# taz.de -- Bleiberecht für Jugendliche: Streber willkommen
       
       > Gut integrierte Jugendliche sollen unabhängig vom Aufenthaltsrecht ihrer
       > Eltern bleiben dürfen, meint Uwe Schünemann (CDU). Jetzt diskutiert die
       > Innenministerkonferenz darüber.
       
 (IMG) Bild: Keine Streber, aber gut integriert: Drei junge Frauen aus Südamerika nach bestandenem Deutschkurs.
       
       BERLIN taz | Seit anderthalb Jahren geht Niedersachsens Innenminister Uwe
       Schünemann (CDU) mit diesem Vorschlag hausieren: Langjährig geduldete
       Jugendliche sollen unabhängig von ihren Eltern ein Aufenthaltsrecht
       bekommen, wenn sie gut integriert sind. Die Eltern sollen bis zur
       Volljährigkeit der Kinder bleiben dürfen, ihr Aufenthalt dann noch einmal
       überprüft werden.
       
       Jetzt steht Schünemanns Vorschlag unter der Überschrift "Modernisierung des
       Ausländerrechts" auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz, die ab
       Donnerstag in Hamburg tagt. Und hat Chancen, angenommen zu werden.
       
       Gelten soll die Neuregelung für Jugendliche, die seit mindestens acht
       Jahren in Deutschland mit einer Duldung leben. Die also kein
       Aufenthaltsrecht haben, aber auch nicht abgeschoben werden können. Derzeit
       gilt dies für über 86.000 Menschen, zwei Drittel von ihnen leben bereits
       länger als sechs Jahre hier.
       
       Nach Schünemanns Vorstellungen müssen die Jugendlichen straffrei sein und
       "die Prognose für eine gute Integration haben", sagt sein Sprecher. Das
       könne etwa ein guter Schulabschluss sein oder der Beginn einer Lehre. "Die
       Ausbildung dieser Jugendlichen hat viel Geld gekostet", sagt er, "wenn sie
       gehen, ist die Investition verloren."
       
       Die unionsgeführten Bundesländer haben bereits Zustimmung signalisiert, die
       SPD-regierten Länder noch keinen einheitlichen Kurs. "Aus unserer Sicht ist
       das okay", sagt etwa der Sprecher von Bremens Innensenator Ulrich Mäurer
       (SPD). In Bremen gilt seit September ein Erlass, der ein unabhängiges
       Bleiberecht von Jugendlichen ermöglicht, also Schünemanns Vorschlag
       vorgreift.
       
       Allerdings gelten dort weniger strenge Kriterien, als sie dem Niedersachsen
       vorschweben. "Es wäre besser, wenn es bundesgesetzlich geregelt würde",
       sagt Mäurers Sprecher - was für Schünemanns Vorstoß spricht. In
       Nordrhein-Westfalen und Berlin ist man zurückhaltender, aber nicht gänzlich
       ablehnend. Innenminister Ralf Jäger (SPD) sei "skeptisch", heißt es in
       Düsseldorf, denn Schünemanns Vorschlag gehe nicht weit genug.
       
       So sehen es auch Flüchtlingsorganisationen. Man brauche eine
       Bleiberechtsregelung für alle langjährig Geduldeten, fordert Bernd Mesovic
       von Pro Asyl. Der Vorschlag von Schünemann sei zudem eine "psychische
       Zumutung für die Jugendlichen." Ähnlich äußerte sich Martin Stark, der
       Leiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes. Notwendig sei eine Regelung, "die
       die bereits erfolgte Integration wirklich ernst nimmt". Das müsse für
       Kinder und Eltern gelten.
       
       Das schwarz-grün regierte Hamburg, das derzeit den Vorsitz der
       Innenministerkonferenz hat, will einen solchen Schritt gehen. "Wir wollen
       das Bleiberecht auch für Erwachsene vereinfachen, wenn sie gut integriert
       sind", sagt der Sprecher von Innensenator Heino Vahldieck (CDU). Das
       Problem: Da spielen dessen Parteifreunde aus den anderen Bundesländern wohl
       nicht mit.
       
       17 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sabine am Orde
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gestaltung der Einwanderungspolitik: Jungpolitiker fordern Ausländerwahlrecht
       
       Jusos und Grüne Jugend kritisieren "Rassismus bei den Eliten" und wollen
       die Integrationspolitik umkrempeln. Und der Zentralrat der Muslime fordert
       eine Migrantenquote.
       
 (DIR) Kommentar Integrationsgipfel: Arbeit ist die beste Integration
       
       Nach dem Integrationsgipfel schlägt der Zentralrat der Muslime eine
       Migrantenquote für den öffentlichen Dienst vor. Diese Forderung ist
       richtig, reicht aber noch nicht aus.
       
 (DIR) Integrationsgipfel ohne Resultat: "Lieber über Sarrazin gesprochen"
       
       Auf dem 4. Integrationsgipfel kritisieren Migranten die jüngsten Äußerungen
       von Regierungspolitikern. Merkel nimmt's zur Kenntnis – eine Debatte gab es
       nicht.
       
 (DIR) Integrationsgipfel der Bundesregierung: Offener Brief zur Einwanderungsdebatte
       
       Auf eine Initiative von der Türkischen Gemeinde Deutschlands (TDG)
       kritisieren 700 Deutschtürken die aktuelle Integrationsdebatte.
       
 (DIR) Migration in Europa: Wer bleiben will, muss arbeiten
       
       Nach Deutschland kommen immer weniger Menschen, nach Spanien immer mehr. In
       allen Ländern steht eines im Mittelpunkt der Wanderungsbewegungen: die
       Arbeit.