# taz.de -- Kommentar Kleinkredite in Indien: Wachstumswahn im Mikrowesen
       
       > Auch Mikrofinanzinstitute haben - wie Großbanken - faule Kredite
       > angehäuft. Daran und an dem langsamen Lernen der Armen, droht die Idee zu
       > scheitern.
       
 (IMG) Bild: „Rund siebzig Regale, mit Glaseinsätzen und ohne, produzieren wir im Monat“, sagt die perunaische Kleinunternehmerin Julia Silva Andía
       
       Noch vor zwei Jahren war das Mikrokreditwesen ein Gewinner der globalen
       Finanzkrise. Der Bankenkollaps an der Wall Street würde nicht die kleinen
       Mikrofinanzinstitute in den Entwicklungs- und Schwellenländern treffen,
       hieß es. Denn im Gegensatz zu amerikanischen Hausbesitzern würden indische
       Bäuerinnen ihre Kredite immer pünktlich zurückzahlen. Damals schichteten
       große westliche Kapitalanleger einen Teil ihrer Anlagen auch in die
       Mikrofinanzindustrie um. Das schien sicher und zudem noch sozial.
       
       Doch Kreditwesen bleibt Kreditwesen, ob für arm oder mittelständisch, ob in
       den USA oder in Indien. Wer seinen Kunden das Geld hinterherschmeißt, um
       die eigenen Bilanzen zu schönen, wer sich nicht die Mühe macht, seine
       Kreditnehmer zum sinnvollen Umgang mit ihrem Geld anzuleiten, der schafft
       die nächste Kreditblase.
       
       Deshalb geht es den für ihr soziales Engagement für die Armen einst
       hochgelobten Mikrofinanzinstituten in Indien heute nicht anders als den
       Großbanken in den USA. Sie verfielen dem Wachstumswahn, vergaben ihre
       Gelder zu sorglos und haben damit - ganz besonders im Bundesstaat
       Andhra-Pradesh in Südindien, dem Mekka der Mikrokredite - Milliardensummen
       an versteckten, faulen Krediten angehäuft.
       
       Ein Grund für ihre Sorglosigkeit aber war einst die Euphorie im Westen. Als
       Muhammad Yunus 2006 den Friedensnobelpreis erhielt, als die
       Bill-Gates-Stiftung zeitgleich groß ins Mikrokreditgeschäft einstieg und
       eBay-Gründer Pierre Omidyar 100 Millionen Dollar für das neue Geschäft mit
       den Armen spendete, da glaubte man plötzlich über ein neues Patentrezept
       für die Armutsbekämpfung zu verfügen.
       
       Der Geist des Silicon Valley, von Venture-Kapital und
       Informationstechnologie, zog damals ins Mikrokreditwesen ein. Doch die
       Armen dieser Welt lernen langsam. Sie können meist nicht lesen und
       schreiben. Auch daran droht Yunus gute Idee heute zu scheitern.
       
       1 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Blume
       
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