# taz.de -- Bei menschenunwürdiger Unterbringung: Häftlinge im Zweifel entlassen
       
       > Zwei Gefangene auf acht Quadratmetern – solche Haftbedingungen verstoßen
       > gegen die Menschenwürde. Der Beschluss des Verfassungsgerichts ist ob
       > eines Nebensatzes brisant.
       
 (IMG) Bild: Sind die Haftbedingungen menschenunwürdig, steht notfalls eine Entlassung an.
       
       FREIBURG taz | Ein Häftling aus Nordrhein-Westfalen hat gute Chancen, für
       seine menschenunwürdige Haftsituation eine Entschädigung zu bekommen. Das
       Bundesverfassungsgericht hob jetzt einen Beschluss des Kölner Landgerichts
       auf, das dem Häftling nicht einmal Prozesskostenhilfe gewähren wollte.
       
       Dass die Unterbringung in zu kleinen und schlecht belüfteten Zellen die
       Menschenwürde von Häftlingen verletzt, ist nicht neu. Die
       Oberlandesgerichte und der Bundesgerichtshof (BGH) halten eine
       Mindestfläche von 6 bis 7 Quadratmeter pro Häftling für unabdingbar.
       Außerdem müsse die Toilette räumlich abgetrennt und separat entlüftet
       werden. Ein bloßer Sichtschutz genüge nicht. Haftanstalten kommen dem oft
       nicht nach.
       
       Der nun klagende Häftling machte geltend, dass er 2007 in den Gefängnissen
       von Köln und Hagen fast ein halbes Jahr lang menschenunwürdig untergebracht
       war. So habe er sich eine 8 Quadratmeter große Zelle jeweils mit einem
       Mithäftling teilen müssen. Seine Mitgefangenen seien jeweils starke Raucher
       gewesen und hätten sich nur zweimal in der Woche duschen dürfen. Die
       Toilette war nur durch einen Sichtschutz abgetrennt. In den Zellen habe ein
       unerträglicher Geruch aus Rauch, Körperausdünstungen und Toilettengestank
       geherrscht, dem er meist 23 Stunden am Tag ausgesetzt war.
       
       Mehrfach hatte der Gefangene bei der Anstaltsleitung eine Einzelzelle
       beantragt, was aber mit Verweis auf die Überbelegung der Vollzugsanstalten
       abgelehnt worden war. Er wurde nur auf eine Warteliste gesetzt.
       
       Als Reaktion wollte der Mann deshalb das Land Nordrhein-Westfalen auf
       Schadenersatz verklagen. Doch das Landgericht Köln verweigerte dem Häftling
       schon die für ihn erforderliche Prozesskostenhilfe, weil eine
       Amtshaftungsklage keine Aussicht auf Erfolg habe.
       
       Diesen Beschluss vom August 2008 hob eine Kammer des
       Bundesverfassungsgerichts nun auf. Das Landgericht sei von der
       Rechtsprechung des BGH abgewichen und habe zudem schwierige Rechtsfragen
       gleich selbst entschieden. Beides sei in einem Verfahren um die Gewährung
       von Prozesskostenhilfe unzulässig. Der Kläger sei daher in seinem Recht auf
       "Rechtsschutzgleichheit" verletzt. Arme Kläger müssten die gleichen Chancen
       auf eine Prüfung ihrer Klage haben wie Kläger, die selbst einen Anwalt
       bezahlen können.
       
       Das Landgericht hatte argumentiert, dass der Häftling an der Fortdauer
       seiner Haftsituation selbst schuld sei, weil er nicht auf Verlegung in eine
       Einzelzelle geklagt hatte. Das ließ Karlsruhe aber nicht gelten. Der Mann
       habe mehrere Fälle angeführt, bei denen Häftlinge trotz gerichtlicher
       Anordnung keine Einzelzelle erhalten hatten, weil einfach kein Platz zur
       Verfügung stand.
       
       Außerdem hatte das Landgericht auf ein BGH-Urteil von 2004 verwiesen,
       wonach die Verletzung der Menschenwürde nicht stets zu einer
       Geldentschädigung führen müsse. Auch diesen Hinweis fanden die
       Verfassungsrichter nicht überzeugend. In dem BGH-Fall sei um eine
       Zellensituation von nur zwei Tagen gestritten worden, während es nun um ein
       halbes Jahr menschenunwürdige Unterbringung gehe.
       
       Das Landgericht Köln muss nun neu entscheiden. Der Mann dürfte gute
       Aussichten nicht nur auf Prozesskostenhilfe, sondern auch auf ein
       Schmerzensgeld von einigen tausend Euro haben.
       
       In Nordrhein-Westfalen sind 200 ähnliche Klagen anhängig. Rund 150
       Verfahren sind rechtskräftig abgeschlossen, dabei hatten die Kläger in nur
       rund 40 Fällen Erfolg. In 450 Verfahren sind Vergleiche geschlossen worden.
       (Az.: 1 BvR 409/09)
       
       9 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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