# taz.de -- Schiffsbruch vor Lampedusa: 150 Flüchtlinge ertrunken
       
       > Bei einem schweren Sturm ist ein Boot aus Tunesien mit 200 Flüchtlingen
       > gekentert. In Italien streiten sich die Regionen über die Aufnahme der
       > tunesischen Immigranten.
       
 (IMG) Bild: In den vergangenen Wochen sind etwa 20.000 Menschen aus Tunesien nach Lampedusa geflohen.
       
       ROM taz | Womöglich 150 Tote forderte ein Schiffsunglück, das sich in der
       Nacht zum Mittwoch etwa 70 Kilometer vor Lampedusa ereignete. Italienische
       Retter konnten 48 Menschen aus den Fluten bergen, für die anderen besteht
       kaum Hoffnung auf Überleben.
       
       Von dem Schiff, das wahrscheinlich von Libyen aus in See gestochen war, war
       über Satellitentelefon ein Notruf nach Malta herausgegangen, daraufhin
       hatten sich auf Bitten der maltesischen Behörden von Lampedusa aus zwei
       Patrouillenschiffe und ein Hubschrauber aufgemacht. Das Flüchtlingsboot
       kenterte in schwerer See um vier Uhr früh, als das erste Rettungsschiff
       versuchte, Flüchtlinge an Bord zu nehmen, womöglich weil die Menschen in
       Panik auf eine Seite des Bootes drängten und es so zum Kentern brachten.
       
       Am Mittwoch Vormittag sichtete ein Helikopter 20 im Meer treibende Leichen.
       Ihre Bergung ebenso wie die Suche nach Überlebenden gestaltet sich jedoch
       angesichts des hohen Wellengangs und starken Windes sehr schwierig.
       
       Zugleich hielt der Flüchtlingszustrom auf Lampedusa weiter an. In der Nacht
       von Dienstag auf Mittwoch kamen 351 Menschen an – damit hielten sich wieder
       etwa 1.500 Flüchtlinge auf der Insel auf, nachdem die italienische
       Regierung bis zum Montag das Gros der oft unter verheerenden Bedingungen
       dort campierenden Tunesier endlich in Übergangslager auf Sizilien und dem
       Festland geschafft hatte.
       
       ## 
       
       Allerdings gibt sich Italiens Regierung überzeugt, dem weiteren Zustrom von
       Bootsflüchtlingen wenigstens aus Tunesien dank eines am Dienstag zwischen
       Innenminister Roberto Maroni und der tunesischen Regierung geschlossenen
       Abkommens Einhalt gebieten zu können. Italien zeigt sich mit dem allerdings
       bloß als "Protokoll" eingestuften Abkommen bereit, den seit Januar übers
       Mittelmeer gekommenen gut 20.000 Tunesiern eine Aufenthaltserlaubnis zu
       geben.
       
       Das aus humanitären Gründen gewährte Bleiberecht ist zunächst auf sechs
       Monate begrenzt, kann aber verlängert werden. Ausgenommen sollen nur
       diejenigen bleiben, die vorher schon einmal in Italien straffällig geworden
       oder ausgewiesen worden waren.
       
       Im Gegenzug, so Innenminister Roberto Maroni, werden in Zukunft alle aus
       Tunesien illegal Einreisenden – diesen Status haben die meisten
       Bootsflüchtlinge, da kaum einer von ihnen Asyl beantragt – umgehend von
       Italien abgewiesen und nach Tunesien zurückgeschafft. Die Regierung in
       Tunis, die von einer schnellen Rücknahme ihrer bisher nach Italien
       gelangten Bürger nichts wissen wollte, habe dieser Regelung zugestimmt, so
       Maroni. Zugleich habe Tunesien sich verpflichtet, in Zukunft die Versuche
       zu unterbinden, von den dortigen Küsten Flüchtlinge nach Italien zu
       bringen.
       
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       Zudem stellt Italien den tunesischen Behörden Ausrüstungshilfe in Aussicht:
       Sechs Patrouillenboote sowie zehn Geländewagen sollen geliefert werden. Das
       Ansinnen, gemeinsame italienisch-tunesische Patrouillen auf hoher See zu
       organisieren, wie Italien sie bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs mit
       Gaddafis Libyen erfolgreich durchführte, lehnte Tunis dagegen ab.
       
       "Den Wasserhahn zudrehen und die Wanne leer machen" – auf diese Formel
       hatte Umberto Bossi, Chef der rassistisch-populistischen Lega Nord, den
       Kurs gebracht, den er sich von der Regierung Berlusconi wünschte. In den
       letzten Tagen hatten sich die Auseinandersetzungen zwischen Italiens
       Regionen über die Aufnahme der tunesischen Immigranten deutlich verschärft.
       
       Vor allem die Regionen des Nordens – die Lombardei, Piemont, das Veneto –,
       in denen die Lega Nord Regierungspartner ist, weigerten sich bisher strikt,
       auf ihrem Territorium Sammellager einzurichten. Zugleich revoltierten zum
       Beispiel die Bürger im süditalienischen Städtchen Manduria dagegen, dass
       bei ihnen ein Zeltlager mit 1.700 Menschen belegt wurde.
       
       ## 
       
       Dem Ziel der "leeren Badewanne" glaubt sich jetzt der Innenminister und
       Lega-Nord-Parteifreund Maroni ein gutes Stück näher. Denn einerseits hofft
       er, den Zustrom von Süden einzudämmen. Andererseits setzt er unverhohlen
       darauf, die jetzt legalisierten Flüchtlinge Richtung Norden loszuwerden.
       Hätten sie erst einmal Aufenthaltspapiere, dann könnten sie ja "nach
       Frankreich oder Deutschland weiterreisen", heißt es aus Regierungskreisen
       in Rom.
       
       Schon bisher praktizierte Italien faktisch diese Linie: Die
       Flüchtlingslager wurden sehr lasch bewacht, so dass schon einige tausend
       Tunesier von dort entwichen und sich auf den Weg in die Grenzstadt
       Ventimiglia machten, um von dort nach Frankreich zu gelangen. Auch in
       Ventimiglia mussten sie nicht mit Kontrollen italienischer Beamter rechnen.
       
       Doch ob die Wanne dann wirklich leer ist, wird sich noch zeigen müssen.
       Selbst wenn das Abkommen mit Tunesien greift, kommen schon jetzt zahlreiche
       Boote aus Libyen – und ihre Insassen sind kaum abzuweisen, da sie in der
       großen Mehrheit vom Horn von Afrika stammen.
       
       6 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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