# taz.de -- Durchsuchung linker Läden: Polizei strebt Razzia-Rekord an
> Die Polizei durchsucht erneut Buchläden wegen der Zeitschrift "Interim".
> Ermittelt wird auch gegen Inhaber der Geschäfte - wegen Anleitung zu
> Straftaten.
(IMG) Bild: Aus der Bananenrepublik.
Es ist fast schon Routine: Die Ladentür geht auf, die Polizei drängt
herein: "Wir haben einen Durchsuchungsbefehl." Teilweise sechs Mal ging das
den Besitzern linker Buch- und Infoläden in diesem Jahr bereits so.
Dienstag Mittag war es wieder soweit. In den zwei Buchläden der Schwarzen
Risse im Mehringhof und in der Kastanienallee, bei oh21 in der
Oranienstraße und im Infoladen M99 in der Manteuffelstraße suchten Beamte
nach Ausgaben der linken Untergrundzeitschrift Interim. In deren jüngster
Ausgabe vom 15. Oktober hatten anonyme AutorInnen Anleitung zum Bau von
Molotowcocktails gegeben.
Der Einsatz hatte wenig Erfolg, nur in einem Fall wurde die Polizei nach
eigenen Angaben fündig. Die Buchhändler widersprechen: Die aktuelle
Interim-Ausgabe sei in keinem der Läden gefunden worden. "Stattdessen hat
die Polizei alte Ausgaben von 2007 mitgenommen", so Frieder Rörtgen,
Geschäftsführer der Kreuzberger "Schwarzen Risse". Auch im M99 wurden
ältere Interim-Exemplare beschlagnahmt. "Das läuft immer nach dem gleichen
Schema ab", zeigte sich der M99-Betreiber genervt. "Ich weiß nicht, was das
bringen soll."
Einmal vor Ort fielen den Beamten im "Schwarze Risse" im Mehringhof Plakate
zur Aktion "Castor Schottern" ins Auge. Gern hätten sie die gleich
mitbeschlagnahmt - soweit wollte die Staatsanwaltschaft aber offensichtlich
nicht gehen. "Die Polizisten bekamen keinen Beschluss", so Rörtgen. Der
Sprecher der Staatsanwaltschaft wollte dazu keine Angaben machen.
Für die "Risse"-Läden war es die sechste Durchsuchung in diesem Jahr, fürs
oh21 die dritte, fürs M99 die fünfte. Die letzte Razzien-Runde gab es Mitte
September. Erst kürzlich hatten sich die linken Buch- und Infoläden in
einer gemeinsamen Erklärung gegen die Durchsuchungen gewehrt. "Der heutige
Tag zeigt aber, dass die Staatsanwaltschaft nicht locker lässt, Buchläden
zu kriminalisieren und anzugreifen", sagt Rörtgen. Die Ermittlungen richten
sich dabei auch gegen ihn selbst und die anderen Geschäftsführer - wegen
Anleitung zu Straftaten. Laut Paragraf 130a des Strafgesetzbuches drohen
dafür Geldstrafe und Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.
Als "Zensur durch Kriminalisierung" bezeichnete Strafverteidiger Johannes
Eisenberg die Polizeieinsätze. Dass auch gegen die Geschäftsführer
ermittelt werde, sei ein "beliebter Umweg" der Strafverfolger. "Wenn man an
die eigentlichen Autoren nicht rankommt, wird das Umfeld kriminalisiert",
so Eisenberg.
Boris Bröckers, Strafrechtler an der FU Berlin, hält es für "nicht völlig
abwegig", dass auch ein Ladenbetreiber für strafbare Inhalte der von ihm
vertriebenen Publikationen haftbar sein könnte. "Eine Verurteilung ist aber
fraglich", so Bröckers. Dafür müsste nachgewiesen werden, dass die Inhalte
tatsächlich kriminell seien, die Geschäftsführer diese Inhalte gekannt
hätten und ein Vorsatz zur Straftatsanstiftung vorläge.
Die Buchläden zeigen sich trotzig: Man werde sich nicht einschüchtern
lassen und auch nicht selbst zensieren, heißt es in ihrer Erklärung. Am
Abend wollten Sympathisanten der linken Läden am Kreuzberger Mariannenplatz
gegen die Durchsuchungen demonstrieren.
26 Oct 2010
## AUTOREN
(DIR) Manuela Heim
(DIR) Konrad Litschko
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