# taz.de -- Revolution in Ägypten: Der schönste Tag ihres Lebens
       
       > Tags zuvor wollte Mubarak noch bleiben. Doch das Volk reagierte mit
       > weiteren Massenprotesten. Millionen gingen auf die Straße und erzwangen
       > seinen Rücktritt. Jetzt feiern sie ihre Revolution.
       
 (IMG) Bild: Voller Stolz lässt sich dieses ägyptische Kind in Kairo die Nationalfarben auf die Wangen malen.
       
       KAIRO taz/dapad/rtr | Nach beinahe 30 Jahren an der Macht ist Ägyptens
       Präsident Husni Mubarak am Freitagnachmittag von seinem Amt zurückgetreten.
       Den ganzen Tag über hatten sich Millionen auf dem Tahrir-Platz in Kairo wie
       auch in anderen Städten des Landes versammelt und Mubaraks Rücktritt
       gefordert. Auf dem Tahrir-Platz brach nach der offiziellen Mitteilung Jubel
       aus. "Das Volk hat das Regime gestürzt!", rief die Menge. Überwältigt von
       den Eindrücken fielen einige Demonstranten in Ohnmacht. Autokonvois fuhren
       hupend durch die Straßen.
       
       Der ägyptische Vizepräsident Omar Suleiman hatte zuvor im staatlichen
       Fernsehen erklärt, Mubarak sei zurückgetreten und habe die Führung des
       Landes in die Hände der Streitkräfte gelegt. "In dieser ernsten Situation,
       in der sich das Land befindet, hat Präsident Husni Mubarak beschlossen,
       sein Amt als Präsident der Republik abzugeben. Er hat den Obersten Rat der
       Streitkräfte beauftragt, die Staatsgeschäfte zu führen. Gott ist unser
       Beschützer und Retter." So die kurze Verlautbarung Suleimans. Nähere
       Angaben wurden nicht gemacht.
       
       Mubarak hatte sich kurz zuvor nach Angaben des staatlichen Fernsehens in
       den Badeort Scharm al-Scheich abgesetzt. Oppositionspolitiker und
       Friedensnobelpreisträger Mohammed al-Baradei sagte laut der britischen BBC:
       "Das ist der schönste Tag meines Lebens." Er geht von einer einjährigen
       Übergangsperiode zur Vorbereitung von Parlaments- und
       Präsidentschaftswahlen aus, in der die Armee und die Bevölkerung
       zusammenarbeiten. "Nach dreißig Jahren ist die Bevölkerung bereit, ein Jahr
       zu warten" sagte er gegenüber al-Dschasira. Die Muslimbrüder sprachen in
       einer Erklärung von einem Sieg für das ägyptische Volk. Das Hauptziel sei
       mit Mubaraks Sturz erreicht worden. Der zwischenzeitlich inhaftierte
       Internetaktivist und Google-Manager Wael Ghonim schrieb auf Twitter:
       "Glückwunsch, Ägypten! Der Verbrecher hat den Palast verlassen."
       
       Am Donnerstag hatten die Demonstranten stundenlang hoffnungsvoll auf eine
       Erklärung Mubaraks gewartet und waren dann enttäuscht worden. Der
       82-Jährige hatte seinen Rücktritt erneut abgelehnt. Dass Vizepräsident Omar
       Suleiman einen Teil der Vollmachten Mubaraks übernahm, ging der Opposition
       nicht weit genug.
       
       Am 18. Tag der Proteste gegen Mubarak waren deswegen auch am Freitag wieder
       mehr als eine Million Menschen im ganzen Land auf die Straße gegangen.
       Allein auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo, vor dem Präsidentenpalast
       und vor dem Staatsfernsehen hatten sich mehrere hunderttausend Menschen
       versammelt. Sie lehnten die Ankündigung von Mubarak vom Vorabend als nicht
       ausreichend ab und beharrten auf seinem sofortigen Rücktritt. Soldaten in
       Panzern beobachteten das Geschehen.
       
