# taz.de -- Berlin zeigt sich gelassen trotz Terrorwarnung: Keine Panik!
       
       > Polizisten sind mit Maschinenpistolen auf Patrouille, der Innensenator
       > warnt vor Arabern: Wie ist die Stimmung in der Stadt, einen Tag nach dem
       > Sicherheitshinweis von Innenminister de Maizière?
       
 (IMG) Bild: Ausweiskontrolle durch schwer bewaffnete Polizisten im Berliner Hauptbahnhof
       
       Polizei setzt auf Abschreckung mit Waffen 
       
       Mögliche Täter abschrecken, aber keine Panik schüren - darauf setzt die
       Polizei am Hauptbahnhof. Seit Mittwochnachmittag patrouillieren Beamte auf
       allen fünf Stockwerken, je zwei Bundespolizisten halten vor den Eingängen
       am Europa- und am Washingtonplatz die Stellung. Schusssichere Westen und
       Maschinenpistolen verleihen ihnen den Anschein eines
       Sondereinsatzkommandos.
       
       Doch es sind dieselben Beamten, die auch sonst die Bahnhofshalle bewachen.
       "Spaß macht dieser Einsatz nicht ", mault einer, "vor allem das Gewicht
       nervt." Drei bis vier Kilo wiege die Ausstattung. "Das merkt man am Ende
       des Tages schon." Ihre Hauptaufgabe sei es, verdächtige Personen oder
       Gegenstände frühzeitig zu erkennen und zu kontrollieren. Doch wann jemand
       verdächtig ist, das kann der Polizist nicht erklären. "Hängt vom Eindruck
       des Gegenübers ab", sagt er und zuckt mit den Schultern.
       
       Sein Kollege wird konkreter: "Wir achten auf herrenlose Koffer oder
       Personen, die besonders viel fotografieren." Aber eigentlich, gibt er zu,
       könne man wahrscheinlich nicht viel ausrichten. "Also bemühen wir uns,
       Sicherheit zu vermitteln." Eine Touristin tritt an ihn heran und fragt nach
       dem Bus Richtung Berlin-Tegel. Der Beamte lächelt und weist ihr den Weg.
       
       Viele Reisende am Hauptbahnhof sehen die Terrorwarnung ohnehin gelassen.
       "Ist doch nicht das erste Mal", sagt die 20-jährige Stephanie Koch. "Mir
       macht das keine Angst." Auch Andreas Pieper hat es nicht eilig, vom Bahnhof
       wegzukommen - er holt sich lieber noch einen Kaffee. Einmal wöchentlich
       pendelt der Unternehmer von Berlin nach Osnabrück. "Wenn in den 30 Minuten
       Umsteigezeit was passiert, dann ist es eben so", meint er. Aber die
       Wahrscheinlichkeit sei eben doch sehr gering.
       
       Von den Befragten hat nur José Cachairo die erhöhte Polizeipräsenz bemerkt.
       "Die haben so komisch geschaut, als ich in den Bahnhof gekommen bin."
       Cachairo kommt gerade aus Mexiko; mit seinem großen Koffer und der dunklen
       Hautfarbe erfüllt er das Muster eines potenziellen Terroristen. "Macht doch
       nichts", sagt er versöhnlich, "nach so einer Nachricht müssen die das."
       ALEXANDRA ROJKOV 
       
       Ausländische Touristen wissen noch von nichts 
       
       An vielen touristischen Sehenswürdigkeiten sind die Sicherheitsvorkehrungen
       verstärkt worden, auch rings um den Reichstag wurden Absperrgitter
       aufgebaut. Das gehöre zu den erhöhten Sicherheitsmaßnahmen, teilte die
       Polizei mit. Die Reichstagskuppel sollte nach Auskunft der
       Bundestagspressestelle für Besucher zunächst weiter geöffnet sein.
       
