# taz.de -- Randale nach Räumung in Berlin: Schlimmer als am 1. Mai
       
       > Nach einer Demonstration gegen die Räumung der Liebig 14 kommt es zu
       > Krawall. Die Polizei spricht von Zerstörungswut, die Politik verurteilt
       > die Gewalt, die linke Szene diskutiert.
       
 (IMG) Bild: Keine seltene Szene Mittwochnacht: Festnahme nach Liebig-Demo.
       
       BERLIN taz | "Die Räumung wird teuer", hatte die linke Szene im Vorfeld des
       Großeinsatzes der Polizei gegen die Liebig 14 angekündigt. Und nachdem die
       Beamten am Mittwoch die letzten neun Bewohner aus dem alternativen
       Friedrichshainer Hausprojekt getragen hatten, machten Autonome Ernst. Eine
       Demonstration am Mittwochabend endete in gewalttätigen Ausschreitungen,
       Kleingruppen zogen randalierend durch die Stadt. Wie hoch der Schaden genau
       ist, lasse sich noch nicht beziffern, sagte Polizeipräsident Dieter
       Glietsch am Donnerstag. Er sei jedoch auf jeden Fall mehr kaputt gegangen
       als beim letzten 1. Mai.
       
       Fast durchweg schwarz gekleidet hatten sich am Abend rund 2.000 Linke am
       Boxhagener Platz versammelt. Weit kam ihre Demo nicht: Bereits an der
       Warschauer Straße stoppte die Polizei aufgrund von gezündeten Böllern den
       Zug. Die Autonomen reagierten mit Flaschenwürfen.
       
       Mehrere hundert Demonstranten zogen anschließend über die Mühlenstraße zum
       Ostbahnhof, bewarfen Banken, den Liegenschaftsfonds und die O2-Halle mit
       Steinen. Bei Kleingruppenaktionen gingen rund um die Warschauer Straße, die
       Karl-Marx- und Frankfurter Allee sowie den Boxhagener Platz zahlreiche
       Fensterscheiben, Werbetafeln und Ampeln zu Bruch, Baustellenmaterial wurde
       auf Fahrbahnen geworfen. Auch in Steglitz bewarfen 30 Vermummte Geschäfte
       in der Schlossstraße. Die Polizei trieb die Randalierer immer wieder
       auseinander, über Friedrichshain dröhnte ein Helikopter. Erst nach
       Mitternacht beruhigte sich die Lage.
       
       Eine Vielzahl von Gruppen sei mit "blinder Zerstörungswut" durch den Bezirk
       gezogen, sagte Polizeipräsident Glietsch am Tag danach. Die Aktionen der
       Kleingruppen seien für die Polizei nicht kalkulierbar und daher auch nicht
       zu verhindern gewesen. Es sei schon ein Erfolg, dass die Ausschreitungen
       weitgehend auf Friedrichshain begrenzt werden konnten, so Glietsch. Und
       dass es 40 Festnahmen gab.
       
       Die neun Menschen, die sich am Mittwoch in der Liebigstraße 14
       verbarrikadiert hatten und dann von der Polizei festgenommen worden waren,
       waren bis Donnerstagmittag alle wieder frei. Laut Polizei waren es neben
       vier Deutschen drei Italiener, ein Spanier und eine Französin. Ihnen wird
       Hausfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und schwere
       Körperverletzung vorgeworfen. Vier von ihnen seien bereits einschlägig
       polizeilich bekannt, so Glietsch.
       
       Auf dem politischen Parkett wurde die Randale einstimmig verurteilt. "In
       dieser Stadt ist Platz für vielfältige Lebensformen, aber nicht für
       Straftäter, die fremdes Eigentum beschädigen und andere Menschen
       angreifen", sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Sowohl die in der
       Liebig 14 Festgenommenen als auch gewaltbereite Demonstranten verdienten
       keine "falsche politische Sympathie".
       
       Die Grünen-Fraktionsspitze nannte die Krawalle "nicht hinnehmbar".
       Grünen-Innenexperte Benedikt Lux zeigte kein Verständnis für "die Randale
       mit Ankündigung". "Verdrängung aus der Innenstadt ist ein Thema, das alle
       angeht, aber nicht mit Gewalt gelöst werden kann."
       
       Die CDU forderte "politische, juristische und gesellschaftliche"
       Konsequenzen. "Die Randalierer müssen mit aller Härte strafrechtlich
       verfolgt werden und für die von ihnen verursachten Schäden aufkommen", so
       CDU-Fraktionschef Frank Henkel. Der CDU-Abgeordnete Kurt Wansner schoss
       auch gegen die Grünen: Deren Bezirksbürgermeister Franz Schulz müsse sofort
       zurücktreten, wegen dessen "unsäglicher Sympathiebekundungen für die
       Hausbesetzer".
       
       Auch in der linken Szene wurde die Nacht über diskutiert. Als "ungewöhnlich
       für Berliner Verhältnisse" bezeichnete ein stadtpolitischer Aktivist die
       Randale. "Es hat richtig geknallt." Der "Wutausbruch" sei dem
       Ohnmachtsgefühl gegenüber einem Rechtssystem geschuldet, das sich
       vornehmlich für Eigentümerinteressen einsetze - und einer Politik, die das
       Problem Mietverdrängung jahrelang ignoriert habe. Viele würden das längst
       selbst erfahren. "Die Liebig war da nur ein Symbol, bei dem viele einen
       Zusammenhang sehen", so der Aktivist. Gleichzeitig habe die Szene eine
       "klare Ansage" für künftige Verhandlungen mit Hausprojekten setzen wollen.
       
       Ein Autonomer räumt ein, dass die Liebig 14 in der Szene nicht nur
       wohlgelitten war. "Aber je weniger Häuser, desto höher ihre Symbolkraft."
       Viele "Neue" hätten sich Mittwoch beteiligt. "Das Thema Freiräume hat viele
       neu politisiert, es könnte eins der ganz großen Themen werden", so der
       Antifa-Aktivist. Die jetzige Militanz sei keine Episode, sondern Resultat
       einer sich zuspitzenden Entwicklung. "Die Liebig war da nur der Auslöser."
       
       Das Haus selbst wurde von der Polizei inzwischen an die Eigentümer
       übergeben, Sicherheitsleute trugen Sperrmüll aus dem Haus, rissen
       Transparente von der Fassade. "Mittwoch hat sich viel entladen, was sich
       lange angestaut hat", sagt Ex-Bewohner Jacob, der vom Nachbarhaus die
       Räumung beobachtete. Die öffentliche Akzeptanz für Militanz sei sicher
       begrenzt. "Aber was wir an kreativen Möglichkeiten haben, wird ja gerade
       massiv angegriffen." Vielleicht, sagt Jacob, sei die Liebig-Räumung ja ein
       Startsignal für eine ganze Anti-Gentrifizierungs-Bewegung.
       
       3 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) G. Asmuth
 (DIR) K. Litschko
       
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