# taz.de -- Proteste in Ägypten: Mubarak enttäuscht sein Volk
       
       > Mubarak vergibt in einer Ansprache die Chance auf einen Abgang in Würde.
       > Er ignoriert die Rücktrittsforderung und will wieder Ordnung schaffen.
       > US-Präsident Obama dringt auf einen schnellen Übergang.
       
 (IMG) Bild: Friedlicher Protest unter Militärbeobachtung in Kairo.
       
       KAIRO/WASHINGTON dapd | Bei der Fernsehansprache von Präsident Husni
       Mubarak warteten auf dem Kairo Tahrir-Platz und andernorts in Ägypten
       Millionen von Menschen auf ein Wort, auf den einen Satz. Doch der
       82-Jährige ignorierte auch nach acht Tagen weitgehend friedlichen
       Massenprotesten gegen seine 30-jährige autoritäre Herrschaft die zentrale
       Forderung der Protestbewegung, er müsse sofort zurücktreten.
       
       Stattdessen erklärte Mubarak nur seinen Verzicht auf eine weitere
       Kandidatur bei der Präsidentenwahl im September. Bis dahin wolle er beim
       Übergang zu einem neuen, reformierten politischen System helfen.
       
       Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz buhten. Einige schwenkten ihre
       Schuhe über dem Kopf, um ihre Verachtung auszudrücken. "Geh, geh, geh! Wir
       gehen nicht, bevor er geht!" riefen sie.
       
       Und nicht nur in Ägypten, auch in den Hauptstädten der Welt hörte man genau
       auf die Worte des angeschlagenen Präsidenten. In Washington sah sich
       US-Präsident Barack Obama die zehnminütige Rede an und telefonierte danach
       eine halbe Stunde mit Mubarak. Anschließend sprach Obama auffallend fiel
       vom ägyptischen Volk, dessen Streben nach Freiheit er verstehe und dessen
       Stimmen in Washington gehört würden.
       
       Mubarak, sagte Obama, sehe ein, dass der Status Quo nicht mehr zu halten
       sei. Mubarak akzeptiere auch, dass der Wandel nicht mehr aufzuhalten sei.
       Was Obama aber unausgesprochen im Raum stehen ließ war die deutliche
       Empfindung, dass Mubarak die Chance auf einen Abgang mit Würde vergeben
       habe. Dabei hatte er eigens den früheren US-Botschafter in Kairo, Frank
       Wisner, als Sondergesandten nach Ägypten reisen lassen. Wisner sollte
       Mubarak, mit dem er befreundet ist, klar machen, dass seine Zeit an der
       Macht abgelaufen sei.
       
       Mubaraks Sturheit könnte nun ein Umschlagen der friedlichen Proteste in
       Gewalt zur Folge haben, befürchtet man nun in Washington. Schließlich
       schwor der bedrängte Präsident, er werde die Ordnung wiederherstellen.
       Dafür müsste er seine verhasste Polizei einsetzen, die in 30 Jahren
       Ausnahmerecht willkürliche Verhaftungen vornehmen und Festgenommene ohne
       Anklage in Gefängnissen verschwinden lassen konnte.
       
       Auf dem Weg zur Revolution? 
       
       Obama machte deutlich, dass er einen schnellen Wandel in Ägypten will. "Es
       ist meine Überzeugung, dass ein geordneter Übergang umfassend sein muss, er
       muss friedlich sein, und er muss jetzt beginnen", sagte er vor
       Journalisten. Die meist friedlichen Kundgebungen für einen Wandel in den
       vergangenen acht Tagen seien "eine Inspiration für Völker in aller Welt".
       
       "Dem ägyptischen Volk, insbesondere den jungen Leuten, möchte ich klar
       sagen: Wir hören eure Stimmen. Ich habe die unbeugsame Überzeugung, dass
       ihr euer eigenes Schicksal in die Hand nehmt", sagte der US-Präsident. Es
       sei nicht Sache irgendeines Landes, über die ägyptische Führung zu
       entscheiden. Wichtig sei, dass der Übergang zu freien und fairen Wahlen
       führe. Die USA würden Ägypten dabei "weiterhin die Hand der Freundschaft
       und Partnerschaft reichen."
       
       In Washington versuchte ein ranghoher arabischer Diplomat Mubaraks
       Verhalten zu erklären. "Mubarak kann sich damit anfreunden, ein Expräsident
       zu sein, aber nicht damit, ein abgesetzter Präsident zu sein", sagte der
       Diplomat.
       
       Wieder richten sich die Blicke auf die Streitkräfte, die versprochen haben,
       nicht auf friedliche Demonstranten zu schießen. Nun müssen sie sich
       womöglich zwischen dem Volk und Mubarak, der als ehemaliger Luftwaffenchef
       einer der ihren ist, entscheiden. Denn dessen Entscheidung, dem
       Präsidentensitz nicht zu räumen, wird die Proteste in den Straßen
       sicherlich noch weiter intensivieren und ausweiten.
       
       Was dann? Werden die Soldaten schießen? Werden sie sich auf die Seite
       wütender Demonstranten stellen, die die Konfrontation mit Mubaraks Polizei
       suchen? Alles kann passieren, vieles ist denkbar. Die vergebene Chance auf
       einen würdigen und friedlichen Abgang hat die Bühne für weitere Akte in
       einen nahöstlichen Drama bereitet, in dem aus der ägyptischen
       Protestbewegung eine Revolution werden könnte, die auch noch andere
       autoritäre Regime in der Region wegfegt. Die Menschen in Jordanien, Syrien
       und Jemen beobachten genau, wie es nun in Ägypten weiter geht.
       
       2 Feb 2011
       
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