       Rund um das Brandenburger Tor seien doppelt so viele Kollegen im Einsatz
       wie sonst, schätzt die Polizistin, die vor der russischen Botschaft Wache
       steht. Massiv wirkt das Polizeiaufgebot dennoch nicht: Die Streifenwagen,
       Patrouillen und Zivilfahnder bleiben unauffällig am Rand des Platzes, wo
       die vier Ex-Alliierten-Botschaften sind. Die Mitte gehört wie immer den
       Touristen, das Brandenburger Tor kann ohne weiteres ohne Polizist
       fotografiert werden.
       
       Eine schwedische und eine englische Reisegruppe haben von der Terrorwarnung
       nichts mitbekommen. "Danke, dass Sie mich informiert haben. Ich sage es
       aber lieber nicht den anderen", sagt ein Schwede.
       
       In der Akademie der Künste sei "alles normal", berichtet die Frau am
       Empfang. Im benachbarten Luxushotel Adlon hat man Security vor dem Eingang,
       die abwimmeln, wer nicht nach Gast aussieht. Man habe die Mitarbeiter zu
       erhöhter Wachsamkeit aufgerufen und stehe in engem Kontakt zu den
       Sicherheitsbehörden, heißt es aus dem Management.
       
       Am Potsdamer Platz haben sich am Donnerstag das Center-Management der
       Potsdamer Platz Arcaden und andere benachbarte Betriebe mit dem zuständigen
       Polizeiabschnitt zu einer Sicherheitsrunde getroffen. Ohne aktuellen Anlass
       - man tue dies regelmäßig, betont das Arcaden-Management. Eine
       Ein-Mann-Streife sei das ganze Jahr über im Einkaufszentrum präsent, für
       mehr Polizei sehe man keinen Anlass. Der Polizeiwagen, der in zweiter Reihe
       vor dem Zentrum steht, verunsichert aber eine Berlinerin, die mit ihrem
       Mann auf Einkaufstour ist. "Vielleicht ist ja doch was dran an den
       Warnungen", sagt sie nachdenklich. Um dann festen Schrittes den Eingang
       anzusteuern: "Wir werden uns hier nicht verkriechen". NINA APIN 
       
       Innensenator Körting bittet um Mithilfe 
       
       Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat am Mittwochabend in der
       RBB-"Abendschau" in ungewöhnlicher Form zu Wachsamkeit gegen mutmaßliche
       Terroristen aufgerufen. Wer in der Nachbarschaft sehe, dass seltsam
       aussehende Menschen eingezogen sind, die sich nie blicken lassen oder die
       nur Arabisch oder eine unverständliche Fremdsprache sprechen, sollte die
       Behörden unterrichten, sagte Körting.
       
       Der Türkische Bund Berlin Brandenburg (TBB) reagierte empört. "Der Aufruf
       ist ein Unding", sagte TBB-Sprecher Safter Çinar. Damit werde Hass und
       Misstrauen gegen Nichtdeutsche geschürt und zur Denunziation aufgerufen.
       "Wir erwarten, dass Körting das korrigiert. Da ist auch der Regierende
       Bürgermeister in der Pflicht." Dass diese Äußerung von Körting komme,
       verwundere ihn, so Çinar. "Der Innensenator reagiert sonst immer so
       besonnen."
       
       In späteren Interviews drückte sich Körting differenzierter aus. Er rief
       erneut zur Wachsamkeit auf, warnte aber gleichzeitig davor, Muslime unter
       Generalverdacht zu stellen. Bürger um Mithilfe zu bitten sei immer eine
       Gratwanderung, verlautet aus Sicherheitskreisen: "Wir sind darauf
       angewiesen, dass die Bevölkerung Augen und Ohren offen hält. Das darf aber
       nicht dazu führen, dass wir in einer Informationsflut ersaufen, weil die
       Leute überall weiße Mäuse sehen."
       
