllendlagers Schacht Konrad
       verzögert sich - womöglich um bis zu fünf Jahre bis 2019. Ein Sprecher des
       Bundesamts für Strahlenschutz sagte am Donnerstag auf dapd-Anfrage,
       kürzlich sei ein Verzug bei der Errichtung des Lagers für schwach- und
       mittelradioaktive Abfälle gemeldet worden. Doch erwarte die Behörde, dass
       die Beteiligten alle Möglichkeiten für eine schnellere Errichtung nutzten,
       sagte der Sprecher.
       
       Die Süddeutsche Zeitung meldete aus Regierungskreisen, dass das Lager
       womöglich erst 2019 in Betrieb gehen könne: "Nach einem Bericht des
       Bundesamtes für Strahlenschutz ist zu befürchten, dass sich die Bauzeit um
       fünf Jahre verzögert." Die Gründe für die Verzögerung seien unbekannt und
       würden überprüft. Die zuständige Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb
       von Endlagern (DBE) erklärte der Zeitung jedoch, eine Fertigstellung bis
       2015 sei "durchaus noch realistisch".
       
       Interne Unterlagen des Ministeriums führen dem Blatt zufolge als Grund für
       Verzögerungen unter anderem die lange brachliegende Planung für das
       Endlager bei Salzgitter an. Weil bis 2007 Gerichtsverfahren anhängig waren,
       seien die Planungen seit den 90er Jahren nicht weiter aktualisiert worden.
       Zwischenzeitlich seien aber Auflagen und Vorgaben für EU-weite
       Ausschreibungen hinzugekommen, heißt es. Die ursprünglich angenommene
       Bauzeit von sechs Jahren sei nicht mehr zu halten.
       
       Die für Schacht Konrad vorgesehenen schwach- und mittelradioaktiven Abfälle
       machen nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz rund 90 Prozent der
       Menge allen Atommülls aus, enthalten aber nur 0,1 Prozent der Strahlung -
       im Gegensatz zu hochradioaktiven verbrauchten Brennstäben.
       
       Bei dem schwächer strahlenden Material handelt sich zum geringeren Teil um
       Medizin- und Industrieabfälle, zum größten Teil aber um Betriebsmittel und
       Bauteile aus Atomkraftwerken. Das größte Volumen ist aus dem Abbau alter
       Reaktoren zu erwarten. Das Bundesamt schätzt die Gesamtmenge bis 2040 auf
       290.000 Kubikmeter. Bisher werden die Abfälle in diversen Sammelstellen
       zwischengelagert. Dazu kommen etwa 37.000 Kubikmeter im DDR-Lager Morsleben
       und 46.000 Kubikmeter im maroden Lager Asse.
       
       Die hochradioaktiven Abfälle, die einst in einem eigenen Endlager
       untergebracht werden sollen, befinden sich derweil meist in Zwischenlagern
       in der Nähe der Atomkraftwerke. Hier gebe es trotz geplanten
       Laufzeitverlängerung um acht bis 14 Jahre keine Platzprobleme, erklärte die
       Bundesregierung auf Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion.
       
       In den Zwischenlagern Biblis, Brokdorf, Grafenrheinfeld, Gundremmingen und
       Krümmel wären die Kapazitäten auch bei einer Laufzeitverlängerung um zehn
       Jahre nicht ausgereizt. Nur im stillgelegten Atomkraftwerk Obrigheim sei
       die Errichtung eines Zwischenlagers beantragt worden. "Darüber hinaus sind
       der Bundesregierung keine Pläne bekannt, vorhandene Zwischenlager
       auszubauen oder neue einzurichten", zitiert das Hamburger Abendblatt aus
       der Antwort.
       
       Grünen-Atompolitikerin Sylvia Kotting-Uhl hält die Angaben der Regierung
       allerdings für nicht plausibel: "Ich bezweifle diese Aussagen und wundere
       mich, dass das Bundesumweltministerium sie nicht richtig belegt. Nach
       unseren Berechnungen wären beispielsweise die Kapazitäten von Biblis sehr
       früh erschöpft."
       
       In einer weiteren Antwort auf eine Grünen-Anfrage weigert sich die
       Regierung nach einem Bericht des Tagesspiegels, die Grundlagen für ihre
       Entscheidung offen zu legen, den Bundesrat bei der geplanten Verlängerung
       der Atomlaufzeiten nicht zu beteiligen. Die Regierung berufe sich auf das
       Geheimhaltungsrecht über Vorgänge im "Kernbereich exekutiver
       Eigenverantwortung", meldete die Zeitung. Eine "Pflicht der Regierung zur
       Information des Parlaments besteht insoweit nicht", heiße es weiter.
       
       Kiel wirft Röttgen vor, die AKW-Standards zu senken 
       
       Die Kieler Atomaufsicht wirft zudem Umweltminister Norbert Röttgen (CDU)
       vor, mit seinem Entwurf für ein neues Atomgesetz Sicherheitsstandards in
       Kernkraftwerken abzusenken. Die geplante Regelung könnte "im Ergebnis
       möglicherweise zu einer Absenkung des verfassungsrechtlich gebotenen hohen
       Schutzniveaus führen", zitieren Financial Times Deutschland (FTD) und
       Süddeutsche Zeitung (SZ) aus einem Brief des zuständigen
       Landesjustizministers Emil Schmalfuß (parteilos) an Röttgen.
       
       Röttgen hatte bisher von einem höheren Sicherheitsniveau gesprochen und
       darauf verwiesen, dass zusätzlich zur Schadensvorsorge eine "weitere
       Vorsorge gegen Risiken" durch die Kraftwerksbetreiber vorgesehen sei. Die
       FTD zitiert aus dem Gesetzentwurf, der Betreiber habe "entsprechend dem
       fortschreitenden Stand von Wissenschaft und Technik dafür zu sorgen, dass
       die Sicherheitsvorkehrungen verwirklicht werden, die jeweils entwickelt,
       geeignet und angemessen sind, um (...) einen nicht nur geringfügigen
       Beitrag zur weiteren Vorsorge gegen Risiken für die Allgemeinheit zu
       leisten". Welche Vorkehrungen das konkret sind, darüber sollen laut Zeitung
       das Bundesumweltministerium und die zuständige Landesbehörde entscheiden.
       
       Schmalfuß moniere, dass der Passus "zu einer Abschwächung der nach dem
       gültigen Atomgesetz bestehenden, weitreichenden Pflichten der Betreiber"
       führen könnte, berichtet die SZ. Der Rechtsschutz Dritter werde durch das
       Gesetz eingeschränkt. Dies sei "gänzlich inakzeptabel".
       
       Laut FTD kritisiert Schmalfuß, dass die Neuregelung gar keine Erhöhung des
       Sicherheitsstandards bewirkt: "Bereits auf der Basis des geltenden Rechts
       sind Kernkraftwerksbetreiber zu einer dynamischen Anpassung ihrer Anlagen
       an aktuelle Entwicklungen und damit zu einer bestmöglichen Schadensvorsorge
       verpflichtet", schreibe er in seinem Brief. Die Behörden könnten
       Nachrüstungen auch ohne Neuregelung durchsetzen, so der Justizminister.
       
       23 Sep 2010
       
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