# taz.de -- Zusammenfassung – Lage an Japans AKWs: Drei Reaktoren außer Kontrolle
       
       > Am AKW Fukushima I sind drei Reaktoren außer Kontrolle, zwei haben einen
       > Riss im Druckbehälter. Außerdem brannten mehrfach gebrauchte Brennstäbe
       > im Block 4. Ein Überblick.
       
 (IMG) Bild: Vom Block 2 geht die größte Gefahr aus: Dampf über dem Reaktorblock um 6.10 Uhr (Ortszeit) am Dienstagmorgen.
       
       Den Live-Ticker zur Lage in Japan [1][finden Sie hier].
       
       BERLIN/TOKIO taz/dapd (letztes Update: Do, 18.45 Uhr) | Seit dem Ausfall
       von Stromversorgung und Kühlsystemen in Folge des verheerenden Erdbebens
       und Tsunamis kämpft Japan gegen einen drohenden Super-GAU.
       
       Für drei Kernkraftwerke mit Siedewasserreaktoren nordöstlich von Tokio
       wurde der atomare Notstand ausgerufen. Betroffen sind zehn Reaktorblöcke:
       vier im AKW Fukushima-Daiichi (I), drei in Fukushima-Daini (II) und drei in
       Onagawa. Kritisch ist die Lage nur am AKW Fukushima I.
       
       ## AKW Fukushima I (Daiichi)
       
       Hier droht die wesentliche Gefahr, das AKW Fukushima I ist längst nicht
       mehr unter Kontrolle. Stattdessen versuchen die Rettungskräfte, das
       Schlimmste zu verhindern. Seit Donnerstagfrüh ist auch das Militär im
       Einsatz. Auf Grund der erhöhten Radioaktivität am Kraftwerk wurden
       inzwischen die meisten Arbeiter abgezogen. Nur noch 50 sind da, und selbst
       die mussten am Mittwoch für eine Stunde komplett abgezogen werden, als die
       Strahlungswerte zwischendurch stark anstiegen.
       
       Konkret sind vier Blöcke von weiteren Kernschmelzen bedroht. Bei zweien,
       Block 2 und Block 3, sind inzwischen die Reaktordruckbehälter Leck
       geschlagen, also die letzte Barriere zwischen den Brennstäben und der
       Umgebung.
       
       Jetzt werden alle Hoffnungen auf ein neues Starkstromkabel gesetzt. Mit
       Hilfe der Leitung sollen die Kühlpumpen der Reaktoren wieder in Gang
       gesetzt und damit das Schlimmste verhindert werden. Techniker begannen am
       Donnerstag damit, die etwa 1.000 Meter lange Verbindung zu knüpfen, die
       nach Angaben der Betreibergesellschaft Tepco in der Nacht stehen soll. Ob
       dann die Pumpen anspringen werden, ist noch ungewiss.
       
       Block 1: Einige Uran-Pellets sind bereits geschmolzen. Um eine komplette
       Kernschmelze abzuwenden, wurde zur Druckentlastung im Reaktorbehälter Dampf
       abgelassen. Das führte am Samstag bereits zu einer Wasserstoffexplosion,
       die die Gebäudehülle weitgehend zerstörte. Der Reaktorbehälter soll intakt
       geblieben sein. Weil herkömmliche Kühlmethoden versagten, werden große
       Mengen Meerwasser eingeleitet, um den erheblich überhitzten Kern auf
       niedrigere Temperatur zu bringen.
       
       Block 2: Dort ist die Kühlung ausgefallen. Die Brennstäbe lagen mindestens
       zwei Mal völlig frei. Die Einleitung von Meerwasser scheiterte an einem
       verklemmten Ventil, so dass versucht wurde, den Reaktorbehälter von oben
       mit kaltem Wasser zu besprühen. Am frühen Dienstagmorgen gegen 6:10 Uhr
       Ortszeit gab es ein sehr lautes Geräusch, von dem unklar ist, ob es
       wirklich von einer Explosion hervorgerufen wurde. Offenbar ist dabei ein
       Riss im Reaktordruckbehälter entstanden. Es wird angenommen, dass ein Teil
       des Reaktorkerns bereits geschmolzen ist. Hier droht derzeit eine komplette
       Kernschmelze.
       
       Block 3: Auch hier gab es aus denselben Gründen wie bei Block 1 am Montag
       eine Wasserstoffexplosion, die Wände und Decke des Reaktorgebäudes
       zerstörte. Vermutlich wurde Strahlung freigesetzt. Kühlung mit Meerwasser.
       Auch hier teilweise Kernschmelze. Am Mittwoch stieg außerdem Dampf aus dem
       Reaktor auf. Zunächst wurde vermutet, dass durch weitere Überhitzung der
       Brennstäbe und dem daraus folgenden Durckaufbau der Reaktordruckbehälter
       Leck geschlagen habe. Regierungsspreche Edano sagte am Mittwochabend
       (Ortszeit) aber, größere Schäden am Druckbehälter seien "unwahrscheinlich.
       
       Seit Donnerstagfrüh werfen Armeehubschrauber Tonnen von Wasser über dem
       Reaktor ab.
       
