# taz.de -- Warten auf den FDP-Putsch: Westerwelles Dämmerung
       
       > Wird er gegangen oder hält er durch? Die Westerwelle-Gegner in der FDP
       > scheinen die Überhand zu gewinnen. Doch der Chef lässt sich nicht
       > drängen.
       
 (IMG) Bild: Während FDP-Chef Guido Westerwelle in seiner Funktion als Außenminister in China eine Ausstellung eröffnet, wird in der Heimat an seiner Demontage gearbeitet.
       
       BERLIN taz | Die Ära Westerwelle geht zu Ende. Nach den jüngst verlorenen
       Landtagswahlen melden sich immer mehr FDP-Funktionäre aus der ersten und
       zweiten Reihe, die unverhüllt den Rücktritt des Parteichefs verlangen. Nun
       scheint der 49-Jährige dem Druck nachzugeben. Aus FDP-Kreisen verlautete,
       bereits in der Präsidiumssitzung am kommenden Montag könnte er seinen
       Rückzug vom Parteivorsitz ankündigen. Am Auch ein Umbau der gesamten
       Parteiführung wird immer wahrscheinlicher. Am Freitagnachmittag hieß es
       jedoch von einem Vertrauten Westerwelles, der Parteichef halte sich alles
       offen. Es gebe bislang "weder eine Entscheidung noch eine Vorentscheidung",
       so der Vertraute. Westerwelle werde eine so wichtige Frage nicht auf einer
       Asien-Reise klären.
       
       Der Außenminister, derzeit auf Chinareise, soll sich anders lautenden
       Meldungen zum Verzicht auf den Parteivorsitz bereit erklärt haben.
       Westerwelle wolle aber auf jeden Fall das Ministeramt behalten. Bislang
       lehnte er die Trennung von Partei- und Regierungsamt mit der Begründung ab,
       nur so könne er der Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel auf Augenhöhe
       begegnen.
       
       Doch die jüngsten Niederlagen bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt,
       Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben den enormen Druck auf
       Westerwelle noch einmal steigen lassen. Aus Bund und Ländern häufen sich
       die Rücktrittsforderungen an den seit zehn Jahren amtierenden Parteichef.
       Doch mit einem Machtverzicht Westerwelles ist es aus Sicht parteiinterner
       Kritiker nicht getan.
       
       Offen fordert der Vorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Lasse Becker,
       einen raschen Radikalumbau an der Parteispitze. "Wir brauchen mehr als eine
       einzige Personalentscheidung", sagte Becker der taz. "Das Gesamttableau
       muss stimmen, dazu gehören Inhalte und Personal. Da kann das Präsidium am
       Montag erste Schritte einleiten."
       
       Am Montagvormittag tritt das wichtigste Parteigremium in Berlin zusammen.
       Seine 15 Mitglieder sollen über Konsequenzen aus der Dauerkrise der FDP
       beraten. Ursprünglich war geplant, erst bei einem Treffen von Präsidium,
       Bundesvorstand und Landesvorsitzenden eine Woche später über
       Personalvorschläge für den Bundesparteitag Mitte Mai zu sprechen. Doch der
       Unmut in der Partei und der öffentliche Druck sind zu groß geworden, um
       weiter zu warten.
       
       ## Auch Rainer Brüderle muss bangen
       
       Zuletzt forderten nicht nur ehemalige FDP-Größen wie Expartei- und
       Fraktionschef Wolfgang Gerhardt personelle Konsequenzen. Auch die
       angeschlagene Fraktionschefin im Bundestag, Birgit Homburger, sagt: "Wir
       müssen alles auf den Prüfstand stellen, sowohl inhaltlich wie politisch."
       Sich selbst nimmt die baden-württembergische Landeschefin jedoch aus -
       trotz der verlorenen Landtagswahl in ihrem Heimatland.
       
       Gegen Westerwelle wendet sich auch der große bayerische Landesverband.
       Dessen Chefin ist Bundesjustizministerin Sabine
       Leutheusser-Schnarrenberger. Ihre Mitstreiter bringen sie als mögliche
       Nachfolgerin des Parteichefs ins Gespräch. Doch die große Mehrheit in der
       Partei steht weiter rechts als die linksliberale Bayerin.
       
       Neben Westerwelle muss vor allem der Bundeswirtschaftsminister um seine
       Macht bangen. JuLi-Chef Becker urteilt: "Jemand, der so irreparabel
       beschädigt ist wie Rainer Brüderle, kann nicht wieder Teil der
       Führungsspitze von Koalition und Partei werden."
       
       Bei einzelnen Personalentscheidungen soll es nicht bleiben. "Der
       Bundesvorstand ist derzeit häufig ein Labergremium", sagt Becker. "Wir
       müssen ihn verschlanken und schlagkräftiger machen, anstatt dort nur über
       die allgemeine politische Lage zu diskutieren."
       
       Westerwelle hat wiederholt erklärt, er sei zum Rücktritt bereit, wenn ein
       geeigneter Bewerber für den Chefposten antrete. An diesem Punkt könnte die
       Palastrevolution vorerst scheitern, denn die potenziellen Nachfolger zieren
       sich noch. Dazu zählt Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. Der
       niedersächsische FDP-Chef verwies am Freitag lediglich auf das Treffen der
       gesamten Parteiführung am 11. April.
       
       ## Lindner und Rösler scheuen den Putsch
       
       Ein weiterer Westerwelle-Nachfolger könnte Christian Lindner sein. Doch wie
       der 38-jährige Rösler gilt auch der 32-jährige Generalsekretär als
       politisch noch zu unerfahren, um die Partei zu führen. Zudem sind beide
       politische Zöglinge Westerwelles und scheuen sich, gegen ihren Förderer zu
       putschen.
       
       Dennoch verlautete aus Fraktionskreisen, es werde eifrig an einem
       Personalwechsel gearbeitet. Bis zum Montag könnten Vorschläge auf dem Tisch
       des Präsidiums liegen. Die dritte Nachwuchshoffnung der FDP, Daniel Bahr,
       erklärte sibyllinisch: "Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und
       arbeiten alle gemeinsam an einer Teamlösung." Bahr ist zudem Vorsitzender
       des mächtigen NRW-Landesverbands und enger Vertrauter Röslers und Lindners.
       
       Rösler gilt als Liebling der Basis. Viele FDPler trauen ihm zu, ihre
       politischen Ziele sympathischer zu präsentieren als der polarisierende
       Westerwelle. Kritiker wie JuLi-Chef Becker bemängeln zudem, die FDP habe in
       der Koalition "zu wenige Inhalte durchgesetzt. Die Abschaffung der
       Wehrpflicht war unser einziger größerer Erfolg. Das ist eine verheerende
       Bilanz."
       
       Doch ob Westerwelles Sturz daran etwas ändern wird, ist unklar. Die Partei
       ist programmatisch erschöpft. Ihr zentrales Wahlkampfversprechen, eine
       große Steuerreform, musste sie angesichts von Weltfinanz- und
       Wirtschaftskrise bereits vor einem Jahr aufgeben. Neue Ziele sind nicht in
       Sicht.
       
       Generalsekretär Lindner arbeitet derzeit zwar an einem Grundsatzprogramm,
       das im kommenden Jahr die extrem wirtschaftsfreundlichen "Wiesbadener
       Grundsätze" von 1997 ablösen soll. Doch Zeit bleibt jetzt weder Lindner
       noch der FDP.
       
       1 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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