# taz.de -- Verfassungsgericht in Sachsen: Formfehler kippt Versammlungsgesetz
       
       > Das sächsische Versammlungsgesetz ist vom Verfassungsgerichtshof aus
       > formalen Gründen für nichtig erklärt worden. Nazi-Aufmärsche bleiben
       > möglich.
       
 (IMG) Bild: Wird das Gesetz jemals einen Gedenkmarsch von Neonazis verhindern?
       
       DRESDEN taz | Als ein Placebo und ein zahnloser Papiertiger erwies sich das
       neue sächsische Versammlungsgesetz von Anfang an. Am Dienstag kippten nun
       auch die Richter des Landesverfassungsgerichtes in Leipzig das Gesetz.
       Allerdings spielten die inhaltlichen Bedenken der klagenden
       Oppositionsparteien Linke, SPD und Grüne wegen der Einschränkung des
       Versammlungsrechts zunächst keine Rolle.
       
       Das Gericht folgte vor allem den Teilen der Normenkontrollklage, die auf
       formale Fehler zielen. Der Wortlaut des Gesetzes sei in den
       Parlamentsdokumenten nicht enthalten gewesen, heißt es unter anderem in der
       Begründung. Gemeint ist damit das Bundesversammlungsgesetz, das vom
       Sächsischen Gesetz übernommen und ergänzt wird.
       
       In großer Eile hatte die neue CDU-FDP-Koalition in Sachsen ihr erstes
       Gesetzgebungsvorhaben im Januar 2010 durchgesetzt. In der bis 2009
       regierenden CDU-SPD-Koalition waren Pläne zur Einschränkung des
       Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit noch gescheitert, während Schwarz-Rot
       in Sachsen-Anhalt ein solches Gesetz verabschiedete. Das sächsische Gesetz
       sollte es den Versammlungsbehörden ermöglichen, rechtsextremistische
       Demonstrationen an bestimmten Tagen und bestimmten Orten zu verbieten.
       
       Eile schien geboten, um das Gesetz noch vor dem Dresdner
       Zerstörungsgedenken am 13. Februar zu verabschieden. Letztlich beschränkten
       sich die historisch sensiblen Orte, für die ein Demonstrationsverbot gelten
       sollte, auf die Dresdner Frauenkirche und das Leipziger
       Völkerschlachtdenkmal.
       
       ## "Schwammige Formulierungen"
       
       Der Gesetzentwurf war schon bei einer Landtags-Anhörung im November 2009
       bei nahezu allen Experten durchgefallen. Der Protest der Opposition hatte
       zunächst inhaltliche Gründe. "Dieses Gesetz will regeln, was die Verfassung
       nicht zulässt und dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit schweren Schaden
       zufügt", konterte der Rechtspolitiker Johannes Lichdi von den Bündnisgrünen
       im Januar 2010. Im August reichten dann 52 Oppositionsabgeordnete eine
       Normenkontrollklage ein. Sie bemängelten unter anderem, dass mit
       "schwammigen Formulierungen" zu niedrige Anforderungen an die
       Gefahrenprognose der Behörden gestellt werden.
       
       Die mündliche Verhandlung vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof am 25.
       März dieses Jahres brachte außerdem peinliche Formverstöße ans Licht. So
       zeichneten der Landtagspräsident und der Ministerpräsident bei der
       Ausfertigung des Gesetzes nur den geänderten Paragrafen ab. "Wir reden über
       ein Gesetz, das es faktisch gar nicht gibt", spitzte der Klagevertreter
       Prof. Ralf Poscher aus Freiburg zu. "Mit ihrer gemeinsamen Klage haben die
       demokratischen Oppositionsfraktionen dafür gesorgt, dass es in Sachsen kein
       Demonstrationsrecht zweiter Klasse gibt", zeigte sich der rechtspolitische
       Sprecher der Linksfraktion Klaus Bartl mit dem ergangenen Urteil zufrieden.
       
       Der Grüne Johannes Lichdi erwartet, "dass die Koalition das Gesetz nicht
       wieder in den Landtag einbringt". Das aber haben CDU und FDP nach einer
       Korrektur der beanstandeten Formfehler bereits angekündigt. Ob das bislang
       noch nie angewendete Gesetz jemals einen Nazi-Aufmarsch verhindern wird,
       bezweifeln neben der Opposition auch Initiativen gegen Rechts.
       
       19 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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