# taz.de -- Umstrittenes Mediengesetz in Ungarn: Orban weist Kritik scharf zurück
       
       > Der ungarische Regierungschef Orban will das umstrittene neue
       > Mediengesetz "auch im Traum" nicht ändern. Schriftsteller Konrad fühlt
       > sich an die Machtübernahme der Nazis 1933 erinnert.
       
 (IMG) Bild: Leere Transparente: Demonstranten protestieren in Budapest gegen das neue Mediengesetz.
       
       BUDAPEST/BERLIN dpa | Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat
       internationale Kritik am neuen Mediengesetz seines Landes scharf
       zurückgewiesen. "Wir denken nicht im Traum daran", das Mediengesetz zu
       ändern, sagte Orban am späten Donnerstagabend im regierungsnahen
       Privatsender Hir TV, wie die ungarische Nachrichtenagentur MTI berichtete.
       In dem Gesetz gebe es keinen einzigen Passus, der nicht der
       Mediengesetzgebung "irgendeines" EU-Landes entspreche. "Ich bin nicht
       geneigt, mit zitternden Knien auf Parlamentsdebatten oder ein westliches
       Echo zu reagieren", betonte Orban.
       
       Ungarn, das zum Jahreswechsel turnusgemäß die sechsmonatige
       Ratspräsidentschaft in der EU übernimmt, steht vor allem wegen massiver
       Einschränkungen der Pressefreiheit in der internationalen Kritik. Künftig
       soll eine Kontrollbehörde, deren Mitarbeiter der Regierungspartei angehören
       und nicht an Parlamentsbeschlüsse gebunden sind, die Presse beaufsichtigen.
       Sollten sie zu der Einschätzung kommen, dass die Berichterstattung falsch
       sei, drohen hohe Geldstrafen.
       
       Der liberale ungarische Schriftsteller György Konrad verglich die
       Einschränkungen mit der Frühphase des NS-Regimes. "Das erinnert mich stark
       an 1933, als die NSDAP mit einer Wahlmehrheit unter scheinbar
       demokratischen Bedingungen an die Macht kam", sagte er der Berliner
       Zeitung. Konrad sprach von einer "groben Zensurmaßnahme". "Auch wenn Ungarn
       im Vergleich zu Deutschland ein nur sehr kleines Land ist und eine
       Schreckensherrschaft unwahrscheinlich: von einer Demokratie kann keine Rede
       mehr sein", sagte der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels
       (1991) und des Karlspreises der Stadt Aachen (2001).
       
       Auch die Vereinigung der Europäischen Nachrichtenagenturen (EANA) sieht in
       der ungarischen Mediengesetzgebung eine Abwendung von den Grundprinzipien
       der Pressefreiheit. Die Budapester Regierung werde aufgefordert, die
       Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen und privaten Medien zu schützen,
       heißt es in einem Schreiben an die ungarische Nachrichtenagentur MTI.
       
       Unter den EU-Partnern regt sich seit Tagen heftiger Protest. Der
       tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg sagte der dpa: "So wie
       dieses Gesetz konzipiert ist, ist es wirklich gefährlich." Die EU müsse
       "bei der nächsten Möglichkeit" feststellen, "dass dieses Gesetz den
       Prinzipien der Europäischen Union widerspricht". Der Fraktionsvorsitzende
       der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Martin Schulz, sagte im
       Deutschlandradio Kultur, Ungarn sei der EU- Ratspräsidentschaft nicht
       würdig.
       
       Orban verwahrte sich gegen solche Kritik. Ausdrücklich ging der
       Regierungschef auf Äußerungen in Berlin ein. "Was die arme deutsche
       Bundeskanzlerin betrifft, so ist sie da hereingezogen worden", sagte Orban.
       Angela Merkels Sprecher habe nur gesagt, dass ein EU-Staat EU-Normen
       einhalten müsse. Und "Ungarn tut dies auch", sagte Orban.
       
       24 Dec 2010
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Essay Neues Mediengesetz: Das ungarische Desaster
       
       Das neue Mediengesetz ist nur die Spitze einer Entwicklung: Ungarns
       Regierungschef Viktor Orbán ist weit vorangekommen bei seinem autoritären
       Umbau.
       
 (DIR) Verfahren gegen nichtkommerzielles Radio: Ungarns Zensurbehörde disst Ice-T
       
       Die ungarische Medien-Zensurbehörde hat zugeschlagen: Gegen das
       nichtkommerzielle Radio Tilos wurde wegen des Songs "It's on" von
       Gangstarapper Ice-T ein Verfahren eingeleitet.
       
 (DIR) Interview zur rechten Stimmung in Ungarn: "Orbán ist von der Macht geblendet"
       
       Gesetze vom Fließband, keine Opposition: Premierminister Orbán und die
       ungarische Regierung müssen sich um bürgerliche Denker nicht scheren, meint
       Paul Lendvai.
       
 (DIR) Kommentar Ungarisches Mediengesetz: Auf dem Weg zur Diktatur
       
       Ministerpräsident Orban wird sich nicht scheuen, Einfluss auf die
       ungarischen Medien zu nehmen. Dafür hat er sich das Gesetz ja ausgedacht.
       
 (DIR) Ungarn beschließt umstrittenes Mediengesetz: Auch die Privaten unter Kontrolle
       
       Ungarns Parlament hat ein restriktives Mediengesetz für Fernseh- und
       Rundfunksender, Zeitungen und Internetportale verabschiedet. Eine neue
       Behörde wacht über die Inhalte.