# taz.de -- Lafontaine über linke Opposition: "Die Medien blenden uns aus"
> Für den ehemaligen Parteichef Oskar Lafontaine ist die Linke "die einzige
> linke Oppositionspartei". Eine rot-rot-grüne Koalition sei möglich, wenn
> SPD und Grüne sich ändern.
(IMG) Bild: Kann sich über seine eigene Medienpräsenz nicht beklagen: Oskar Lafontaine.
taz: Herr Lafontaine, die Linkspartei tut sich schwer damit, nicht mehr die
einzige linke Oppositionspartei zu sein. Ohne Sigmar Gabriel war Opposition
einfacher - oder?
Oskar Lafontaine: Wir sind die einzige linke Oppositionspartei, weil wir
konsequent für eine armutsfeste Rente, eine ausreichende
Arbeitslosenversicherung und eine Politik des Gewaltverzichts eintreten.
SPD und Grüne haben den Sozialabbau, die Agenda 2010 und die Beteiligung am
Afghanistankrieg zu verantworten.
Was ist denn schlimmer: Rot-Grün oder Schwarz-Gelb?
CDU/CSU und FDP haben zusammen mit Rot-Grün die Rente mit 67, Hartz IV, die
Praxisgebühr, die Zuzahlung und den Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu
verantworten. Der Neoliberalismus war die Grundlage dieser Politik.
Die SPD ist jetzt Opposition und nimmt die Agenda 2010 teilweise zurück.
Hat das gar keinen Einfluss auf die Linkspartei?
Die SPD hat sich leider nicht wirklich von dem Kurs gelöst, der ihr bei der
letzten Bundestagswahl 23 Prozent beschert hat. Wenn die SPD ihre
Kahlschläge bei Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen
zurücknehmen will, dann haben wir eine neue Situation.
Schwarz-Gelb setzt Sozialkürzungen durch - in den Umfragen aber legen die
Grünen zu, nicht die Linken. Warum?
In neueren Umfragen liegen wir bei 11 Prozent. Das ist fast das Ergebnis
der Bundestagswahl. Die Grünen erleben einen Boom, weil man ihnen den
Afghanistankrieg, Hartz IV und Rentenkürzungen nicht so ankreidet wie der
SPD. Zudem wird die Linke in vielen Medien systematisch ausgeblendet. Die
Grünen kommen zum Beispiel in einer öffentlich-rechtlichen
Nachrichtensendung zehnmal so häufig vor wie wir - obwohl wir mehr
Wählerstimmen haben.
Ist es nicht zu kurz gedacht, den Medien die Schuld zu geben?
Die Linke muss ihre Mitglieder und Anhänger darauf hinweisen, dass viele
Medien die Linke bekämpfen, indem sie sie nicht erwähnen. Dennoch müssen
wir unverdrossen für unsere populären Vorschläge werben.
Sogar FDP-Minister Brüderle will Lohnerhöhungen. Schadet die gute
Konjunktur der Linkspartei?
Es ist in der Tat überraschend, dass Merkel und Brüderle Lohnerhöhungen
unterstützen. Allerdings nehmen viele Wähler ihnen das nicht ab. Auch weil
viele der neuen Arbeitsplätze nur befristet oder Leiharbeitsplätze sind. Es
ist unsere Aufgabe, weiterhin gegen prekäre Beschäftigung und den
Niedriglohnsektor zu kämpfen. Der wichtigste Schritt ist der gesetzliche
Mindestlohn.
Laut Strategiepapier der Parteispitze will die Linkspartei "offensiv für
Rot-Rot-Grün kämpfen, um Schwarz-Gelb abzulösen". Einverstanden?
Ja, wenn Rot-Rot-Grün für eine ökologische, soziale Erneuerung der
Industriegesellschaft und eine dem Frieden verpflichtete Außenpolitik
steht. Das setzt voraus, dass SPD und Grüne sich von der neoliberalen
Steuer- und Sozialpolitik und der militarisierten Außenpolitik
verabschieden.
Und das tun sie nicht?
In der Opposition reden SPD und Grüne anders als in der Regierung. Wir
werden bald sehen, wie sie sich im Bundesrat zu dem von Merkel und
Westerwelle betriebenen Sozialabbau verhalten.
Das Programm der Linkspartei, kritisiert Klaus Lederer, zeigt das "Bild
eines Kapitalismus, der nur destruktiv ist und nicht reformierbar ist". Ist
das so?
Der Kapitalismus ist eine Wirtschaftsordnung, die zu Ausbeutung und
Unterdrückung führt. Obwohl genügend Nahrungsmittel vorhanden sind, sterben
jedes Jahr 2 Millionen Kinder an Hunger. Die Finanzkrise hat vielen
Menschen die Augen geöffnet. Der Kapitalismus ist überholt. Wir brauchen
eine neue Wirtschaftsordnung mit Belegschaftsbeteiligungen und einem
starken öffentlichen Sektor.
Sahra Wagenknecht will "das kapitalistische Eigentum überwinden". Will die
Partei damit bei Wahlen punkten?
Immer mehr Menschen erkennen, dass die jetzige Wirtschaftsordnung zur
Hunger, Kriegen und Umweltkatastrophen führt. Sie fordern daher eine neue
Wirtschaftsordnung. Es ist doch interessant, dass Gemeinschaftseigentum oft
ökologischer genutzt wird als privates Eigentum. Das hat die
Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom nachgewiesen. Die Linke muss die
Eigentumsfrage mit dem Umweltschutz verbinden.
Man kann schon den Eindruck bekommen, dass die Partei es sich mit diesem
Programm in der Fundamentalopposition gemütlich macht.
Wir haben in den letzten Jahre viele Vorschläge gemacht, die andere
Parteien übernommen haben: Mindestlohn, Bürgerversicherung, Vermögensteuer,
Börsenumsatzsteuer, Finanztransaktionssteuer, Regulierung der Finanzmärkte.
Wenn wir sagen, Eigentum entsteht durch Arbeit, dann folgt daraus, dass die
Belegschaften in den großen Betrieben Miteigentümer sein müssen. Die
Demokratie ist erst dann eine Lebensform, wenn sie nicht an den Fabriktoren
aufhört.
7 Nov 2010
## AUTOREN
(DIR) Stefan Reinecke
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