# taz.de -- Neue Umfragewerte: Grüne machen Wahlkampf spannend
> In der neuesten Umfrage liegen die Grünen erstmals seit November wieder
> vor der SPD. Klaus Wowereit ist bei den Wählern allerdings noch deutlich
> beliebter als Renate Künast.
(IMG) Bild: Würde gerne auf dem Trittbrett von Winfried Kretschmann triumphal ins Rote Rathaus einfahren: Renate Künast.
Während die neue Grünen-Landesspitze sich in Sachen Volkspartei uneins ist,
füllt ihre Partei den Begriff zumindest zahlenmäßig wieder deutlich aus. In
der jüngsten Meinungsumfrage kommen die Grünen auf 28 Prozent und liegen
damit erstmals seit November 2010 wieder vor der SPD. Damals hatte die
Partei Renate Künast zur Kandidatin für das Amt der Regierenden
Bürgermeisterin gewählt. Künast selbst konnte anders als ihre Partei nicht
zulegen, sondern verlor sogar Boden gegenüber Amtsinhaber Klaus Wowereit
(SPD): Bei einer Direktwahl würden 55 Prozent für Wowereit stimmen, nur 30
Prozent für Künast. Im Februar war der Abstand noch um zwei Prozentpunkte
kleiner.
In der Umfrage des Forschungsinstituts Infratest-dimap im Auftrag von
Berliner Morgenpost und RBB-Abendschau gewannen die Grünen gegenüber der
Februar-Umfrage des Instituts fünf Prozentpunkte hinzu. Die SPD rutscht mit
26 Prozent (vormals 28 Prozent) auf Platz zwei ab. Dahinter liegen die CDU
mit 21 Prozent (minus zwei Prozentpunkte) und die Linkspartei, die sich von
16 auf 15 Prozent verschlechterte. Eine Neuauflage der rot-roten Koalition
wäre bei diesem Ergebnis nicht mehr möglich. Die FDP verharrt bei drei
Prozent, sie käme nicht wieder ins Parlament.
Im taz-Interview scheut die neue Landeschefin Bettina Jarasch unabhängig
von den aktuelle Werten nicht davor zurück, ihre Partei auf dem Weg zur
Volkspartei zu sehen. Ihr Co-Vorsitzender Daniel Wesener hingegen tut sich
mit dem Begriff schwer: "Wenn überhaupt, dann würde ich mich vielleicht
noch dazu hinreißen lassen, von Bevölkerungspartei zu sprechen." Renate
Künast mochte sich zu der Umfrage gegenüber der taz nicht äußern. In einem
Interview mit Spreeradio sagte sie: "Wir wollen Stärkste werden, damit es
keine Regierungsbildung ohne uns gibt."
Das Umfrageergebnis zeigt indes, dass die Grünen sogar im Falle eines
Wahlsiegs leer ausgehen können: Auch SPD und CDU hätten derzeit zusammen
eine Mehrheit. Beide Parteien stimmen in zwei zentralen Bauprojekten -
Autobahn 100 und Flughafen BBI - weitgehend überein.
Führende Vertreter der Berliner Grünen äußerten sich zurückhaltend zum
jüngsten Boom. Merklich gut in Erinnerung ist, wie die Partei nach
eineinhalbjährigem Höhenflug einbrach und von 30 Prozent im Herbst auf 23
Prozent in diesem Frühjahr abrutschte. "Wir haben immer gesagt, dass das
ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen wird", sagte Fraktionschefin Ramona Pop,
"die Entscheidung fällt am 18. September." Der neue Landesvorsitzende
Daniel Wesener sagte: "Die aktuellen Umfragen zeigen, dass eine
realistische Chance besteht, in Berlin stärkste politische Kraft zu
werden."
Durch der Umfrage wird auch die sogenannte Koch-und-Kellner-Diskussion um
Grün-Rot wieder interessant. SPD-Landeschef Michael Müller hatte in der
Vergangenheit zum Ausdruck gebracht, dass seine Partei nicht als
Juniorpartner zur Verfügung steht. Nach einem eben solchen Wahlergebnis in
Baden-Württemberg vor zwölf Tagen hatte Müller Fragen danach noch damit
abwehren können, dass die SPD in Berlin klar vorne liege. Jetzt müssen
dafür die besseren Beliebtheitswerte von Wowereit gegenüber Künast
herhalten. Generell profitierten die Grünen laut Müller von den großen,
bundesweit diskutierten Theman Kernkraft und Energiepolitik.
Auch für CDU-Generalssekretär Bernd Krömer sind die Werte eine
Momentaufnahme, beeinflusst durch die Katastrophe in Japan. Das werde die
Grünen, die Krömer wegen ihres Booms 2010, ihres Abschwungs seit November
und ihres erneuten Höhenflugs auf Achterbahnfahrt sieht, nicht bis zur Wahl
tragen.
FDP-Landeschef Christoph Meyer, den die Liberalen am Freitagabend zu ihrem
Spitzenkandidaten wählen wollen, hofft im gegenwärtigen Umfragetief auf ein
Ende des FDP-Führungsstreits, was spätestens beim Bundesparteitag im Mai
passieren soll: "Ich sehe keine Chance, mit Landesthemen durchzudringen,
solange die Diskussion auf Bundesebene nicht beendet ist."
7 Apr 2011
## AUTOREN
(DIR) Stefan Alberti
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) SPD in Baden-Württemberg: Die Anti-Spinnerei-Partei
Die SPD tut sich schwer, Juniorpartner zu sein. Die Vorbehalte gegenüber
den Grünen bleiben. Sich selbst will die Partei nun als Hort der
Zuverlässigkeit darstellen.
(DIR) Schwabenstreiche in Berlin II.: Linke plötzlich kämpferisch
Kämpferisch und witzig: Diese Attribute hat man bei Wirtschaftssenator
Harald Wolf bislang vermisst. Nun greift der Spitzenkandidat der Linken an.
(DIR) Heiße Wahlkampfphase: Ab nun Abteilung Attacke
Linke und Grüne haben die Aufstellung ihrer Landeslisten genutzt, um den
politische Gegner anzugreifen. Gibt es nunmehr weder Freund noch Feind?
(DIR) Schwabenstreiche in Berlin I.: Künast gibt sich kämpferisch
Auf einer Mitgliederversammlung der Grünen im Tempodrom wird Renate Künast
mit mehr als 90 Prozent nun auch formal zur Spitzenkandidatin gewählt.
Winfried Kretschmann grüßt per Videobotschaft.
(DIR) Erneuerbare Energien fördern: Sechs Punkte für den Ausstieg
Umwelt- und Wirtschaftsministerium einigen sich auf einen neuen Rahmen für
die Energiepolitik. Zugleich stoppen die Atomkonzerne Zahlungen an den
Ökofonds.
(DIR) Umfragewerte zur Berlin-Wahl: Die Grünen und ihr K-Problem
Man könnte die Ergebnisse so zusammenfassen: Die SPD hat Klaus Wowereit,
die Grünen haben - ihr Programm.
(DIR) Grüner Landesparteitag in Berlin: "Künast tritt nicht als Monarchin an"
Die Grünen wollen Renate Künast zur Nr. 1 ihrer Kandidatenliste für die
Abgeordnetenhauswahl machen. Die neuen Landesvorsitzenden über ihre
Spitzenkandidatin, die Volkspartei und neue Bürgerlichkeit.