# taz.de -- Reaktionen auf Wikileaks-Enthüllungen: Einer kann noch lachen
       
       > Italiens Regierungschef Berlusconi hat amüsiert auf die
       > Wikileaks-Enthüllungen reagiert. Anders Entwicklungshilfeminister Niebel.
       > Unterdessen werden neue Details bekannt.
       
 (IMG) Bild: Was soll's? Italiens Premier Silvio Berlusconi kann offenbar über das wenig schmeichelhafte Urteil über ihn lachen.
       
       WASHINGTON afp/dapd/dpa/rtr | "Inkompetent" und "aufgeblasen"? Darüber kann
       Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi nur lachen. Mit diesen und
       anderen wenig schmeichelhaften Attributen sollen US-Diplomaten den
       Politiker laut der von Wikileaks enthüllten Berichte versehen haben.
       Berlusconi habe "gut gelacht", als er vom Inhalt der Depeschen erfahren
       habe, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa am Sonntag unter
       Berufung auf Vertraute Berlusconis.
       
       Die britische Zeitung Guardian berichtete, dass US-Diplomaten Berlusconi
       als "inkompetent, aufgeblasen und ineffektiv" beschrieben. Außerdem sei
       auch der ausschweifende Lebensstil kritisiert worden. In einem weiteren
       Dokument sei der italienische Regierungschef darüber hinaus als "physisch
       und politisch schwach" dargestellt worden, berichtete die Zeitung unter
       Berufung auf die Enthüllungsplattform weiter.
       
       Seine "Vorliebe für Partys" halte Berlusconi davon ab, genügend Erholung zu
       bekommen. Die oppositionelle Demokratische Partei in Italien kritisierte,
       die Enthüllungen demonstrierten das Ausmaß, in dem das Bild des Landes in
       der Welt durch Berlusconi in Misskredit gebracht worden sei.
       
       Weniger Lachen kann in Deutschland hingegen die FDP.
       Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel hat Presseberichte zurückgewiesen,
       ein FDP-Mitglied habe als Informant Interna der schwarz-gelben
       Koalitionsverhandlungen an US-amerikanische Stellen in Deutschland
       weitergegeben.
       
       "Ich halte den Vorwurf für geradezu lächerlich. Ich bestreite, dass es
       einen Informanten gibt", sagte Niebel am Sonntagabend in der ARD-Talkshow
       "Anne Will", die sich mit der Veröffentlichung von geheimen Dokumenten des
       US-Außenministeriums auf der Internetplattform Wikileaks befasste.
       
       Niebel sieht das deutsch-amerikanische Verhältnis durch die
       Veröffentlichungen nicht belastet: "Es wird mit Sicherheit dazu führen,
       dass man sehr viel genauer überlegt, bei wem man wie offen spricht.
       Bedeutend ist, dass es das deutsch-amerikanische Verhältnis nicht belasten
       wird."
       
       Die Internetplattform Wikileaks hatte am Sonntag mehr als [1][250.000
       Dokumente von US-Diplomaten in aller Welt veröffentlicht], über die am
       Sonntagabend der Spiegel, die New York Times und der Guardian berichteten.
       In den Depeschen sind auch Details aus vertraulichen Gesprächen sowie
       persönliche Einschätzungen über Politiker enthalten. Unter anderem wird
       Bundeskanzlerin Angela Merkel als "wenig kreativ" beschrieben und als ein
       Mensch, der das Risiko meiden. Außenminister Guido Westerwelle (FDD) wird
       laut der Enthüllungen als "aggressiv" bezeichnet.
       
       Die Veröffentlichung der Dokumente war deshalb von den Regierungen in aller
       Welt mit Nervosität erwartet worden. Das Weiße Haus verurteilte die
       Freigabe der Dokumente scharf.
       
       Unterdessen kommen mehr Details über die veröffentlichten Dokumente ans
       Licht. Die USA haben ihre Diplomaten den Enthüllungen zufolge angewiesen,
       diplomatische Vertreter anderer Länder auszuspähen. Laut den Depeschen
       wurden Mitarbeiter des US-Außenministeriums aufgefordert, Informationen
       über hochrangige Vertreter zahlreicher Länder zu sammeln. Die Anweisungen
       wurden demnach an Botschaften in Afrika, im Nahen Osten, in Osteuropa, in
       Lateinamerika sowie an die US-Vertretung bei den Vereinten Nationen
       gesandt.
       
       Im Namen von US-Außenministerin Hillary Clinton sei im Juli vergangenen
       Jahres unter anderem eine Anordnung an mehr als 30 US-Botschaften und
       Konsulate verschickt worden, berichtete der britische Guardian. Darin seien
       die Diplomaten aufgefordert worden, technische Informationen über die
       Kommunikationssysteme von hochrangigen UN-Vertretern zu sammeln, darunter
       auch Passwörter für Verschlüsselungen. Auch über UN-Generalsekretär Ban Ki
       Moon sollten demnach Informationen gesammelt werden.
       
