# taz.de -- Neue Wikileaks-Enthüllung: USA finden Merkel "wenig kreativ"
       
       > Wikileaks veröffentlicht Depeschen, die pikante Einschätzungen der USA
       > über andere Regierungen belegen. Die Enthüllungsplattform meldete
       > unterdessen eine Cyber-Attacke auf ihre Website.
       
 (IMG) Bild: Hat erneut heikle Dokumente veröffentlicht: Die Internetplattform Wikileaks.
       
       BERLIN dpa/dapd | Die Wikileaks-Veröffentlichungen vertraulicher und teils
       geheimer Berichte des US-Außenministeriums enthüllen wenig schmeichelhafte
       Urteile der Amerikaner über deutsche Politiker. Kanzlerin Angela Merkel
       (CDU) bescheinigten sie, "selten kreativ" zu sein und das Risiko zu meiden.
       CSU-Chef Horst Seehofer wird als "unberechenbar" charakterisiert,
       Außenminister Guido Westerwelle (FDP) als "aggressiv".
       
       Das geht aus den Dokumenten hervor, aus denen Der Spiegel in seiner
       neuesten Ausgabe zitiert. Das Magazin wollte die Ausgabe eigentlich erst am
       Sonntagabend um 22.30 Uhr veröffentlichen. Jedoch wurden im Internet-
       Nachrichtendienst Twitter bereits Hinweise auf Kopien versendet. Auch an
       einzelnen Bahnhöfen war das Magazin mit der Titelgeschichte "Enthüllt - Wie
       Amerika die Welt sieht" zu kaufen. Weltweit hatten sich Regierungen auf die
       Veröffentlichung vorbereitet. Die USA warnten auch Deutschland vor.
       
       Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat kurz vor der Veröffentlichung von
       einer Cyber-Attacke auf seine Webseite berichtet. Über den
       Kurzmitteilungsdienst Twitter machte das Internetportal am Sonntag bekannt,
       es sehe sich einer sogenannten Denial-of-Service-Attacke ausgesetzt. Die
       Webseite schien am Sonntag vorübergehend nicht erreichbar zu sein.
       
       Wie aus den vorab verbreiteten Seiten hervorgeht, beurteilten die
       Amerikaner vor allem Westerwelle kritisch. Kurz vor der Bundestagswahl im
       September 2009 heißt es laut Spiegel in einer Einschätzung des
       US-Botschafters Philip Murphy in Berlin zu dem FDP- Chef: "Er wird, wenn er
       direkt herausgefordert wird, vor allem von politischen Schwergewichten,
       aggressiv und äußert sich abfällig über die Meinungen anderer Leute."
       Westerwelle sei eine unbekannte Größe ("Wild Card") mit "überschäumender
       Persönlichkeit". Sein Geltungsdrang werde zu Kompetenzrangeleien mit der
       Kanzlerin führen.
       
       Wenig Lobendes haben die US-Diplomaten laut Spiegel auch über Merkel selbst
       zu berichten. Vor einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama im April 2009
       heiße es in den US-Akten: "Merkel ist methodisch, rational und
       pragmatisch." Unter Druck agiere sie "beharrlich, aber sie meidet das
       Risiko und ist selten kreativ". Die Amerikaner berichteten, Merkel sei
       "bekannt für ihren Widerwillen, sich in aggressiven politischen Debatten zu
       engagieren.
       
       Sie bleibt lieber im Hintergrund, bis die Kräfteverhältnisse klar sind, und
       versucht dann, die Debatte in die von ihr gewünschten Richtung zu lenken".
       Weil vieles an ihr abgleite, werde die Regierungschefin intern in den US-
       Berichten "Angela 'Teflon' Merkel" genannt - in Anspielung auf die
       nichthaftende Beschichtung von Bratpfannen.
       
       Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Seehofer gilt laut Spiegel bei den
       Amerikanern als Populist. Außenpolitisch sei er weitgehend ahnungslos. Bei
       einem Treffen mit Murphy habe er nicht einmal gewusst, wie viele
       US-Soldaten in Bayern stationiert seien. Noch schärfer seien die
       US-Diplomaten aber mit Günther Oettinger (CDU) ins Gericht gegangen, als
       der Ministerpräsident von Baden- Württemberg als Energiekommissar nach
       Brüssel wechselte.
       
       Es sei bei diesem Schritt darum gegangen, "eine ungeliebte lahme Ente von
       einer wichtigen CDU-Bastion zu entfernen". Der langjährige Innenminister
       Wolfgang Schäuble galt laut "Spiegel" als Verbündeter der Amerikaner.
       Seinen Wechsel ins Finanzressort habe die US-Regierung mit Sorge
       betrachtet.
       
       Mehrfach hätten die Amerikaner moniert, dass der neue Innenminister Thomas
       de Maizière (CDU) in der Terrorbekämpfung angeblich weniger Expertise und
       weniger Enthusiasmus zeige als Schäuble. De Maizières ersten Auftritt habe
       US-Botschafter Murphy als "seltsam" bezeichnet.
       
       "Das Kabel trägt den Titel: 'Der neue deutsche Innenminister hat eine
       steile Lernkurve vor sich'", schreibt das Magazin. Verteidigungsminister
       Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gilt als "enger und bekannter Freund der
       USA". Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) haben die
       Amerikaner dagegen als Kontrahentin ausgemacht, deren Ansicht US-Interessen
       zuwiderliefen, etwa beim Datenschutz.
       
       Laut "Spiegel" beginnen die veröffentlichten Dokumente mit dem Jahr 1966 -
       sie enden im Februar 2010. 1719 Berichte stammten aus der US-Botschaft
       Berlin. "Die geheimen Dokumente zeichnen (...) das Bild einer politischen
       Landschaft in Deutschland, die überzogen ist von einem Informantennetz der
       amerikanischen Botschaft, das bis hinein in die Bundesländer reicht",
       schreibt das Magazin. In den Dokumenten geht es nicht nur darum, was
       US-Diplomaten von deutschen Politikern halten. Das Magazin berichtet unter
       anderem auch, wie Interna der schwarz-gelben Koalitionsabsprachen 2009 an
       die Amerikaner gingen.
       
       28 Nov 2010
       
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