# taz.de -- Interview über Spiele für Sehbehinderte: "Ein sprechendes Menü ist sehr wichtig"
> Sebastian Dellit von Blindzeln.de über Computerspiele für blinde Menschen
> – welche Genres es gibt, was Programmierer besser machen können, und die
> Entwicklungen im Mobile-Games-Bereich.
(IMG) Bild: Farbenfrohes Audio Game: "Aurifi" für Smartphones.
taz.de: Herr Dellit, Ihr Projekt [1][Blindzeln.de] betreibt eine Datenbank
und ein Forum, um sehbehinderten Spielern Tipps zu geben, wie sie an neue
Game-Ware herankommen. Wie viele barrierefreie Games gibt es inzwischen?
Sebastian Dellit: Das ist, um ehrlich zu sein, schwer einzuschätzen. Wir
haben auf unserer Website über 100 Spiele gelistet, doch ist die Liste bei
weitem nicht vollständig. In unregelmäßigen Abständen werden neue Spiele
auf der Website vorgestellt und in der Mailingliste diskutiert.
Hat sich die Situation in den letzten Jahren verbessert?
Leider nur geringfügig, da derartige Audio-Games letztlich ein
Nischenprodukt sind und sich verhältnismäßig wenige Entwickler an ein
solches Projekt trauen. Große Spieleschmieden, wie beispielsweise EA Games,
wurden auch schon aktiv bezüglich der Entwicklung solcher Spiele
angesprochen, doch getan hat sich hier leider nichts. Es gibt ein paar
Mainstream-Titel, die zufällig teilweise oder vollständig von Blinden
spielbar sind, wie beispielsweise "Wer wird Millionär" ab der zweiten
Episode, "POP" oder "You don't know Jack" – aber das sind leider Ausnahmen.
Wie erlebt ein Sehbehinderter beispielsweise ein Actionspiel, wenn es
ordentlich barrierefrei gestaltet ist?
Letztlich gibt es zwei Varianten von Spielen: sogenannte Audiogames, bei
denen alle relevanten Elemente akustisch dargestellt werden und
textbasierte Spiele. Davon gibt es eigentlich sogar viele, da es viele
[2][Multi-User-Dungeon-] und Text-Adventures gibt. Audio-Games werden
hingegen speziell für Blinde entwickelt und sind eben, im Verhältnis zu
"normalen" Spielen, selten. Die erste Hürde bei einem Mainstream-Titel ist
das Menü. Sobald man das Spiel gestartet hat, gibt es keine Möglichkeit,
das Spiel zu erfassen. Ein sprechendes Menü ist somit sehr wichtig, denn
sonst ist der Start des eigentlichen Spiels nur im "Blindflug" möglich.
Dann kommt es auf das Sounddesign an: Werden Gegner akustisch dargestellt?
Ist es möglich, nur anhand der Geräusche zu erkennen, ob sich ein
Gegenstand in der Nähe befindet? Beispielsweise hört man bei
"Counterstrike" anhand der Schritte, ob ein Gegner in unmittelbarer Nähe
ist, nur leider sind die Möglichkeiten, Wände zu erkennen, nicht gegeben.
Ich habe kläglich verloren, als ich das Spiel in einem Netzwerk spielen
wollte.
Es wird heutzutage natürlich immer mehr Wert auf fesselnden Sound gelegt,
nur wird der Blinde als potentieller Spieler nicht berücksichtigt, somit
gehen die Überlegungen nicht weit genug.
Gibt es Genregrenzen?
Inzwischen gibt es für so ziemlich jedes Genre ein Audio-Game: Autorennen,
Jump'n'Run, Panzerspiele, Flugzeugsimulationen und viele mehr. Und auch
Strategiespiele wie "Warcraft" oder Shooter wie "Quake" gehören dazu.
"Quake" wurde vor einigen Jahren durch ein findiges Entwicklerteam
adaptiert und unter dem Namen "AudioQuake" veröffentlicht. Die normale
Engine wurde hierbei um die für Blinde nötige Akustik ergänzt. "SoundRTS"
erinnert an "Warcraft", ist jedoch keine Adaptierung, sondern eine
eigenständige Entwicklung. "DOOM" wurde ebenfalls als reines Audio-Game
komplett neu entwickelt.
Wie könnten Spielehersteller Games barrierefreier gestalten?
