# taz.de -- Kommentar CDU-Parteitag: Christin der Macht
       
       > Karlsruhe hat wieder mal gezeigt, dass Merkel eine begnadete Technikerin
       > der Macht ist. Der Preis für ihren Erfolg ist eine atemberaubende
       > Entpolitisierung der Partei.
       
       Angela Merkel hat die CDU im Griff wie Helmut Kohl zu seinen
       erfolgreichsten Zeiten. Die interne Opposition ist an den Rand gedrängt und
       schon zufrieden, wie etwa die Mittelstandsvereinigung, wenn die Kanzlerin
       sie in einem Nebensatz erwähnt. Zudem hat sich die CDU bei der die
       PID-Debatte als Partei präsentiert, die eine christliche Wertedebatte zu
       führen versteht. Das passt zu Merkels neuer Selbstinszenierung als
       Konservative, die keine Gelegenheit versäumt, das christliche Menschenbild
       ins Zentrum zu rücken.
       
       Man sollte Merkels Neuerfindung als Lebensschützerin und schwarz-gelbe
       Überzeugungstäterin allerdings nicht überschätzen. Sie ist vor allem
       funktional, ein Mittel, um die Partei im Gleichgewicht zu halten. Die
       CDU-Spitze besteht seit dem Parteitag fast nur aus Merkel-Getreuen, die
       allesamt gesellschaftspolitisch eher liberal sind. Die Liberalen sind in
       der Partei indes in der Minderheit. Deshalb schlägt Merkel diese
       konservative Tonlage an und wettert gegen SPD und Grüne, als würden die
       Russen vor Berlin stehen. Das ist, ebenso wie ihre christlichen
       Glaubensbekenntnisse, eine Maske. Und es ist erstaunlich, wie arglos die
       Partei Merkels neuem Selbstbild applaudiert.
       
       Karlsruhe hat wieder mal gezeigt, dass Merkel eine begnadete Technikerin
       der Macht ist. Kühl kalkuliert sie, was geht und was nicht. Am Ende, sagt
       die Merkel-Legende, fallen die Steine eben immer in ihre Richtung. Der
       Preis dafür ist eine atemberaubende Entpolitisierung der Partei.
       
       Schwarz-Gelb hat derzeit für keines ihrer Projekte eine gesellschaftliche
       Mehrheit: weder für die neoliberale Gesundheitsreform noch für die
       AKW-Laufzeitverlängerung oder das Sparpaket. Doch darüber fiel in Karlsruhe
       kein Wort, schon gar nicht darüber, dass auch die AKW-Laufzeitverlängerung
       ein ethisches Problem ist.
       
       16 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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