       Wünschenswert sei, dass Bürger die Polizei dann informierten, wenn sie sich
       "ernsthafte Sorgen" machten, sagte Körting am Donnerstag in einem
       Interview. "Das gilt auch für unsere muslimischen Mitbürgerinnen und
       Mitbürger, wenn ihnen Leute in der Moschee verdächtig vorkommen, die sich
       zusammenrotten und etwas Komisches besprechen." PLUTONIA PLARRE 
       
       Weihnachtsmärkte als gefährdete Orte 
       
       Aufgrund ihrer vielen Besucher und der christlichen Symbolik gelten
       Weihnachtsmärkte als besonders gefährdete Orte. Die Betreiber der Berliner
       Weihnachtsmärkte kündigten am Donnerstag an, mehr auf verdächtige Personen
       und Personen zu achten, der Schaustellerverband rief zu erhöhter
       Wachsamkeit auf. Zusätzliche Vorkehrungen auf den rund 60 Advents- und
       Christkindlmärkten seien aber vorerst nicht geplant. Lediglich der Markt
       auf dem Gendarmenmarkt kündigte an, seine Zusammenarbeit mit einer
       Sicherheitsfirma zu verstärken. Viele Märkte eröffnen in den nächsten
       Tagen.
       
       Am Potsdamer Platz ist es schon so weit. Am Donnerstagnachmittag verteilt
       sich ein Häuflein Besucher zwischen Glühwein-, Bratwurst- und Mützenbuden.
       Die Damen am Käsestand verstecken ihre Besorgnis hinter Witzeleien: "Wenns
       irgendwo blinkt, ducken wir uns." Die Sterneverkäuferin nebenan erinnert
       sich an eine konkrete Terrorwarnung für Berliner Weihnachtsmärkte vor
       einigen Jahren. Damals habe sie sich Sorgen gemacht. Jetzt nicht. "Ich geh
       meinem Geschäft nach und hoffe, dass alles gut geht." NINA APIN 
       
       Die Feuerwehr macht die Schotten dicht 
       
       Rund 55 Objekte in der Stadt gelten nach Angaben der Gewerkschaft der
       Polizei (GdP) von jeher als besonders sicherheitsrelevant und werden rund
       um die Uhr bewacht. An die Objektschützer - also angestellte Polizisten -
       seien Schutzwesten und Maschinenpistolen ausgegeben worden. Das Personal
       selbst sei bisher allerdings nicht aufgestockt worden.
       
       Auch was die Feuerwehr angeht, macht sich die Gewerkschaft Sorgen. Immerhin
       habe der frühere Feuerwehrchef Albrecht Broemme im Jahr 2005 erklärt, die
       Feuerwehr sei personell nicht in der Lage, einem Terrorangriff effektiv zu
       begegnen. Diese Kritik sei niemals aufgearbeitet worden, berichtet GdP-Chef
       Michael Purper und zieht daraus das Fazit: "Nach einem Terrorangriff würde
       deshalb in Berlin das Chaos ausbrechen." Heißt es vielleicht deshalb bei
       der Feuerwehr: Die Schotten dicht? Alle Wachen hätten Weisung bekommen, die
       Tore geschlossen zu halten, teilte ein Feuerwehrsprecher mit. Eine solche
       Weisung sei das letzte Mal am 11. September 2001 erteilt worden. PLUTONIA
       PLARRE
       
       19 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) A. Rojkov
 (DIR) N. Apin
 (DIR) P. Plarre
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Terrorwarnung in Deutschland: Mitten im "Gefahrenraum"
       
       Ein Land in Aufregung: Was hinter der Anschlagswarnung von
       Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) steckt - und was sie bewirken
       soll.
       
 (DIR) Innenminister warnt vor Anschlägen: Konkrete Terrorgefahr
       
       Die Regierung hat konkrete Spuren über einen möglichen Anschlag in
       Deutschland Ende November. Innenminister de Maizère erhöht daher die
       Polizeipräsenz an Bahnhöfen und Flughäfen.