# taz.de -- Hartz-IV-Reform: "Der Union war Überfrachtung recht"
       
       > Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband über strategische
       > Fehler der SPD. Und was es kosten würde, Arbeitslosen Kühlschränke extra
       > zu finanzieren.
       
 (IMG) Bild: Es geht um ein "menschenwürdiges Existenzminium für Kinder und Erwachsene", sagt Ulrich Schneider.
       
       taz: Herr Schneider, der Hartz-Kompromiss ist gescheitert, jetzt werden
       Manuela Schwesig und Ursula von der Leyen mit ihrer Profilierungssucht als
       Schuldige ausgemacht. Welche Bilanz ziehen Sie? 
       
       Ulrich Schneider: Ich kann bei Frau Schwesig keine Profilierungssucht
       erkennen. Es geht darum, ein menschenwürdiges Existenzminium für Kinder und
       Erwachsene zu definieren. Viele Sachverständige, die im Bundestag geredet
       haben, gehen aber davon aus, dass die Regierung die Vorgaben des
       Bundesverfassungsgerichts nicht eingehalten hat. Die Regierung aber hat vom
       ersten Moment an angekündigt, der Regelsatz sei kein
       Verhandlungsgegenstand. Damit war das gesamte Vermittlungsverfahren vom
       ersten Moment an ad absurdum geführt.
       
       Die Union betont, sie sei der Opposition entgegengekommen, beispielsweise
       bei der Ausweitung des Bildungspakets auf Geringverdienerfamilien. 
       
       Die Bundesregierung ist auf Feldern, die am Rande des Spielplatzes
       angesiedelt waren, der Opposition tatsächlich entgegengekommen. Aber die
       Kernfrage war: Wie halten wir es mit dem Regelsatz? Und da hat sich die
       Regierung keinen Millimeter bewegt.
       
       Aber die SPD hat sich auch wochenlang davor gedrückt, konkrete Zahlen zur
       Regelsatzerhöhung zu nennen. 
       
       Richtig ist, die SPD hätte früher eine Zahl nennen können. Richtig ist aber
       auch, sie hatte nicht alle Berechnungen, um es solide zu tun. Die
       Berechnungen wurden ja verlangt, aber vom Bundesarbeitsministerium nur
       zögerlich rausgerückt. Trotzdem hätte die SPD versuchweise eine Zahl nennen
       können, damit man weiß: über welche Hausnummer reden wir? Das hat die SPD
       nicht ganz glücklich gelöst.
       
       Hat die Union also ein Stück weit recht, wenn sie die Überfrachtung der
       Verhandlungen mit den Themen Leiharbeit oder Mindestlöhne beklagt? 
       
       Im Grunde genommen war es der Union doch total recht, dass die
       Verhandlungen überfrachtet waren. Hätte man die anderen Themen nicht
       gehabt, dann hätte man der Opposition in der Frage der Regelsatzes
       entgegenkommen müssen.
       
       Es war also ein strategischer Fehler der SPD, das Thema so anzugehen? 
       
       Das könnte man so sehen.
       
       Jetzt heißt es, einmalige Leistungen wie Waschmaschinen oder Kühlschränke
       könnten neben dem Regelsatz künftig extra bezahlt werden. 
       
       Das ist hoch vernünftig und wird von uns schon lange gefordert.
       
       Allerdings sickerte in den vergangenen Tagen durch, dafür könnte es rund
       500.000 Euro jährlich geben. 
       
       Das allerdings ist ein Witz. Dann kann man es gleich wieder bleiben lassen.
       Wir rechnen für solche Anschaffungen mit Ausgaben von etwa 350 Euro pro
       Jahr und Erwachsenem. Dann wäre man schnell über einer Milliarde Euro. Es
       sind also ganz andere Beträge nötig.
       
       Was erwarten Sie von einem neuen Vermittlungsverfahren? 
       
       Wir haben gesehen, wie sich die drei Ministerpräsidenten Horst Seehofer,
       Wolfgang Böhmer und Kurt Beck als die besseren Verhandler inszeniert haben.
       Aber zwei der Ministerpräsidenten stehen im Wahlkampf, ein Versprechen,
       dass man sich rasch einigt, ist da einfach gegeben. Der Teufel aber steckt
       im Detail.
       
       Sie sind nicht optimistisch, dass man sich rasch einigt? 
       
       Nein, denn die Materie ist sehr schwierig, und nach wie vor hat die SPD
       damit zu kämpfen, dass nach ihren eigenen Aussagen das Ganze nicht
       verfassungskonform ist. Also stellt sich die Frage: Will die SPD am Ende
       einem Kompromiss zustimmen, der nach ihrer eigenen Bewertung nicht
       verfassungskonform sein kann? Und: Sollte sie den Kompromiss trotzdem
       mittragen, wird sie dann so konsequent sein, eine Normenkontrollklage in
       Karlsruhe anzustrengen, um den eigenen Kompromiss auch untersuchen zu
       lassen? Das wäre die logische und folgerichtige Konsequenz.
       
       15 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Völpel
       
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