# taz.de -- Die Oligarchen in Russland: Reichtum von Putins Gnaden
       
       > Luxusyacht, Exil oder Straflager – der Kreml hat die einst
       > einflussreichen Milliardäre aus der Jelzin-Ära systematisch
       > ausgeschaltet.
       
 (IMG) Bild: Zutritt haben nur die Superreichen: Millionärsmesse in Moskau.
       
       MOSKAU taz | Im Jahr 1996 meldeten sich Russlands Superreiche erstmals als
       einflussreiche Kaste lautstark zu Wort. Das war die Geburtsstunde der
       sogenannten Oligarchen, deren frühe Geschäfte noch in die Endphase des
       Kommunismus zurückreichten. Im Sommer 1996 sicherten sie mit ihrem Geld die
       Wiederwahl von Präsident Boris Jelzin, der für Öffnung und Demokratie in
       Russland stand. Doch die Chance der Kommunisten, die Macht
       zurückzugewinnen, schien damals greifbar nahe.
       
       Die Oligarchen entsprachen nicht dem Ideal eines erfolgreichen
       Unternehmers, der es durch Ideen und Risiko zu Vermögen gebracht hat.
       Oligarchen waren Krisengewinnler, die die Agonie des sowjetischen
       Wirtschaftssystems zu ihren Gunsten zu nutzen wussten.
       
       Die meisten der sogenannten Neuen Russen waren alte Bekannte aus
       sowjetischen Staatsbetrieben, Geheimdienstler, Militärs, Wissenschaftler
       und Mitarbeiter im Außenhandel, aber auch Funktionäre aus Partei, Staat und
       dem kommunistischen Jugendverband Komsomol.
       
       Auch Michail Chodorkowski begann seine Karriere im Komsomol. Als Michail
       Gorbatschow 1987 die Gründung von Kooperativen zuließ, stattete er den
       Jugendverband mit weit reichenden Rechten aus. Die jungen Funktionäre
       trieben meist Handel mit Jeans und Computern und häuften schnell
       erhebliches Kapital an.
       
       Beliebt war es in der Nomenklatura auch, subventionierte Rohstoffe über
       Tochtergesellschaften zu Weltmarktpreisen im Ausland zu verhökern. Das
       angehäufte Kapital reichte, um sich in der Privatisierungsphase die
       Filetstücke der sowjetischen Wirtschaft zu sichern.
       
       Der Einfluss der Oligarchen auf die Politik wuchs bis zum Ende der
       neunziger Jahre immens. Besonders die Rolle des Tycoons Boris Beresowski
       erregte in der Öffentlichkeit Widerwillen.
       
       Der Miteigentümer der Fluggesellschaft Aeroflot und Mehrheitsaktionär beim
       Staatsfernsehen stieg im Kreml zur grauen Eminenz auf und galt nicht nur
       als Vertrauter der Jelzin-Familie. Zur Jahrtausendwende fädelte er die
       Jelzin-Nachfolge ein.
       
       Die Wahl fiel auf Wladimir Putin, der bald nach seinem Amtsantritt
       Beresowski unter Androhung eines Strafverfahrens ins Exil nach London
       vertrieb. Die Öffentlichkeit unterstützte den neuen Kremlchef, der
       versprach, mit eiserner Faust gegen die Auswüchse der Oligarchie
       vorzugehen.
       
       Als nächster einflussreicher Unternehmer musste Wladimir Gussinski Russland
       verlassen. Der Medien-Tycoon war Eigentümer des unabhängigen TV-Senders NTW
       und Herausgeber liberaler Printmedien. In nur einem Jahr brachte der Kreml
       die Flaggschiffe des russischen Journalismus auf Einheitskurs. Bereits
       damals zeichnete sich ab, dass Wladimir Putin die Oligarchen selektiv
       abstrafte.
       
       2003 eröffnete der Kreml das Verfahren gegen Michail Chodorkowski. Der
       selbstbewusste Milliardär hatte es gewagt, politische Ambitionen anzumelden
       und Oppositionsparteien zu finanzieren, darunter auch die Kommunisten.
       Außerdem förderte er die aufblühende Zivilgesellschaft und entwarf die
       Vision einer "offenen Gesellschaft".
       
       Eine Warnung des Kremls 
       
       Die Aburteilung Chodorkowskis zu acht Jahren Haft war eine Warnung, die
       ihre Wirkung nicht verfehlte. Weder setzte sich einer der Oligarchen für
       Chodorkowski ein, noch versuchten sie politischen Einfluss zu erlangen. Der
       Kreml verpflichtet die Milliardäre zwar zu Transferleistungen, wenn die
       Staatskasse nicht belastet werden soll, ist aber auch bereit, bedrängten
       Oligarchen unter die Arme zu greifen.
       
       Den Milliardär Roman Abramowitsch setzte Wladimir Putin auch als Gouverneur
       in Tschukotka ein. Der Exzentriker finanziert die bevölkerungsarme
       Halbinsel im äußersten Nordosten Russlands. Als Abramowitsch den Londoner
       Fußballclub Chelsea kaufte oder sich eine neue Yacht anschaffte, hatte der
       Kreml nichts auszusetzen.
       
       Nur ein Oligarch spielt bislang nicht richtig mit - der Eigentümer der
       Nationalen Reserve-Bank Alexander Lebedew, der auch Mitaktionär der
       oppositionellen Zeitung Nowaja Gaseta ist. Sein Unternehmen war im November
       2010 von maskierten Ordnungskräften durchsucht worden.
       
       Doch die Oligarchen von Kremls Gnaden sind unter der Ägide Putins noch
       reicher geworden und neue kamen hinzu: Putins ehemaliger Judo-Trainer
       Arkadij Rotenberg oder sein alter Freund Gennadi Timtschenko. Beide gehören
       inzwischen zu den hundert reichsten Russen. Für das System Putin stellen
       sie keine Gefahr dar.
       
       27 Dec 2010
       
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 (DIR) Klaus-Helge Donath
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