Sie sollten selbstsprechende Menüs einbauen und für das Spiel wichtige
Informationen in Form von Sound umsetzen. Sogar Sehende sind von Spielen,
die auch über das Gehör zu spielen sind, begeistert, da es sich hierbei um
ein völlig neues Spieleerlebnis handelt.
Menschen haben die unterschiedlichsten Behinderungen. Wo sind Spiele
besser, wo schlechter angepasst?
Bisher kenne ich aus eigener Erfahrung nur Spiele für Blinde und vereinzelt
auch welche für Hörgeschädigte. Sofern keine Mehrfachbehinderung – in Form
einer Hör- und Sehbehinderung – vorliegt, können viele Behindertengruppen
auf die normalen Spiele zurückgreifen. Für Taubstumme ist das Angebot der
Spiele noch geringer, als das für Blinde selbst. Eine Einschätzung über
Spiele für Körperbehinderte kann ich leider nicht geben, ich vermute
jedoch, dass die Betroffenen in vielen Fällen mit Einschränkung auch auf
normale Spiele zurückgreifen können.
Interessieren sich Sehbinderte auch für mobile Spiele?
Eindeutig ja! Lange Zeit war das Symbian-Betriebssystem das einzige für
Blinde zugängliche Handy-Betriebssystem. Die Auswahl an Spielen für Blinde
ist hier jedoch sehr gering. Inzwischen können auch iPhone und Co. mit dem
iOS-Betriebssystem von Blinden genutzt werden, da Apple selbst die
Bedienungshilfen, wie zum Beispiel einen Screenreader, mitliefert. Auch auf
Windows und Android basierende Mobiltelefone können von Blinden bedient
werden, wenngleich die Entwicklung bei Android noch eher in den
Kinderschuhen steckt.
Interessanterweise musste ich feststellen, dass das Angebot von Spielen für
Blinde auf den iOS-Systemen bereits jetzt größer ist, als das für Symbian
all die Jahre war. Manche Entwickler haben sich direkt an Audio-Games
versucht und sind damit auch erfolgreich, etwa mit "Aurifi" und "Papa
Sangre". Andere entwickelten Spiele, die eher textbasiert sind und mit
VoiceOver, dem Screenreader für iOS, bedient werden können.
Wie barrierefrei sind Games für Smartphones und Tablets sonst?
Wenn ich das iOS als Beispiel nehme, dann wird durch die
Entwicklungsumgebung von Apple bereits eine große Hilfe an die Hand
gegeben, barrierefreie Spiele zu programmieren. Durch verschiedene
Accessibility-Features kann jedem Element eine für VoiceOver zugängliche
Beschriftung verpasst werden, was dann dazu führt, dass das Spiel
grundsätzlich zugänglicher ist. Ein barrierefreies Menü entsteht somit
unter Umständen einfach durch Zufall.
Der Entwickler von "Mobile Aquarium" hat beispielsweise mit großer
Wahrscheinlichkeit nicht an Blinde gedacht, als er sein Spiel entwarf – es
ist aber – mit wenigen Einschränkungen – bedienbar. Die Entwickler von
"Formel 1 Spirit" haben das Spiel selbst barrierefrei gestalten können, da
auch der Sehende sich auf die Akustik verlassen muss. Das Menü selbst ist
jedoch noch eine Hürde, obgleich mir zugesichert wurde, das Anpassungen
erfolgen werden.
Apple wird, Sie hatten es erwähnt, dafür gelobt, dass sich die
Touchscreen-Oberfläche seiner Geräte auch von Sehbehinderten bedienen
lässt, die vorher auf Spezialhardware angewiesen waren. Wird diese Technik
mittlerweile günstiger?
Die Technik selbst vielleicht nicht, aber die Software. Bei Apples Geräten
ist inzwischen der Screenreader fester Bestandteil und Apple selbst legt
großen Wert darauf, dass die eigenen Entwicklungen auch vollständig
bedienbar sind. Eine Anschaffung teurer Screenreader ist somit nicht nötig.
Bei anderen Betriebssystemen wie beispielsweise Symbian ist das Handy unter
Umständen günstiger, die Hilfsmittelsoftware selbst kostet jedoch
zusätzlich noch mehrere hundert Euro.
4 Apr 2011
## LINKS
(DIR) [1] http://www.blindzeln.de/
(DIR) [2] http://de.wikipedia.org/wiki/MUD
## AUTOREN
(DIR) Ben Schwan
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