# taz.de -- Marine Le Pen neue Front-National-Vorsitzende: Die Tochter hat übernommen
       
       > Die Tochter des langjährigen Vorsitzenden hat den Vorsitz des Front
       > National übernommen. Bei der Wahl 2012 könnte die extreme Rechte den
       > Konservativen wichtige Prozente stehlen.
       
 (IMG) Bild: Marine Le Pen während einer Rede beim Fron-National-Parteitag in Tours.
       
       Mit zwei Dritteln der Stimmen ist Marine Le Pen auf dem Kongress des Front
       National (FN) in Tours als Nachfolgerin ihres Vaters zur neuen Vorsitzenden
       dieser rechtsextremen Partei gewählt worden. Der klare Sieg über ihren
       Konkurrenten Bruno Gollnisch unterstreicht noch einmal, dass die Autorität
       des 82-jährigen Parteigründers Jean-Marie Le Pen bis zu seinem Rücktritt
       unbestritten blieb. Er hatte sich mehrfach in den letzten Wochen offen
       zugunsten seiner 42-jährigen Tochter ausgesprochen. Das deutliche Votum für
       seine Wunschkandidatin versüßt ihm ein wenig den altersbedingten Ruhestand.
       
       Diesen möchte er zudem relativiert wissen. Er wird als Ehrenpräsident in
       der Leitung die weitere Entwicklung der 1972 von ihm gegründeten Partei
       diskret überwachen, und als Europaparlamentarier wird er auch weiterhin
       über die französischen Grenzen hinweg rechtsextreme Meinungen äußern. Ein
       Muster dafür lieferte er noch vor dem Kongressende in einem Kommentar zu
       einem Journalisten, der seiner Meinung nach selber schuld an seiner
       Ausweisung in Tours sei: "Er hielt es für nötig zu sagen, dass er Jude sei
       und aus diesem Grund ausgewiesen wurde, das war aber weder auf seinem
       Ausweis noch auf seiner Nase zu lesen."
       
       Marine Le Pen hatte im Gegensatz dazu in der Vergangenheit jeden Verdacht
       auf Antisemitismus weit von sich gewiesen und wollte zu diesem Zweck sogar
       bei einer politischen Reise nach Israel empfangen werden. Einer der
       Delegierten, der in Zukunft nicht mehr Mitglied der Parteileitung sein
       wird, machte ihr deswegen vor Zeugen am Rande des Kongresses lautstark den
       Vorwurf, sie rutsche "vor der israelischen Botschaft auf Knien".
       
       Betont versöhnlich gestimmt gab sich dagegen Gollnisch, der Unterlegene im
       Kampf um den Vorsitz. Er akzeptiere "ohne Hintergedanken und Verbitterung
       den freien Entscheid" seiner Parteikollegen. In der erweiterten
       Parteileitung verfügen zudem seine Anhänger, welche wie Gollnisch selber im
       FN die "alte Garde" der französischen Rechtsextremisten verkörpern, fast
       über die Hälfte der Sitze. Das Gespenst einer Spaltung schien damit gestern
       auf dem Kongress vorerst zumindest gebannt, obschon einer der
       prominentesten Veteranen, Roger Holeindre, der den FN zusammen mit
       Jean-Marie Le Pen gegründet hatte, gestern seinen Austritt ankündigte, weil
       er sich in dieser Partei unter der neuen Führung nicht wiedererkennen
       könne. Besonders angeeckt war diese bei den rechtskatholischen
       Fundamentalisten, die sie mit der Äußerung, sie sei nicht grundsätzlich
       gegen legale Abtreibung, schockiert hatte.
       
       Mit Marine Le Pen kommt eine Generation in die Parteiführung, die weder vom
       Zweiten Weltkrieg noch von den Kolonialkriegen geprägt ist. Im Programm des
       FN werden die zentralen Themen der Sicherheits- und Ordnungspolitik und der
       Immigration durch eine scharfe Polemik gegen die sichtbare Präsenz des
       Islam, aber auch durch soziale Themen wie die Verarmung französischer
       Familien ergänzt.
       
       Die Antrittsrede der neuen FN-Chefin war zugleich der Auftakt ihrer
       Kampagne als Kandidatin bei den Präsidentschaftswahlen 2012, bei denen sie
       laut heutigen Umfragen zwischen 16 und 18 Prozent der Stimmen erobern
       könnte. Damit könnte sie - wie ihr Vater im April 2002 - den Durchbruch
       schaffen und in die Stichwahl kommen. Laut einer Umfrage und Analyse in der
       Zeitung Le Monde werden die Trennlinien zusehends fließend zwischen der
       extremen Rechten und konservativen Kreisen in der Regierungspartei UMP, bei
       der sich 32 Prozent der Sympathisanten mit den FN-Thesen einverstanden
       erklären, ein Zuwachs um 12 Prozent in einem Jahr. Das kann Marine Le Pen
       als Erfolg ihrer Versuche verbuchen, dem FN zu einem weniger
       extremistischen Image zu verhelfen.
       
       16 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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