# taz.de -- Münchner Olympiabewerbung: Auch Grüne wollen weiße Gaudi
       
       > Die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2018 finden viele in
       > Bayern gut. Die Befürworter unter den Grünen lassen ihre
       > olympiakritischen Parteigenossen im Regen stehen.
       
 (IMG) Bild: Hat die grüne Befürwortung der Olympischen Spiele in München vielleicht etwas mit Artenschutz zu tun?
       
       Ludwig Hartmann ist ein Mann mit Überzeugungen. Deswegen ist er einst zu
       den Grünen gegangen. Deswegen führt er jetzt einen schier aussichtslosen
       Kampf. Seit 2008 sitzt er im Bayerischen Landtag. Der 32-Jährige ist
       Sprecher für Energie- und Umwelthemen. Doch derzeit fragt sich Hartmann,
       wie grün die Grünen eigentlich noch sind. "In Sachen Olympia werden grüne
       Überzeugungen mit Füßen getreten", sagt er. Hartmann meint damit auch die
       unkritische Haltung führender Grünen-Politiker zur Olympiabewerbung
       Münchens.
       
       2018 sollen Winterspiele in Bayern stattfinden. Grünen-Chefin Claudia Roth,
       die sich gern als "sportnarrisch" bezeichnet, sitzt im Kuratorium der
       Bewerbungsgesellschaft. Sie findet Olympia ganz toll. Winfried Hermann,
       Mitglied des Sportausschusses im Bundestag, will die Bewerbung allenfalls
       "kritisch-sympathisch" begleiten. Er findet Olympia irgendwie auch ein
       bisschen toll.
       
       Raubbau an der Natur 
       
       Hartmann aber, der sich seit 2007 mit den Folgen von Olympia beschäftigt,
       kommt zu einem gänzlich anderen Ergebnis: Olympia ist eine Krake, die
       Milliarden von Steuergeld verschlingt, unsinnige Infrastrukturprojekte
       anstößt, nur der Eitelkeit von IOC-Funktionären und Sportpolitikern dient,
       Bürger in den Austragungsorten vor den Kopf stößt und Raubbau an den Natur
       fördert. Darüber hinaus sind "grüne", klimaneutrale Spiele, wie man so gern
       verspricht, eine Illusion. Profiteure des sportiven Zirkus sind in erster
       Linie Immobilien- und Baufirmen sowie die Mitglieder der olympischen
       Familie, die Steuerfreiheit im Land des Gastgebers genießen und darauf
       bauen dürfen, dass sie so ziemlich alles gezahlt bekommen, was anfällt.
       
       Pro "Nolympia" 
       
       Weil Hartmann das nicht hinnehmen will, hat er 2008 die Initiative
       "Nolympia" gegründet. Er setzt damit dem Deutschen Olympischen Sportbund
       (DOSB), der obersten Sportverwaltung in Deutschland, zu, aber auch seinen
       Parteifreunden, die an diesem Wochenende einen Parteitag in Freiburg
       ausrichten. Hartmann hat den Antrag V 20 gestellt - mit der Überschrift
       "Nein zur Olympiabewerbung München 2018!". Am Samstagnachmittag soll über
       den Antrag abgestimmt werden. Oder auch nicht. Denn es gibt Bestrebungen,
       ihn von der Tagesordnung zu nehmen. Erst heute wird sich entscheiden, ob
       Hartmann damit durchkommt. Es sind allein parteitaktische Erwägungen, warum
       er um V 20 wie ein Löwe kämpfen muss.
       
