# taz.de -- "Berlinale goes Kiez": Migrationsdebatte kann auch lustig sein
       
       > Yasemin Samderelis Komödie "Almanya - Willkommen in Deutschland" (außer
       > Konkurrenz) über eine türkische Gastarbeiterfamilie lief auf einer
       > Kiezvorführung in Neukölln.
       
 (IMG) Bild: "Was sind wir denn jetzt, Türken oder Deutsche?", fragt der kleine Cenk (Rafael Koussouris) wütend. Eine Antwort hat keiner.
       
       Eine U-Bahn-Fuhre Menschen strömt zum Passage Kino. Und stoppt kollektiv
       ab. Ein roter Teppich liegt zwischen ihnen und dem Kinoeingang. Die
       Neuköllner Karl-Marx-Straße ist keine Gegend, in der einem irgendwelche
       Teppiche ausgerollt werden - erst recht keine roten. Außer an diesem Abend,
       an dem die Reihe "Berlinale goes Kiez" hier gastiert, also Festivalfilme in
       kleinen Kiezkinos gezeigt werden. Wer dafür Tickets ergattern konnte, lässt
       sich von ein bisschen Teppich nicht abschrecken.
       
       Passend zum migrationshintergründigen Kiez läuft "Almanya", eine Komödie
       über eine türkische Gastarbeiterfamilie in Deutschland. Zur Premiere am
       Samstagabend im Berlinale-Palast kam Islam-gehört-zu-Deutschland-Präsident
       Christian Wulff, sogar die schwer zu unterhaltenden Filmkritiker sollen
       gelacht haben. Ins Neuköllner Kino sind viele mittelschichtige
       Eckbrillenträger gekommen, nur ein einziges grünes Kopftuch leuchtet in der
       Menge.
       
       Während am Verkaufsschalter noch Haribo und Bier gekauft werden, steht die
       Filmcrew schon mal gruppiert um Regisseurin Yasemin Samdereli, eine
       Mittdreißigerin im schwarzen Kapuzenpullover, und ihre Schwester und
       Mitdrehbuchautorin Nesrin. Sie heben die Migrantenquote, lassen sich
       knipsen, versprechen einer Kolumbianerin ihre Sitzplätze im Kino. Kein
       überkandidelter Starschnickschnack, entspannte Berliner Schnoddrigkeit.
       
       Dieses Jahr seien die Filmfestspiele der Geschwister, kündigt ein Mann im
       Sakko den Film an. Erst der Eröffnungsfilm von den Coen-Brüdern und jetzt
       das Spielfilmdebüt von den Samdereli-Schwestern. Das Publikum lacht. Und
       wird die nächsten 97 Minuten kaum mehr aufhören.
       
       "Almanya", das ist ein Film, der gut tut. Obwohl die Geschichte des
       einemillionundersten deutschen Gastarbeiters Hüseyin Yilmaz und seiner
       Familie eigentlich denkbar simpel ist. Doch im Jahr nach angestrengten
       Sarrazin-Debatten erzählen die türkischstämmigen Schwestern Samdereli mit
       befreiendem Witz, wie es ist, fremd und neu und anders zu sein in diesem
       komischen Ort namens Deutschland. In dem die Männer keine Schnauzbärte
       tragen, die Müllabfuhr pünktlich kommt und rattenartige Hunde an Schnüren
       spazierengeführt werden. Natürlich wird dabei häufig tief in die
       Klischeekiste gegriffen - doch auch das wird dank schlauer Drehbuchkniffe
       und rasantem Erzähltempo nie peinlich.
       
       Gleichzeitig schafft es der Film, große Fragen der aktuellen
       Integrationsdebatte anzusprechen. "Was sind wir denn jetzt, Türken oder
       Deutsche?", fragt der kleine Cenk irgendwann wütend, weil er nicht mehr
       durchblickt. Eine Antwort hat keiner. Stattdessen erzählt ihm seine Cousine
       die lange Familiensaga. Das Publikum im Kinosaal ist gut amüsiert von dem
       sympathisch-schrulligen Yilmaz-Clan und seiner Reise in die Türkei. Johlt,
       als der Opa seine Enkelin fragt, warum der Vater ihres Babys nicht
       wenigstens Deutscher sein kann - aber doch bitte kein Engländer! Als die
       Oma von ihren türkischen Freundinnen vor der Abreise nach Deutschland
       Wäsche geschenkt bekommt, denn "die Deutschen sind doch so dreckig". Und
       als sich ihr kleiner Sohn von einem türkischen Freund Horrorgeschichten
       darüber anhören muss, wie in Deutschland sonntags in der Kirche
       Menschenfleisch gegessen wird.
       
       Unverpackte Geschenke unter einem mickrigen Weihnachtsbaum - das hätten sie
       und ihre Schwester selbst zu Hause erlebt, sagt Yasemin Samdereli, als sie
       mit Schwester und einer Handvoll Darsteller nach dem Film vor dem roten
       Kino-Samtvorhang dem Publikum Rede und Antwort steht. Genauso wie viele
       andere Details in dem Film. Sie erzählt, wie sie acht Jahre lang dafür
       kämpfen mussten, um die Finanzierung für diesen Film zusammenzubekommen.
       
       In der internationalen Presse habe gestanden, was "Goodbye, Lenin" für die
       Ostdeutschen war, das sei "Almanya" für die türkischstämmigen Migranten,
       sagt der Mann im Sakko. Das ist Yasemin Samdereli etwas unangenehm. Sie
       windet sich, schüttelt etwas von ihrem üppigen schwarzen Haar ins Gesicht
       und sagt: "Da kann ich mit leben."
       
       16 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Meike Laaff
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