# taz.de -- Reaktionen auf Folter in der Justiz: 15 Jahre Isolationshaft
       
       > Unter unmenschlichen Bedingungen wird ein Gefangener in Niedersachsen
       > festgehalten. Kriminologen und Politiker sprechen von Folter.
       
 (IMG) Bild: In der JVA Celle wurde der Gefangene Günther Finneisen unter unmenschlichen Bedingungen weggesperrt.
       
       BERLIN taz | Die Behandlung des Gefangenen Günther Finneisen sei
       "zweifellos unmenschlich und damit nach Artikel 3 der Europäischen
       Menschenrechtskonvention der Folter gleichgestellt", kritisiert der
       renommierte Kriminologe und Strafrechtler Johannes Feest.
       
       Die taz hatte am vergangenen Donnerstag über den Fall berichtet. Der
       Gefangene wird seit über 15 Jahren von anderen Inhaftierten in einem
       Hochsicherheitstrakt in der Justizvollzugsanstalt Celle in Niedersachsen
       isoliert. Im zuständigen Justizministerium sollen die harschen
       Haftbedingungen mit der extremen Gefährlichkeit des Inhaftierten begründet
       werden, heißt es aus dem Umfeld.
       
       1979 soll Finneisen wegen einer Vergewaltigung zu einer langjährigen
       Haftstrafe verurteilt worden sein. Er sei, heißt es, ein extremer
       Einzelfall und hätte sich über Jahre geweigert, sich von einem Psychiater
       begutachten zu lassen. Auch hätte er jeglichen Kontakt mit Bediensteten
       stets abgelehnt.
       
       Der Bundestagsabgeordnete und Justiziar der Linkspartei-Fraktion, Wolfgang
       Neskovic, ist überzeugt: "Eine so lange soziale Isolation kann nur darauf
       angelegt sein, die Persönlichkeit zu zerstören." Für ihn stelle der Fall
       "das erschreckendste Beispiel eines verfassungswidrigen Verwahrvollzuges
       dar, der mir bislang bekannt geworden ist."
       
       Der ehemalige niedersächsische Justizminister und Kriminologe Christian
       Pfeiffer sagt: "Mir war nicht bekannt, dass einzelne Gefangene über einen
       so langen Zeitraum so untergebracht werden." Allerdings bewerte er die
       "extreme Isolation nicht als Einbahnstraße, sondern als Folge, dass der
       Gefangene konsequent die Kommunikation verweigert hat".
       
       Die Direktorin des Instituts für Sanktionenrecht und Kriminologie der
       Universität Kiel, Monika Frommel, sagt: "Das ist ein Fall von Folter." Sie
       fordert nun, dass die Behörde sofort eine Lockerung der Haftbedingungen
       einleiten müsse. Nach taz-Informationen wird derzeit an einem Gutachten auf
       Basis der Aktenlage gearbeitet. Für eine Lockerung ist ein Beurteilung der
       Gefährlichkeit maßgeblich.
       
       Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele sagt, es gebe keinerlei
       Legitimation für eine so lange Inhaftierung in Einzelhaft. "Es gibt keinen
       Grund, der das rechtfertigt." Es handele sich klar "um eine
       Menschenrechtsverletzung". "Das ist Folter", meint Ströbele. Um
       vergleichbare Fälle zu verhindern, fordert Linke-Abgeordneter Neskovic
       künftig "kurzfristigere gerichtliche Überprüfungsfristen unter
       obligatorischer Beiordnung eines Strafverteidigers". Auch in den
       Grundsätzen des Antifolterkomitees des Europarats heißt es, dass die
       "Unterbringungsentscheidungen regelmäßig überprüft werden" müssten.
       
       Der ehemalige Leiter der Abteilung Justizvollzug in Sachsen, Harald
       Preusker, kritisiert in diesem Fall, dass die Haftbedingungen, "nichts als
       primitive Rache darstellen". Dies bleibe auch dann ungesetzlich, "wenn der
       Gefangene den Staat noch so herausfordert". Und Kriminologe Feest
       befürchtet, "es wird solche Fälle geben, solange die Hochsicherheitstrakte
       nicht abgerissen sind".
       
       2 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai Schlieter
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Freiheit nach fast 16 Jahren Einzelhaft: Finneisens Festabgang
       
       Nun ist er draußen, endlich. Seine Strafe hat Günther Finneisen ganz
       abgesessen, rund 16 Jahre davon streng isoliert. Wie kommt so einer zurecht
       im neuen Leben?
       
 (DIR) Nach Berichterstattung der "taz": Gefangener aus Isolation entlassen
       
       Ein Gutachten bescheinigt einem Gefangenen nach 16 Jahren Isolationshaft
       seine Ungefährlichkeit. Die "taz" hatte den Fall öffentlich gemacht.
       
 (DIR) Isolationshaft in Deutschland: Lebendig begraben
       
       Kein Geräusch. Kein Gespräch. Keine Berührung. Kein Leben. Bald 16 Jahre
       verbringt Günther Finneisen im Isolationstrakt der JVA Celle. Ein Besuch
       hinter Panzerglas.
       
 (DIR) Folter in Hollands Psychiatrie: Drei Jahre wie ein Tier gehalten
       
       Ein Video löst in Holland Empörung aus. Es zeigt einen jungen Mann mit
       geistiger Behinderung, der in seiner Zelle mit einer Leine an die Wand
       gekettet ist.