# taz.de -- Neuer Vorschlag zum Versammlungsrecht: Für Bürgerrechtler enttäuschend
       
       > Professoren um den Ex-Verfassungsrichter Hoffmann-Riem legen einen
       > Entwurf für ein neues Versammlungsrecht vor. Er verspricht mehr
       > Eindeutigkeit. Ansonsten: wenig Revolutionäres.
       
 (IMG) Bild: Polizist am Rande der Demonstration "Freiheit statt Angst" am 11.09.2010.
       
       KARLSRUHE taz | Exverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem setzt sich für
       eine rechtsstaatliche Reform des Versammlungsrechts ein. Am Donnerstag
       stellte er einen Gesetzentwurf vor, den er gemeinsam mit einer
       Professorengruppe erarbeitet hat. Hoffmann-Riem war von 1999 bis 2007 am
       Verfassungsgericht für die Versammlungsfreiheit zuständig. Karlsruhe hat
       das Demonstrationsrecht damals faktisch gerettet, indem es die
       routinemäßigen Verbote rechter Kundgebungen oft beanstandete.
       
       "Alle Deutschen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu
       versammeln", heißt es im Grundgesetz. Doch das liberale Grundrecht wurde
       1953 in ein Versammlungsgesetz gezwängt, das Demonstrationen vor allem als
       Gefahren für die Gesellschaft ansah. Seitdem wurde das Gesetz nicht
       liberaler.
       
       So wurde das Vermummungsverbot eingeführt und Möglichkeiten für Demoverbote
       erweitert. Seit der Föderalismusreform 2006 sind die Länder für das
       Demonstrationsrecht zuständig. Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und
       Niedersachsen haben schon Versammlungsgesetze, andere Länder wollen folgen.
       Überwiegend wurden neue Einschränkungen eingeführt.
       
       Hoffmann-Riem und seine Kollegen haben deshalb einen Gesetzentwurf
       vorgelegt, den sie in der liberalen Tradition der Karlsruher Rechtsprechung
       sehen. Die Versammlungsteilnehmer sollen so wenig wie möglich in ihrer
       "bürgerschaftlichen Selbstorganisation" eingeschränkt werden. Die bisherige
       Pflicht, einen Versammlungsleiter zu bestimmen, wurde daher gestrichen.
       "Eine Versammlung muss nicht hierarchisch organisiert sein", betonte der
       Exverfassungsrichter.
       
       Neu wäre auch, dass das Versammlungsrecht auf private Einkaufspassagen
       erweitert wird. Kundgebungen könnten dann auch gegen den Willen der
       Eigentümer durchgeführt werden, soweit es um öffentlich zugängliche
       Verkehrsflächen geht.
       
       "Wir haben allerdings keine radikalen Änderungen im Versammlungsrecht
       vorgenommen", sagte Hoffmann-Riem. Tatsächlich ist der Gesetzentwurf aus
       bürgerrechtlicher Sicht eher enttäuschend. Die meisten Verschärfungen
       sollen bestehen bleiben, etwa das Vermummungsverbot oder die Befugnis der
       Polizei per Kamera einschüchternde "Übersichtsaufnahmen" von Versammlungen
       anzufertigen.
       
       Meist werden die Einschränkungen nur rechtsstaatlicher als bisher
       ausgestaltet. So ist in dem Gesetzentwurf das bisher nur in wenigen Ländern
       geltende Militanzverbot enthalten. Es wird untersagt, "durch ein
       paramilitärisches Auftreten oder auf vergleichbare Weise" einschüchternd zu
       wirken. Künftig müsste die Polizei vor Ort konkret benennen, welche
       Kleidungsstücke abzulegen sind und welches Auftreten nicht geduldet wird.
       
       Auch Demoverbote an Tagen und Plätzen, die dem Gedenken an die
       NS-Herrschaft dienen, sollen zulässig bleiben. Künftig müssten die
       geschützten Orte aber transparent im Gesetz benannt werden, was etwa in
       Sachsen nicht der Fall ist. Kein Wunder, dass die Stadt Leipzig inflationär
       von 103 Demo-geschützten Orten in dieser Stadt ausgeht.
       
       Die Autoren des Gesetzentwurfs haben ihn im Vorfeld mit Polizeipraktikern
       diskutiert (nicht mit Demo-Veranstaltern). Die Polizisten seien sehr
       angetan gewesen, berichtete Hoffmann-Riem, weil der Entwurf viele bisherige
       Zweifelsfragen klärt. Insofern besteht vielleicht sogar die Chance, dass
       sich einige Länder bei der Ausarbeitung ihres Gesetzentwurfs am
       Hoffmann-Riem-Modell orientieren. Ein großer Wurf wäre das aber leider
       nicht.
       
       9 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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