# taz.de -- Kommentar Privatisierungsschäden: Schluss mit dem Privatisierungswahn
       
       > Nachdem immer mehr Menschen die negativen Folgen des Privatisierungswahns
       > zu spüren bekommen, steigt die Wertschätzung für öffentliches Eigentum
       > wieder an.
       
 (IMG) Bild: Die Mainzer Straße verwandelte sich im November 1990 in ein Schlachtfeld.
       
       Beirut mitten in Berlin, so titelte eine Boulevardzeitung: Für Besetzer und
       Polizei mag die Räumung der Mainzer Straße vor zwanzig Jahren Bürgerkrieg
       gewesen sein. Das gefiel vor allem der militanten Szene. Es herrscht Krieg
       in den Städten: eine populäre Losung, damals.
       
       Jenseits der martialischen Rhetorik aber waren die Ereignisse 1990
       tatsächlich eine politische Zäsur. Der massive Leerstand in Ostberlin und
       die Besetzung von 130 Häusern offenbarten das Scheitern einer staatlich
       gelenkten Wohnraumpolitik. Dem gegenüber stand der Ruf nach "Rückgabe vor
       Entschädigung".
       
       Zwischen diesen Polen eröffnete der Sommer der Anarchie die Diskussion über
       Alternativen. Auch wenn im Rückblick die Besetzer als Avantgarde der
       Privatisierung erscheinen: Ohne das damalige Experimentieren gäbe es heute
       keine Wohnungsgenossenschaften. Die Kommerzialisierung war nicht die
       einzige Alternative zur gescheiterten Verstaatlichung, sondern auch die
       Aneignung und erfolgreiche Bewirtschaftung von unten bot Chancen.
       
       Zwanzig Jahre später haben die Versprechen der Privatisierung endgültig
       ausgedient. Investoren treiben die Mieten in die Höhe, die Wasserpreise
       steigen, allenthalben ertönt der Ruf nach Rekommunalisierung.
       
       Mit dem Protest gegen Stuttgart 21 ist das Thema öffentliches Eigentum in
       der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bahnhöfe, Hallenbäder, Wohnanlagen -
       wir schätzen wieder wert, was die Kommunen einst gebaut haben: Es gehört
       uns.
       
       Das Beispiel Stuttgart und Deutsche Bahn zeigt aber auch, dass sich
       öffentliche Unternehmen unter Wettbewerbsdruck kaum noch von privaten
       unterscheiden. Warum also nicht die Lehren aus dem kurzen Sommer der
       Anarchie ziehen?
       
       Rekommunalisierung als bloße Verstaatlichung, das zeigt das Beispiel
       Mainzer Straße, wäre alte Planwirtschaft in neuen Schläuchen. Eine
       erfolgreiche und transparente Bewirtschaftung unter Beteiligung der
       Verbraucher hingegen wäre ein riesiger Schritt nach vorne. Das gilt für die
       Bahn ebenso wie für Stadtwerke und Wohnungsunternehmen.
       
       12 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Stuttgart 21
       
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