       Die Armee hatte am Vormittag zugesichert, die von Mubarak versprochenen
       Reformen wie freie und faire Wahlen umzusetzen, freilich ohne einen
       Zeitplan anzugeben. Außerdem werde der seit 30 Jahren bestehende Notstand
       aufgehoben, sobald dies die Lage zulasse. Friedliche Demonstranten hätten
       keine Strafverfolgung zu befürchten. "Das ist nicht unsere Forderung. Wir
       haben eine Forderung: dass Mubarak abtritt", rief einer der Demonstranten
       auf dem Tahrir-Platz. Andere skandierten: "Revolution, Revolution bis zum
       Sieg!", und sangen Protestlieder aus den 1960er Jahren. Die oppositionelle
       Muslimbruderschaft hatte vor der Erklärung der Armee zur Fortsetzung der
       Proteste aufgerufen. Die Weigerung Mubaraks, zurückzutreten, befeuerte die
       Wut der Demonstranten. Entsprechend schlug die Volksfeststimmung auf dem
       Tahrir-Platz in Sekundenschnelle in Ärger und Empörung der dort Anwesenden
       um.
       
       An diesem Abend waren einige tausend Demonstranten zum Fernsehgebäude an
       der Niluferstraße gezogen, unmittelbar nach der Ansprache Mubaraks. Das
       Gebäude wird von der Leibgarde des Präsidenten bewacht, die sich hinter
       Stacheldraht verschanzt hat. In Windeseile war ein Außenposten des
       Tahrir-Platzes entstanden, mit Zelten, Plastikplanen und einer
       improvisierten Krankenstation. "Lügner, Lügner, Lügner!", riefen die
       Menschen, "Hau ab, Mubarak!" und: "Stürzt das Regime!"
       
       Am Freitagmittag beteten die Gardisten auf der einen Seite des
       Stacheldrahts, die Demonstranten auf der anderen. Als die Gardisten
       anschließend wieder ihre Positionen einnahmen, schallte es ihnen entgegen:
       "Haut ab, haut ab, haut ab!"
       
       Bis zum Nachmittag sammelten sich dann bereits Zehntausende vor dem
       TV-Gebäude. Es kam zu einer etwas brenzligen Situation, als einige
       Demonstranten versuchten, den Stacheldraht einzureißen. Es gab ein
       regelrechtes Tauziehen. Daraufhin bildeten andere Demonstranten eine
       Menschenkette vor der Absperrung. Die Präsidialgarde verteilte Kisten mit
       Munition an die Besatzungen der Panzer, doch wenig später entspannte sich
       die Situation wieder.
       
       Auf dem Tahrir-Platz gab es erste Berichte von Desertionen. Am
       Donnerstagabend hatte ein Major der Armee seine Waffe abgegeben und war zu
       den Demonstranten übergelaufen. Er gab ein Interview nach dem anderen, in
       denen er den Rücktritt von Mubarak und von Vizepräsident Omar Suleiman
       forderte, und wird mittlerweile als eine Art inoffizieller Sprecher eines
       Teils der mittleren Ränge der Armee angesehen. Drei weitere Soldaten sollen
       übergelaufen sein.
       
       Wie sich inzwischen herausstellte, war auch die Staatssicherheit noch am
       Platz präsent. Dies zeigte ein Interview eines Jugendlichen mit arabischen
       Fernsehsendern. Ihm sei das Handy gestohlen worden, berichtete er.
       Daraufhin habe er seine eigene Nummer angerufen. Er sei aufgefordert
       worden, zum Eingang des Museums zu kommen, um sein Telefon abzuholen.
       
       Dort sei er von Einheiten der Staatssicherheit geschnappt und ins Museum
       geschleppt worden, wo er zusammengeschlagen worden sei. Danach hätten sie
       ihn laufen lassen. Dieser Vorfall zeigt, dass die Staatssicherheitskräfte
       in dem gut geschützten Museum Quartier bezogen haben und gegen
       Demonstranten vorgehen.
       
       Die Streitkräfte, aus deren Reihen seit sechs Jahrzehnten der Staatschef
       kommt, spielen in der Krisensituation eine Schlüsselrolle. Wegen der
       Weigerung Mubaraks, zurückzutreten, hatte es Spekulationen über einen
       Militärputsch gegeben.
       
       Mitarbeit: Karim El-Gawhary
       
       12 Feb 2011
       
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