# taz.de -- Volkszählung in Indien: Immer weniger Mädchen
       
       > Besorgniserregend: Zahlen belegen, dass trotz des Verbots pränataler
       > Geschlechtsbestimmung die selektive Abtreibung weiblicher Föten in Indien
       > zunimmt.
       
 (IMG) Bild: Mädchen in Chittagong. Der Anteil weiblichen Nachwuchses an der Gesamtbevölkerung sinkt.
       
       DELHI taz | Nun ist es amtlich: In Indien geht der Anteil der weiblichen
       Bevölkerung immer weiter zurück. Nach den vorläufigen Daten der neuesten
       und bisher 15. Volkszählung, die am Donnerstag veröffentlicht wurden,
       kommen auf 1.000 Jungen unter sechs Jahren nur noch 914 Mädchen im gleichen
       Alter. Trotz großflächiger Anzeigen, Kampagnen und dem Verbot der
       pränatalen Geschlechtsbestimmung hat das inzwischen über 1,21 Milliarden
       Einwohner zählende Land den Trend nicht stoppen können. Im Gegenteil: Das
       ohnehin bereits verzerrte Geschlechterverhältnis hat sich in den
       vergangenen zehn Jahren weiter zu Ungunsten der Frauen verschlechtert,
       obwohl Indiens Wirtschaft in dieser Zeit im Rekordtempo gewachsen und das
       Land insgesamt reicher geworden ist. 2001 hatte die Quote noch 927 Mädchen
       zu 1.000 Jungen betragen.
       
       Weltweit werden mehr Mädchen als Jungen geboren, doch die Vorliebe für
       männliche Nachkommen hat in Ländern wie Indien, China, Südkorea oder
       Vietnam das jeweils dortige Verhältnis umgekehrt. "Das ist ein Anlass zu
       großer Sorge", sagte der Zensus-Beauftragte der indischen Regierung, C.
       Chandramauli.
       
       Die Erhebung zeigt, wie tief nach wie vor in Indien die Geringschätzung von
       Mädchen und Frauen kulturell verankert ist. Indien schneidet auch bei der
       Lebenserwartung und der Gesundheit von Frauen schlecht ab. Die Mütter- und
       Kindersterblichkeit sind hoch. Zudem ist die Tötung von Mädchen nach der
       Geburt und auch die selektive Abtreibung weiblicher Föten weit verbreitet.
       
       Zwar verbietet das Gesetz den Ärzten in Indien, Eltern das Geschlecht des
       Babys während der Schwangerschaft mitzuteilen. Doch unter der Hand wird
       diese - oft mit Korruption verbundene - Praxis weiterbetrieben, wie auch
       die neuesten Daten nahelegen. Kritiker meinen, dass die pränatale
       Geschlechtsselektion in Indien mit wachsendem Wohlstand sogar weiter
       zugenommen hat, weil sich jetzt mehr Eltern eine Ultraschall-Untersuchung
       leisten können. Zudem ist die Technologie zur Geschlechtsbestimmung
       inzwischen auch auf dem Lande verfügbar. Die renommierte Medizinzeitschrift
       The Lancet publizierte 2006 eine Schätzung, wonach in Indien in den letzten
       20 Jahren rund 10 Millionen Mädchen abgetrieben wurden.
       
       Laut dem jetzigen Zensus wuchs Indiens Gesamtbevölkerung in der letzten
       Dekade um 181 Millionen Menschen und damit um 17,6 Prozent. In der Dekade
       davor war sie noch um 21,5 Prozent gewachsen.
       
       31 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Agnes Tandler
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Menschenrechtsverletzungen in Indien: Windpark im Regenwald
       
       Im Wildschutzgebiet Bhimashankar entspringen fast alle großen Flüsse
       Südindiens, die Artenvielfalt ist riesig. Jetzt wird Regenwald zerstört –
       für Windenergie.
       
 (DIR) Kampf gegen Korruption in Indien: Der neue Gandhi
       
       Der Bürgerrechtler Anna Hazare mobilisiert gegen die ausufernde Korruption.
       Innerhalb weniger Tage gewann er zehntausende Anhänger.
       
 (DIR) Volkszählung auf indisch: Ein Milliardenvolk wird digitalisiert
       
       Am Montag endet die weltweit ambitionierteste Volkszählung. Die Daten
       sollen bei der Korruptionsbekämpfung helfen. Kritik gibt es für die Abfrage
       der Kastenzugehörigkeit.