# taz.de -- Aus der Literataz - Frankfurter Buchmesse: Private Bedrohung
       
       > Jaron Lanier hat den ersten Avatar entwickelt und den Begriff "virtuelle
       > Realität" geprägt. Er misstraut der Netzeuphorie und warnt in "Gadget"
       > vor den Praktiken der virtuellen Welt.
       
 (IMG) Bild: Matrix-ähnliche Welt: Das Internet bietet viel, kann aber auch schaden.
       
       Fundamentale Kritik am Internet ist derzeit angesagt. Vor allem
       Journalisten zweifeln, ob das Netz uns nicht gehörig die Sinne vernebelt -
       an der vordersten Front FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher. Viele Argumente
       mögen dabei etwas bildungsbürgerlich klingen, sie haben aber auch etwas für
       sich.
       
       Das Netz ist eine Wundermaschine mit enormen demokratischen, egalitären
       Möglichkeiten. Aber es zerstreut Aufmerksamkeit. Überall erreichbar zu
       sein, ist kein Phantomschmerz von überreizten Managern, sondern eine
       Bedrohung des Privaten. Ob wirklich immer wir das Netz nutzen oder ob
       Google nicht uns nutzt, ist eine Frage wert.
       
       Insofern ist Jaron Lanier in der Reihe der Netz-Kritiker eine schillernde
       Figur. Lanier, ein 50jähriger, dem man die Herkunft aus der US-Post-Hippie
       Kultur ansieht, ist Informatiker, Komponist und Autor.
       
       Er war einer der Propheten der schöne neuen Netzwelten. Er hat den ersten
       Avatar entwickelt und den Begriff "virtuelle Realität" geprägt. Lanier
       schaut nicht von der Gutenberg Galaxis auf die fremde digitale Milchstraße
       - er wohnt selbst dort. Das merkt man nicht zuletzt auch an dem etwas sehr
       sprunghaft assoziativen Stil seines Essays "Gadget".
       
       Das Netz ist, so Laniers Kernkritik, nicht geworden, was es werden sollte:
       offen und kreativ. Im Netz wird Werbung bezahlt, das Kreative, die
       Autorenschaft aber gibt es umsonst. Diese Enteignung des Autors ist, so
       Lanier, Vorschein der Entwertung menschlicher Kreativität und letztlich der
       drohenden Abschaffung des humanen Subjekts, das in den Weiten der
       virtuellen Welt verschwinden wird.
       
       Lanier misstraut der Netzeuphorie ebenso wie der Schwarmintelligenz, etwa
       Wikipedia. Das ganze Konzept anonymer Autorenschaft ist für ihn ein Irrweg,
       denn niemand ist letztlich verantwortlich. Lanier hält Menschen als Teil
       von Kollektiven für gefährlich, das Individuum, das bürgerliche Subjekt,
       hingegen für unverzichtbar.
       
       In solchen Passagen klingt Lanier durchaus ähnlich wie Schirrmacher (oder
       umgekehrt?). Trotzdem ist "Gadget" kein fundihaft-technikfeindlicher Text.
       Das etwas wolkige Ziel lautet, einen neuen digitalen Humanismus zu
       schaffen, nicht die Rückkehr zum analogen.
       
       So präsentiert Lanier einen recht pragmatischen Vorschlag, wie man die
       Degradierung des Autors/Produzenten zum kostenlosen Hersteller von Inhalt
       für Google beenden kann. Netzinhalte müssen einfach ein bisschen Geld
       kosten. So billig ließ sich der Untergang der menschlichen Spezies noch nie
       aufhalten.
       
       6 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
 (DIR) Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Polizei Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne Leuchten der Menschheit: Dobermann springt vom Balkon
       
       In Deutschland lesen weniger Leute Bücher. Sind die Smartphones schuld?
       IT-Guru Jaron Lanier warnt inzwischen vor Social Media.
       
 (DIR) Abschluss der Buchmesse: Ein argentinischer Meteorit
       
       Argentienien war nicht nur auf der Buchmesse präsent, sondern in der ganzen
       Stadt. Manchmal gegen den Widerstand alter Funktionäre des Landes.
       
 (DIR) ERÖFFNUNG DER FRANKFURTER BUCHMESSE: Dazu sagt ein Westerwelle nichts
       
       Zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse erinnerte die argentinische
       Präsidentin an die jüngste Geschichte des Landes - der Bundesaußenminister
       hat dem nichts hinzuzufügen.