# taz.de -- AKW Biblis geht vom Netz: Das Ende der Abhängigkeit
       
       > Jahrzehnte war die hessische Gemeinde Biblis vom AKW abhängig. Jetzt geht
       > der Meiler wohl vorläufig vom Netz. Nur die Lokalpolitik hofft auf ein
       > Comeback.
       
 (IMG) Bild: 800 Störfälle gab es seit der Inbetriebnahme Mitte der 1970er Jahre: Biblis A und B.
       
       BIBLIS taz | Schwarze Sicherheitsmänner mit scharfen Hunden patrouillieren
       um das Atomkraftwerk Biblis. Vor dem Haupttor, auf den Parkplätzen, am Zaun
       und selbst noch auf den Feldwegen rund um die beiden Meiler. 800 Störfälle
       gab es laut Bundesamt für Strahlenschutz seit der Inbetriebnahme Mitte der
       1970er Jahre. Damit führt Biblis die Hitliste der deutschen Pannenreaktoren
       an. Block B ist wegen Jahresrevision schon vom Netz, am Freitag soll Block
       A heruntergefahren werden.
       
       Die uniformierten Bewacher sind nicht etwa zur Gefahrenabwehr vor Ort, sie
       halten nicht nach möglichen Terroristen Ausschau. Sie sollen stattdessen
       verhindern, dass sich erneut Demonstranten an das schwere Stahlgittertor
       vor dem Kraftwerksgelände ketten.
       
       So wie es am Montagnachmittag geschehen war, als die Anti-AKW-Aktivistin
       Hanna Poddig mit einem Mitstreiter gegen den Weiterbetrieb des Meilers
       protestierte. Auf ihren Transparenten stand: "Fukushima ist überall!" Und:
       "Stilllegen sofort, sonst knallts!"
       
       In Biblis haben immer mehr Menschen plötzlich Verständnis für solche
       Aktionen. Natürlich mache man sich jetzt nach den fürchterlichen
       Ereignissen in Japan so seine Gedanken, sagt am Mittwochnachmittag etwa
       eine Frau Mitte dreißig vor der Kirche in der Ortsmitte der Atomgemeinde.
       Auch die Japaner hätten schließlich den Beteuerungen ihrer Politiker und
       Kraftwerksbetreiber geglaubt, wonach "alles sicher" sei.
       
       "Ja, ja, todsicher!", mischt sich eine jugendlich aussehende Frau mit
       Palästinenserschal ein. Dann sagt sie noch, dass sie schon lange grün
       wähle. Dass Biblis aber "grüne Diaspora" sei und es auch noch "für lange
       Zeit" bleiben werde.
       
       ## Überall in der Region finden Mahnwachen statt
       
       Fast jeder dritte Einwohner von Biblis lebt direkt oder indirekt über
       Familienbande von RWE. Und auch die Kommune profitiert - etwa über
       Gewerbesteuern. RWE sponsert die jährliche Wahl der Gurkenkönigin. Und
       Kommunalpolitiker berichten noch heute von sagenhaften "Informationsreisen"
       auf Kosten der Atomstromer.
       
       Die parteilose atomfreundliche Bürgermeisterin Hildegard Cornelius-Gaus
       hält denn auch einen vollständigen Ausstieg aus der Atomenergie weiter für
       "unrealistisch". Ganz im Sinne von RWE-Boss Jürgen Grossmann, der fest
       daran glaubt, dass die Atomenergie "auch noch in 80 Jahren von uns genutzt"
       werde. Bei einer Onlineumfrage einer Regionalzeitung in dieser Woche
       sprachen sich allerdings mehr als 90 Prozent der Leserinnen und Leser für
       die sofortige Stilllegung von Biblis A und B aus. Und überall in der Region
       fanden Mahnwachen statt.
       
       ## Block A dürfte endgültig erledigt sein
       
       Nach dem GAU im fernen Fukushima starren jetzt auch die Protagonisten der
       Atomparteien CDU und FDP in Biblis, im Kreis Bergstraße und in den
       Nachbarkreisen Groß-Gerau und Darmstadt wie gebannt auf die Kommunalwahl am
       übernächsten Sonntag.
       
       Selbst beinharte Kernenergiebefürworter wie etwa der frühere hessische
       Umweltminister Klaus-Jürgen Hoffie (FDP), der in Biblis einen Block C und
       in Nordhessen eine Wiederaufbereitungsanlage bauen lassen wollte, begrüßen
       jetzt die "vorübergehende Abschaltung" der Blöcke A und B. Und er räumt
       plötzlich auch ein - ganz entgegen seiner früheren Behauptungen -, "dass
       ein Flugzeugabsturz oder ein terroristischer Angriff auf das Kraftwerk
       nicht gänzlich ausgeschlossen" werden könne.
       
       Der Block A, dessen Betonhülle weder ein schweres Erdbeben noch einen
       gezielten Terrorschlag aus der Luft mit einem Jet aushält, dürfte endgültig
       erledigt sein. Das weiß man auch bei der CDU und den Liberalen in Hessen.
       Und auch Block B wird wohl nicht mehr ans Netz gehen, weil es keine
       verbunkerte externe Notstandswarte gibt, von der aus der Reaktor bei einem
       großen Störfall noch gesteuert werden könnte.
       
       Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW ließ bereits verlautbaren, dass
       die beiden Böcke in Biblis "sicherheitstechnisch voneinander abhängig"
       seien. Die unmissverständliche Konklusion daraus: Wer A sagt, muss auch B
       sagen.
       
       18 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Peter Klingelschmitt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
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