# taz.de -- Kalkbrenner macht Frontunterhaltung: "Fette Beats" für Soldaten in Afghanistan
       
       > Der Berliner Techno-DJ Paul Kalkbrenner spielte in Afghanistan vor
       > deutschen Soldaten. Will die Bundeswehr damit Normalität demonstrieren?
       
 (IMG) Bild: Tarnanzüge und Knicklichter: Die deutschen Soldaten in Afghanistan tanzten zu Techno von Kalkbrenner.
       
       Der kurzhaarige Mann wirkt leicht zerstreut, wie er dauerlächelnd an der
       Kamera vorbeiblickt. Er steht in einer Halle mit Sandboden an seinem
       Mischpult, spricht ausweichend vom "Gerede über den Einsatz", äußert die
       Hoffnung, "dass alle bald und hoffentlich gesund wieder nach Hause kommen".
       
       Der Mann heißt Paul Kalkbrenner, ist gegenwärtig Deutschlands
       erfolgreichster Technoproduzent und hat soeben im afghanischen Camp Marmal
       einen Auftritt vor Bundeswehrsoldaten absolviert, die in ihren Tarnanzügen
       ausgelassen zu seiner Musik tanzten und "Knicklichter" schwenkten. Obwohl
       er im Jahr "ungefähr 300.000 Meilen" im Flieger zurücklege, sei die Reise
       nach Afghanistan doch "exciting" gewesen.
       
       Andere Formen der Öffentlichkeitsarbeit 
       
       Kalkbrenners Fronteinsatz wurde vom Einsatz-Kamera-Trupp der Bundeswehr
       dokumentiert und als [1][Videobeitrag] ins Netz gestellt. Andere Formen der
       Öffentlichkeitsarbeit oder Stellungnahmen, etwa von Kalkbrenners Management
       oder Label aus, gibt es bisher keine, in den klassischen Medien kam das
       Thema praktisch nicht vor. Die Kommentare in Blogs und Internetforen
       hingegen reichen von Unterstützung bis zu scharfer Ablehnung.
       
       "Bisher dachte man als Technoliebhaber immer, die Musik und der DJ und der
       Bass und die Beats könnten aufgrund einer gewissen Sperrigkeit, aufgrund
       des speziellen musikalischen Zuschnitts, nicht für solche Zwecke
       missbraucht werden", so der Kommentar eines Bloggers, der das
       Bundeswehrvideo auf seine Seite "[2][alrightokee.de]" gestellt hat.
       
       Sein doch arg enttäuschtes Fazit: "Paul Kalkbrenner ist Handelsreisender
       eines Sounds, der heute als musikalische Allzweckwaffe ebenso Abi-Partys
       wie Bundeswehrcamps beschallen kann. Techno ist Pop, und Pop zieht überall
       hin. Auch in den Krieg."
       
       Jede Musik ist eine Allzweckwaffe 
       
       Aber, wo ist das Problem dieses Bloggers? Glaubt der Autor allen Ernstes,
       bestimmte Musikformen könnten aufgrund ästhetischer Kriterien von
       politischer Vereinnahmung ausgeschlossen sein? Dem muss dann doch
       widersprochen werden. Jede Musik ist so gesehen Allzweckwaffe, je nach dem,
       in welchem Kontext sie eingesetzt wird. Daher macht es auch keinen
       Unterschied, ob man von Techno oder Pop spricht. Beide sind schlicht und
       einfach Musik und lassen sich als solche nahezu beliebig instrumentieren.
       Und Musik kann, wie spätestens seit Guantánamo bekannt, sogar als Waffe zu
       Folterzwecken missbraucht werden.
       
       Die eigentliche Frage lautet: Was ist davon zu halten, wenn ein geschätzter
       Musiker aus Deutschland freiwillig in Afghanistan vor Einsatzkräften der
       Bundeswehr spielt?
       
       Zunächst einmal darf man vermuten, dass die Bundeswehr Auftritte wie den
       Kalkbrenners nicht ausschließlich zur Aufmunterung der Soldaten inszeniert.
       
       Die armeeeigene Berichterstattung erweckt vielmehr den Eindruck, dass mit
       der Verwendung "cooler" Codes wie dem Titel "Fette Beats" zudem nach außen
       hin - also für eine Bevölkerung, die den Einsatz mehrheitlich ablehnt -
       Normalität demonstriert werden soll. Cooler wird der Einsatz dadurch aber
       noch lange nicht.
       
       Techno-Musiker mit klarer Position 
       
       Damit ist noch nichts zu der Frage gesagt, ob es legitim ist, dass Soldaten
       an der Front im Auftrag des Staats unterhalten werden. Nur wenn man den
       Einsatz politisch prinzipiell ablehnt, ist es nachvollziehbar, dass man den
       Einheiten am Hindukusch den Wunsch nach Zerstreuung streitig machen will.
       Entscheidend ist, ob man sich der politischen Haltung, die Künstler wie
       Kalkbrenner mit ihrem Engagement bekunden, anschließen will oder nicht, und
       weniger eine Neubewertung seiner Ästhetik.
       
       Denn obwohl beim Betrachten des Bundeswehrvideos der Eindruck entstehen
       könnte, der Musiker sei ohne klare Position in das Kriegsgebiet
       aufgebrochen und finde die Sache in erster Linie "exciting", muss er sich
       doch vorher zumindest überlegt haben, ob er da auch wirklich hinfahren
       will.
       
       Kalkbrenner selbst gibt gegenwärtig keine Interviews, sodass über seine
       Motive nur gemutmaßt werden kann. "Armselig, dieser Typ aus Leipzig",
       urteilt etwa ein User der Online-Community der Wochenzeitung Der Freitag
       über den Truppenbesuch Kalkbrenners. Eine Begründung wird dabei gar nicht
       eigens für nötig befunden.
       
       Doch macht man es sich mit einer Verdammung jeglicher künstlerischen
       Unterstützung des Afghanistaneinsatzes zu einfach. Ob der militärische
       Einsatz die erhoffte Stabilisierung des Landes bringen kann und sich die
       Taliban tatsächlich irgendwann besiegen lassen, bleibt zwar ungewiss. Dass
       aber bei einem sofortigen Rückzug die (nicht gerade als Musikliebhaber
       bekannten) Taliban wieder an die Macht kommen würden, dürfte höchst
       wahrscheinlich sein.
       
       Dass es unter Militärs und Zivilisten in jedem Fall weitere Tote geben
       wird, ist unstrittig. In einer so unsicheren Situation nach Afghanistan zu
       reisen, verdient daher allemal Respekt.
       
       Kalkbrenners Entscheidung signalisiert den Soldaten Unterstützung in einer
       unsicheren Situation. Auch wenn ein Großteil der Deutschen mit ihnen am
       liebsten nichts zu tun hätte und die Frage nach dem Sinn des dortigen
       Einsatzes, nicht gelöst ist.
       
       4 Feb 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=Ny_s9enQ3_M
 (DIR) [2] http://alrightokee.de/musik/paul-kalkbrenner-spielt-in-afghanistan/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tim Caspar Boehme
 (DIR) Tim Caspar Boehme
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Techno
       
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