# taz.de -- Flüchtlingspolitik von EU und Libyen: Parlament verurteilt Abkommen
       
       > Die EU-Kommission will mit Libyen kooperieren. In das Land sollen
       > Flüchtlinge aus ganz Afrika abgeschoben werden. Doch dagegen protestierte
       > jetzt auch das EU-Parlament.
       
 (IMG) Bild: Herrscher ohne Asylsystem: Muammar Gaddafi.
       
       Italien hatte den Anfang gemacht, nun sollte ganz Europa folgen. Mit einem
       von der EU-Kommission geplanten Rücknahmeabkommen könnten künftig
       unerwünschte Flüchtlinge aus ganz Afrika nach Libyen zurückgeschoben
       werden.
       
       Doch gestern protestierte das EU-Parlament: Das Vorhaben sei "absolut
       inakzeptabel". In einem einstimmig angenommenen Bericht der portugiesischen
       Abgeordneten Ana Gomes heißt es, ein solches Abkommen widerspreche "den
       Werten der EU-Grundrechtecharta."
       
       "Libyen hat keinerlei Asylsystem. Dem UNHCR wird ein Mandat verweigert, die
       Genfer Flüchtlingskonvention wurde nicht ratifiziert", sagt die grüne
       EU-Abgeordnete Franziska Brantner. "Flüchtlinge dorthin abzuschieben ist
       ein Verstoß gegen das Völkerrecht." Bei einer Anhörung, die Brantner
       angesetzt hatte, zeigte sich die Kommission jedoch unbeirrt: Ihr Vertreter
       verwies auf "massiven politischen Druck" durch den Rat. "Die wollen dieses
       Abkommen, koste es, was es wolle", sagt ein Beobachter der Anhörung.
       
       Auch Italien kümmerten Bedenken bisher wenig. Seit 2008 macht das Land von
       seinem "Freundschaftsvertrag" weidlich Gebrauch. 2009 klagten Flüchtlinge,
       die ohne Asylverfahren nach Libyen zurückgeschoben wurden, deswegen beim
       Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
       
       Was Zurückgeschobenen in Libyen droht, beschreibt Karl Kopp von Pro Asyl
       so: "Sie werden in unmenschliche Haftlager gesteckt. Ihnen drohen dort
       Elend, Tod, Misshandlungen, Folter und Vergewaltigung." Im Juni hat das
       auch das EU-Parlament festgestellt. Doch Rat und Kommission halten an der
       Zusammenarbeit mit Libyen fest.
       
       Seit 2008 verhandelt die EU mit Gaddafi über ein Rahmenabkommen. Dieses
       soll neben den politischen Beziehungen auch Fragen der Energiepolitik und
       des Handels regeln. Vor allem aber bemüht sich die EU um einen Ausbau der
       Kooperation in Sachen Flüchtlingsabwehr. "Der Deal ist: Libyen schützt die
       EU-Grenzen nach Süden, dafür hofiert Europa den Gaddafi", sagt Kopp. Der
       Diktator soll Europa als Türsteher dienen.
       
       Mit dem gestrigen Entscheid bekommen diese Bemühungen einen Dämpfer –
       gestoppt sind sie jedoch keineswegs. "Das EP hat heute deutlich gemacht,
       dass die EU keine schmutzigen Abkommen mit Libyen toleriert", sagt
       Franziska Brantner. Sie verweist darauf, dass das Parlament die
       Ratifizierung und Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention von Libyen
       verlangt habe, bevor weiter verhandelt werden dürfe.
       
       Auch Pro Asyl begrüßte den Beschluss. "Das ist eine klare Positionierung.
       Wenn die sich ernst nehmen, kann man auf dieser Grundlage keinen Deal im
       Bereich Asyl und Migration mit Gaddafi machen", sagt Karl Kopp.
       
       Konsequenzen hat das Straßburger Votum zunächst nicht. Denn die Kommission
       erhält ihr Mandat für internationale Verhandlungen vom Rat. Erst nach
       Abschluss der Beratungen muss sie sich ihr Rahmenabkommen vom
       Europa-Parlament ratifizieren lassen. Und ob dessen Abgeordneten das
       politisch und wirtschaftlich bedeutsame Vereinbarungspaket wegen
       menschenrechtlicher Bedenken tatsächlich platzen lassen, gilt keineswegs
       als sicher.
       
       20 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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