       Der Spiegel führte aus, dass die US-Diplomaten von Diplomaten anderer
       Länder bei der UNO persönliche Kreditkarteninformationen,
       Vielflieger-Kundennummern sowie E-Mail- und Telefonverzeichnisse sammeln
       sollten. Auch Auskünfte über die Absichten von Ban und seinem Sekretariat
       zu dem Themen wie dem Iran seien "Teil der ausführlichen Wunschliste aus
       dem US-Außenministerium".
       
       Außer für den Iran interessierte Washington sich laut Spiegel insbesondere
       für die Themenbereiche Sudan/Darfur, Afghanistan/Pakistan, Somalia und
       Nordkorea. Als Begründung für die Ausspäh-Anweisung gab Clinton demnach an,
       dass ein Großteil der Informationen, mit denen die US-Geheimdienste
       arbeiten, aus den weltweit zusammengetragenen Berichten von
       Außenamtsmitarbeitern stamme.
       
       Experten erklärten, dass die wichtigste Folge des Lecks wohl eine größere
       Vorsicht der Diplomaten beim Umgang mit elektronischen
       Kommunikationsmitteln sein werde. "Papier hätte man in diesen Mengen
       überhaupt nicht stehlen können", sagte Sir Christopher Meyer, ehemaliger
       britischer Botschafter in den USA. Cox wies Spekulationen zurück, die
       Enthüllungen könnten zu einem Zusammenbruch internationaler Beziehungen
       führen. "Diplomaten haben privat schon immer unhöfliche Dinge über einander
       gesagt", sagte er. "Das haben alle schon immer gewusst." Der ehemalige
       US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, sieht die US-Diplomatie nach
       der Veröffentlichung teils geheimer Dokumente durch die Internetplattform
       Wikileaks in einer schweren Krise. Diplomatie funktioniere auf der Basis
       von Vertrauen und dieses sei nun gebrochen, sagte er am Montag im
       ZDF-"Morgenmagazin". Nun müsse es von Neuem wieder aufgebaut werden.
       
       Wenn man jetzt mit amerikanischen Diplomaten spräche, müsse man zwei Mal
       überlegen, ihnen etwas zu sagen, sagte Kornblum. Diplomaten müssten in
       Zukunft anders arbeiten. Das bedeute, sie müssten nicht mehr so viele
       Einzeldaten sammeln, sondern analytischer arbeiten. Die Ära des
       vertraulichen Miteinander-Sprechens sei vorüber.
       
       Er sei schockiert, wie einfach es sei, dass solche Daten an die
       Öffentlichkeit gelangten. Als Konsequenz aus den Terrorangriffen vom 11.
       September 2001 habe man das Informationssystem geändert, um für eine
       bessere Kommunikation mehr Stellen Zugang zu verschaffen, erklärte der
       Ex-Botschafter. Geheime Daten seien nun von sehr vielen Menschen zu lesen.
       Viele Leute könnten dieses Daten herunterladen. Dies sei die Schwäche in
       diesem System.
       
       Auch der frühere deutsche Botschafter in Washington, Wolfgang Ischinger,
       sieht "schweren außenpolitischen Schaden" durch die Veröffentlichungen.
       Dadurch werde das gegenseitige diplomatische Vertrauen und die
       Zusammenarbeit "in ganz prinzipieller Weise" beschädigt, sagte Ischinger
       der Bild-Zeitung. Die Veröffentlichung sei vor allem "problematisch im
       Hinblick auf weniger stabile zwischenstaatliche Beziehungen."
       
       Größeren Schaden für das deutsch-amerikanische Verhältnis befürchtet
       Ischinger hingegen nicht. "Das deutsch-amerikanische Verhältnis hält viel
       aus. Es wird auch, vom angekratzten Ego des einen oder anderen Politikers
       abgesehen, diesen Vorgang aushalten", sagte der frühere Botschafter. Die
       Veröffentlichung der Depeschen sei zwar nicht erfreulich, aber "ein
       Malheur, das die deutsch-amerikanischen Beziehungen überleben werden."
       
       Wegen der jüngsten Wikileaks-Veröffentlichungen hat die Polizei in
       Australien Ermittlungen gegen den Gründer der Enthüllungsplattform, Julian
       Assange, aufgenommen. Es werde geprüft, ob australische Gesetze gebrochen
       wuirden, sagte Justizminister Robert McClelland am Montag. Von einer
       Aufforderung der USA, Assange seinen australischen Pass zu entziehen, sei
       ihm aber nichts bekannt.
       
       Es gebe "möglicherweise eine Reihe von Strafgesetzen", gegen die Wikileaks
       mit der Veröffentlichung von mehr als 250.000 teils geheimen Unterlagen des
       US-Außenministeriums verstoßen haben könnte, sagte McClelland.
       Ministerpräsidentin Julia Gillard hatte die geplante Enthüllung vergangene
       Woche als rücksichtslos und möglicherweise schädlich für die
       Sicherheitsinteressen Australiens verurteilt.
       
       29 Nov 2010
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,731389,00.html
       
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