# taz.de -- Streit der Woche: "Leute arbeiten nicht nur unter Zwang"
       
       > Macht das Grundeinkommen faul? Es lade dazu ein, sich dauerhaft darin
       > einzurichten, behauptet FDP-Politiker Hermann Otto Solm. Im Gegenteil,
       > sagt Thüringens CDU-Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus.
       
 (IMG) Bild: Faulheit? Welche Faulheit?
       
       Die Petition einer Tagesmutter brachte die Website des Bundestages fast zum
       Erliegen. Innerhalb nur weniger Wochen unterzeichneten über 50.000 Menschen
       die Forderung von Susanne Wiest, ein bedingungsloses Grundeinkommen in
       Deutschland einzuführen. 1500 Euro will sie für jeden und somit ein
       würdevolles Leben. Am 8. November befasst sich nun der Petitionsausschuss
       des Bundestages mit ihrer Forderung..
       
       Doch trotz der zahlreichen Unterzeichner der Grundeinkommens-Petition, ist
       die Idee für manche Kritiker nichts neues. „In Deutschland gibt es bereits
       ein Grundeinkommen“, schreibt Hermann Otto Solms, 69, Vizepräsident des
       Bundestages und FDP-Finanzexperte im Streit der Woche der sonntaz. Bekannt
       sei dieses Grundeinkommen unter dem Namen "Hartz IV". Ohnehin bürge das
       geforderte Modell die Gefahr, sich dauerhaft darin einzurichten und "könnte
       Anreiz zur Faulheit sein".
       
       Gerade dieser Behauptung widerspricht Dieter Althaus, ehemaliger
       CDU-Ministerpräsident Thüringens, Namensgeber für ein eigenes
       Grundeinkommen-Modell und derzeitiges Vorstandsmitglied beim
       Automobilzulieferer Magna. "Wir täuschen uns, wenn wir meinen, 'die Leute'
       arbeiten nur, wenn man sie dazu zwingt." Sein Beleg dafür: fast zwei
       Drittel der in Deutschland geleisteten Arbeitsstunden, etwa im Ehrenamt
       oder der Familie, würden nicht bezahlt. "Ein Grundeinkommen macht nicht
       faul", sagt Althaus. Zudem fördere das Modell eine angemessene Bezahlung
       von Erwerbsarbeit.
       
       Mario Ohoven, 64, Präsident des Bundesverbandes der mittelständischen
       Wirtschaft überzeugt keines der Argumente. Ihn erinnert die Forderung an
       eine Partei, die in den 90-er Jahren in Hamburg zur Bürgerschaftswahl
       antrat und mit den Slogan "Freibier für alle" warb. "Ehrlicher wäre es, ein
       Grundrecht auf Faulheit zu postulieren", schreibt Ohoven in der sonntaz.
       "Wer ein bedingungloses Grundeinkommen will, muss den Dukatenessel
       mitliefern."
       
       Ob ein solches Modell überhaupt finanzierbar ist, hat Wolfgang
       Strengmann-Kuhn errechnet. Er ist rentenpolitischer Sprecher der
       Bundestagsfraktion der Grünen. Der Wirtschaftswissenschaftler hat für die
       CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung eine Studie zum Grundeinkommen erstellt.
       Ergebnis: Das Grundeinkommen, nach dem "Althaus-Modell", wäre finanzierbar.
       Für Strengmann-Kuhn geht es vor allem um Verteilungsgerechtigkeit. "Mit
       einem Grundeinkommen lohnt sich jede Art von Tätigkeit, weil sie sozial
       abgesichert wird", sagt er taz.de. Existenzrisiken würden reduziert,
       Beschränkungen zur Eigeninitiative abgebaut, Existenzgründungen und
       Innovationen gefördert - und das wirke sich auch volkswirtschaftlich
       positiv aus.
       
       Klare Befürworterin und eine der wenigen, die Praxiserfahrung mit dem
       Grundeinkommen haben, ist Claudia Haarmann. Die 40-jährige koordinierte
       gemeinsam mit ihrem Ehemann das erste Versuchsprojekt zum Grundeinkommen in
       Namibia. Das Ergebnis: Bildung und Krankenverpflegung verbesserten sich und
       die Einwohner investierten in eigene Geschäfte. "Einnahmen durch Arbeit
       stiegen um 30 Prozent", schreibt Haarmann in der sonntaz. "Es ist keine
       Garantie, dass alles Geld richtig genutzt wird, aber eine Grundlage, um
       Teilnahme an Ökonomie und Gesellschaft zu ermöglichen."
       
       Die Frage, ob das Grundeinkommen faul macht, beschäftigte diese Woche auch
       die User auf taz.de. Ungewöhnlich viele posteten Kommentare zum Streit der
       Woche. So schrieb taz-User Hans Reimann, dass Mieten und Preise sich
       innerhalb von 1-3 Jahren an das Grundeinkommen anpassen würde. "Das
       wiederum bedeutet, der Anreiz etwas zu unternehmen bleibt hoch."
       
       taz-User Jan Krauthäuser glaubt hingegen, dass doch jeder intuitiv spüren
       müsse, dass das nicht klappen kann. "Logisch betrachtet liefe es darauf
       hinaus", schreibt Krauthäuser, "die Grenzen ganz dicht machen zu müssen und
       darum zu streiten, wer rauf darf auf die Insel der Seligen und wer nicht."
       
       Im Streit der Woche der sonntaz schreiben außerdem Carsten Schneider,
       haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Helga Breuninger,
       die mit ihrer Stiftung ein Versuchsprojekt in Deutschland starten wird, der
       taz-Leser Philip Kovce sowie der Arbeitspsychologe Heinz-Jürgen Rothe, der
       erklärt, warum die Gesellschaft noch nicht weit genug ist, um das
       Grundeinkommen einzuführen.
       
       29 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simon Hufeisen
       
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