       "Die Grünen wollen nicht als reine Neinsager-Partei dastehen", sagt er.
       Weil hinter Stuttgart 21 ein fettes Nein der Grünen steht, soll nun
       offenbar hinter Olympia 2018 ein dickes Ja stehen, dabei gibt es sehr gute
       Gründe, auch gegen die Sportgroßprojekte in Garmisch-Partenkirchen, Schönau
       und München zu sein. "Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto
       klarer wird der Irrsinn von Olympia. Ich bin mit den Jahren selbst vom
       Kritiker zum Gegner und schließlich zum Feind der Bewerbung geworden."
       Hartmann ist überzeugt davon, dass man den "kleinen Mann auf der Straße in
       München viel leichter überzeugen könnte als einen Stuttgarter in Sachen
       Bahnhof". Und tatsächlich: Während sich in Stuttgart vor allem Unmut ob der
       Entmündigung der Bürger Bahn bricht, bietet Olympia eine breite
       Angriffsfläche für Proteste. Die Parteispitze der Grünen will aber lieber
       den "Imagegewinn durch Olympia" sehen als die mannigfaltigen Nachteile.
       
       Hartmann beklagt die "Knebelverträge des IOC", des Internationalen
       Olympischen Komitees, die Intransparenz der Bewerbungsgesellschaft, die
       Fakten schafft und die Bürger viel zu spät informiert, beispielsweise über
       Kosten von 2,9 bis 3,5 Milliarden Euro. Bund, Freistaat Bayern und Kommunen
       haben schon garantiert, dass sie die Infrastrukturprojekte im Falle des
       Falles mit bis zu 2,3 Milliarden finanzieren würden. Doch explodierende
       Kosten sind zu erwarten, denn das Sicherheitsbudget liegt derzeit bei
       lächerlichen 31,8 Millionen Euro, in Vancouver hat es fast 1 Milliarde
       kanadische Dollar verschlungen (654 Millionen Euro). Doch damit nicht
       genug, sollen bis zu 2.500 Bäume am Fuße der Berge gefällt werden. Die
       olympischen Skihänge würden komplett mit Kunstschnee beschneit werden. In
       den Planungen verzichtete man auch darauf, auf bestehende Sportstätten in
       Oberstdorf oder Ruhpolding zurückzugreifen, sondern baut fast alles neu, um
       das Olympische Komitee und seine Granden zu beglücken, die den olympischen
       Ballungsraum bevorzugen.
       
       Vorangetrieben wird die Bewerbung übrigens von einem früheren NRW-Minister
       der Grünen, Michael Vesper. Vesper ist seit einiger Zeit Generaldirektor
       des DOSB. Als sich Hartmann erstmals in seiner Funktion als
       Landtagsabgeordneter kritisch äußerte und von der Süddeutschen Zeitung
       zitiert wurde, da war Vesper schnell zur Stelle, um den Abweichler von den
       Vorteilen des nationalen Projektes Olympia zu überzeugen. Vesper
       präsentierte ihm gewichtige Argumente: "Deutschland hat sich mit Berlin und
       Leipzig zweimal blamiert, noch einmal können wir uns das nicht leisten."
       
       Der Überzeugungstäter 
       
       Ludwig Hartmann ließ sich davon nicht überzeugen, im Gegenteil, sein
       Widerstand wurde stärker. In der Partei muss er sich schon als "Fundi"
       beschimpfen lassen, dabei sagt er doch: "Ich bin ein Realist." Auch sei er
       nicht irgendein "kleiner Politiker im Landtag, der für sich ein Thema
       gefunden hat". Er ist wohl eher ein Überzeugungstäter.
       
       Da sich sowohl der Bund als auch der Münchner Stadtrat und der Garmischer
       Gemeinderat für die Spiele ausgesprochen haben, müsste jetzt ein
       Bürgerentscheid her, um die Bewerbung zu stoppen. Doch das ist gar nicht so
       einfach. Obwohl es noch über 160 störrische Bauern gibt, ist die
       Bewerbungsgesellschaft in den Planungen so flexibel wie ein chinesischer
       Wanderarbeiter.
       
       Steht dort eine Wiese nicht zur Verfügung, weicht man mit dem Pressezentrum
       eben in eine Kaserne aus. So schafft man einen Scheinfrieden vor Ort. Klar,
       dass Ludwig Hartmann mit so einem faulen Kompromiss nicht leben will. "Ich
       persönlich würde sofort einen Bürgerentscheid machen", sagt er.
       
       18 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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