       Block 4: Er war zur Zeit der Naturkatastrophe wegen Wartungsarbeiten
       abgeschaltet. Der Reaktor selbst ist leer: Die Brennstoffstäbe befinden
       sich in dem Abklingbecken. Befürchet wird, dass in dem Becken kein oder nur
       noch wenig Wasser vorhanden ist. Am Dienstagmorgen brach in dem Gebäude mit
       dem Becken Nr. 4 ein Brand aus. Eine Explosion riss ein großes Loch in die
       Gebäudewand. Ursache ist vermutlich die Nachzerfallswärme und die defekte
       Kühlung. Da durch den radioaktiven Zerfall in dem Kernbrennstoff noch eine
       enorme Wärme produziert wird, die nicht mehr abgeführt werden kann, heizen
       sich die Brennstäbe immer weiter auf. Mittwoch brannte es dort erneut.
       Dabei ist die Reaktorhalle stark beschädigt worden. Zwei Mitarbeiter werden
       seitdem vermisst.
       
       Es drohe ein "sehr bedeutender" Austritt von Radioaktivität, sollte es
       nicht binnen zwei Tagen gelingen, das Wasserniveau in dem Becken für
       gebrauchte Brennstäbe anzuheben, warnte das französische Institut für
       Atomsicherheit IRSN. Da sich die Brennstäbe in dem Abklingbecken dann
       "quasi an der freien Luft" befänden, würde die Strahlung so hoch sein, dass
       jeder weitere Einsatz in der Anlage unmöglich würde.
       
       Nach Einschätzung der französischen Atomaufsicht könnten sich die
       Brennstäbe selbst entzünden, sollte es nicht gelingen, die Kühlung wieder
       in Gang zu setzen. Zunächst sollten Militärhelikopter eingesetzt werden, um
       Wasser in das Becken nachzufüllen. Nachdem dieser Einsatz jedoch wegen der
       hohen Strahlung abgesagt werden musste, sollte ein Wasserwerfer der Polizei
       eingesetzt werden, wie der Fernsehsender NHK berichtete. Auch dieser
       Versuch musste aufgrund der hohen Strahlung abgebrochen werden. Bis
       Donnerstagabend konnte die Situation immer noch nicht verbessert werden.
       
       Block 5 und Block 6: Er war zur Zeit des Erdbebens und Tsunamis
       abgeschaltet. Seit Donnerstagmorgen steigen hier in den jeweiligen
       Abklingbecken die Wassertemperaturen an.
       
       ## AKW Fukushima II (Daini)
       
       An drei von vier Reaktorblöcken war die Kühlung ausgefallen (Block 1, 2 und
       4). Die Stromversorgung von außen blieb erhalten, doch versagten
       Anlagenteile und der Druck in den Reaktorbehältern stieg zwischenzeitlich
       an. Inzwischen sind alle drei nach Angaben der Betreiber kalt abgeschaltet,
       also außer Gefahr.
       
       ## AKW Onagawa
       
       An den Blöcken 1, 2 und 3 waren erhöhte Strahlungswerte gemessen worden,
       die aber wieder fielen. Die japanischen Behörden vermuten daher, dass sie
       auf die Freisetzungen vom AKW Fukushima I zurückgingen.
       
       16 Mar 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /1/zukunft/umwelt/artikel/1/liveticker-japan/
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fukushima
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Japan-Ticker vom 17.3.2011: Stromkabel an Reaktor angelegt
       
       Die japanische Selbstverteidigungsarmee bespritzt die Reaktoren 2 und 3 des
       AKW Fukushima I mit Wasser, um es zu kühlen. An Reaktor 2 ist gelungen, ein
       externes Stromkabel anzulegen.
       
 (DIR) Abklingbecken in Fukushima I: Gefahrenquelle Restwärme
       
       Defekte Pumpen und fehlendes Kühlwasser können bei den verbrauchten
       Brennstäben im Akw Fukushima I eine atomare Kettenreaktion auslösen.
       
 (DIR) Atomunfall in Japan: Große Show mit wenig Worten
       
       Die Informationspolitik der Japaner sorgt zunehmend für Ärger. Sogar aus
       den USA kommt Kritik wegen mangelhafter und widersprüchlicher Meldungen.
       
 (DIR) Importe aus Japan: Sojasoße ist unbedenklich
       
       In Deutschland nimmt die Sorge vor erhöhten Strahlenwerten zu. Doch noch
       sind keine radioaktiv belasteten Lebensmittel aus Japan angekommen.
       
 (DIR) Katastrophe in Japan: AKW-Arbeiter kehren zurück
       
       Das japanische Katastrophen-AKW gleicht nach Explosionen und Bränden einem
       gigantischen Schrottplatz. Kaiser Akihito wendet sich erstmals ans Volk.
       Weiterhin Kritik an Informationspolitik.
       
 (DIR) Bemühen um Gegenöffentlichkeit im Netz: Die eisernen Anti-Anti-Atom-Kämpfer
       
       Alarmismus bekriegen sie, hinter der Atom-Debatte sehen sie nichts als
       Machtpolitik: Eine Gruppe deutschsprachiger Publizisten schwimmt gegen den
       Strom.
       
 (DIR) Streit der Woche: Ist die Atomkraft jetzt am Ende?
       
       Die Bedrohung durch das japanische Atomkraftwerk Fukushima ist groß. Angela
       Merkel verspricht derweil, die sieben ältesten deutschen Meiler vom Netz zu
       nehmen.