# taz.de -- Lage in Fukushima-Daiichi: 140.000-fach über dem Grenzwert
       
       > Am Reaktorstandort wurden weitere Notstandsmaßnahmen eingeleitet. Eine
       > Abdeckung des AKW wird frühestens ab September wirksam sein.
       
 (IMG) Bild: Bereitet weiter Sorgen: Fukushima Daiichi.
       
       BERLIN taz | Die eigentlichen Reparaturarbeiten an den Reaktoren gehen auch
       in absehbarer Zeit nicht los, weil Notmaßnahmen gegen sonstige Gefahren
       Vorrang haben. Am Donnerstag musste Stickstoffgas in den Reaktorblock 1
       gepumpt werden, um eine neuerliche Explosion zu vermeiden.
       
       Der nicht explosive Stickstoff soll offensichtlich Wasserstoff- und
       Sauerstoffgas aus dem Rreaktordruckbehälter verdrängen. Die beiden
       letzteren Gase können in einer Knallgasexplosion miteinander reagieren, was
       schon zu mehreren Detonatinen bei den Fukushima-Reaktoren geführt hat.
       
       Die Brennstäbe im Reaktor ragten zur Hälfte aus dem Kühlwasser, so das
       Betreiberunternehmen Tepco. Dadurch erhitzen sich die Stäbe und reagieren
       mit Wasser und Luft, es ensteht die Knallgasmischung. Man werde den Versuch
       noch sechs Tage lang durchführen und dann eventuell auf die Reaktoren 2 und
       3 ausdehnen.
       
       Tepco gesteht unterdessen ein, dass auch nach dem Stopfen eines Loches die
       Radioaktivität im Meerwasser vor den Reaktoren laut Messungen vom Mittwoch
       um das 140.000-fache über dem gesetzlichen Grenzwert liegt. Am Dienstag
       hatte die Aktivität allerdings noch beim Doppelten gelegen.
       
       Tepco pumpt bis Freitag radioaktives Wasser aus Becken innerhalb der
       Reaktoren in die Bucht, um Platz für das hochradioaktive Wasser zu
       schaffen, das aus den Reaktorkreisläufen sickert und vor allem in den
       Turbinenhäusern bei den Reparaturarbeiten stört. Diese Becken reichen aber
       bei Weitem nicht aus.
       
       Deshalb werden Behelftanks auf das Reaktorgelände gestellt, laut der
       deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) mit einer Kapazität von
       etwa 60.000 Kubikmetern. Ein schwimmender Tank wird aus der Nähe von Tokio
       in die Bucht verlegt und soll 18.000 Kubikmeter fassen, der Rest soll dann
       in Tankschiffen der US-Streitkräfte gebunkert werden.
       
       Da es sich bei der Radioaktivität des Wassers vor allem um Betasstrahlen
       handelt, tritt relativ wenig davon aus den mit Wassern gefüllten Tanks aus
       - solange das Wasser in den Tanks und Schiffen bleibt. Das Umpumpen und die
       Prüfungen der Reaktortanks auf Risse dauern Tage, wenn nicht Wochen.
       
       ## Verseuchte Algen
       
       Weiterhin tritt ständig Radioaktivität aus den Reaktoren in die Atmosphäre
       aus. Die Reaktorgebäude 1 bis 4 sollen deshalb provisorisch mit einer Folie
       abgedichtet werden. "Mit den Arbeiten zur Abdichtung und Abdeckung der
       Reaktorgebäude von Block 1-4 mit Folie", so am Donnerstag die GRS, "könnte
       entsprechend der Baufirma frühestens im Juni begonnen werden." Die als
       kurzfristig gedachte Maßnahme könne damit erst ab September in Kraft
       treten.
       
       Über die Folgen der radioaktiven Einleitungen ins Meer gibt es inzwischen
       genauere Abschätzungen. Nach einer Analyse der Strömungen ist auch ein
       ansehlicher Teil der strahlenden Partikel entlang der Küste verteilt
       worden. Die Gesamtmenge der in die See abgegebenen des Jahrzehnte wirksamen
       Isotops Cäsium-137 sei nach drei Wochen schon bei etwa einem Zehntel der
       britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield angelangt, errechnet die
       GRS. Sellafield an der irischen See galt über 20 Jahre hinweg in den 70ern
       und 80ern als der größte Verschmutzer im Bereich der zivilen
       Atomkraftnutzung.
       
       Die in der japanischen Küche beliebten Algen dürften zumindest aus der
       Bucht von Fukushima für eine Weile nicht genießbar sein. Schätzungen der
       GRS ergeben erhebliche Gefahren: Bei einem Verzehr von lediglich 100 Gramm
       Rotalgen würde sich demnach eine effektive Dosis von 2,2 Millisievert
       ergeben. Das entspricht der 20-fachen Jahresdosis, der ein Mensch
       zusätzlich zur natürlichen Belastung maximal ausgesetzt sein sollte. Wer
       die Jod anreichernden Braunalgen (Kombu) äße, wäre sogar der 200-fachen
       Jahresdosis ausgesetzt nach nur einer Mahlzeit.
       
       7 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Metzger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Erdbeben, Tsunami, Atomunglück: Japans Angst
       
       Das schwere Nachbeben und die Katastrophe von Fukushima hat die Bürger in
       Japan traumatisiert – doch ihre Panik und Aufregung schlägt noch immer
       nicht um in Wut.
       
 (DIR) Französisches Atomkraftwerk: Erneut Panne in Fessenheim
       
       Am Sonntag hat es in dem elsässischen AKW einen Störfall gegeben. Die
       Umweltorganisation BUND berichtet, deutsche Messstellen hätten danach
       erhöhte Strahlenwerte gemessen.
       
 (DIR) Kongress 25 Jahre Tschernobyl: Verdrängt, vertuscht, verharmlost
       
       Die internationalen Atomorganisationen verharmlosen und leugnen bis heute
       die Folgen der Katastrophe von Tschernobyl. Nicht mehr als 50 Tote sollen
       es nach deren Zahlen sein.
       
 (DIR) Nach erneutem Erdbeben in Japan: Warnung vor Tsunami aufgehoben
       
       Ein Beben mit der Stärke 7,4 hat erneut den Nordosten Japans erschüttert.
       Die Tsunami-Warnung ist inzwischen aufgehoben, am AKW Fukushima sollen
       keine weiteren Schäden entstanden sein.
       
 (DIR) EU-Kommission nach Fukushima: Neue Grenzwerte für Japan-Importe
       
       Die EU-Kommission plant schärfere Grenzwerte für die radioaktive Belastung
       von Lebensmitteln aus Japan. Der Vorschlag der Behörde bezieht sich jedoch
       nur auf den aktuellen Fall.
       
 (DIR) AKW Fukushima: Ruine mit Restrisiko
       
       Das Leck im AKW-Abfluss von Fukushima ist dicht. Aber es drohen Explosionen
       und Kettenreaktionen – und bis zu 200.000 zusätzliche Krebserkrankungen.
       
 (DIR) Havariertes AKW Fukushima: Mehr Strahlung, weniger Information
       
       Das Meer ist stärker verseucht als angenommen. Die Reaktoren strahlen so
       stark, dass sich die Helfer nicht mehr herantrauen. Und die Wetterbehörde
       hält Daten zurück.