# taz.de -- Verfehlte Gleichstellungspolitik: Mütter arbeiten immer weniger
       
       > Immer mehr Frauen gehen arbeiten, aber Mütter arbeiten immer weniger
       > Stunden. Verantwortlich sind falsche finanzielle Anreize: Minijob und
       > Ehegattensplitting.
       
 (IMG) Bild: Nur die wenigsten Mütter arbeiten Vollzeit. Auch in Ostdeutschland sinkt die Arbeitszeit pro Woche.
       
       BERLIN taz | Alle reden über die bessere Vereinbarkeit von Beruf und
       Familie - doch die Fakten verbreiten wenig Hoffnung. Zwar sind mittlerweile
       über 66 Prozent aller Frauen hierzulande erwerbstätig. Doch zwischen 2000
       und 2007 ist die Zahl der Wochenarbeitsstunden von Müttern deutlich
       gesunken - in Ost wie West. Das ergeben Daten des Mikrozensus, die
       Christine Franz vom Institut Arbeit und Qualifikation ausgewertet hat.
       
       Demnach arbeiteten westdeutsche Mütter, die beispielsweise Kinder im Alter
       von 10 bis 14 Jahren hatten, im Jahr 2000 durchschnittlich 18,7
       Wochenstunden. 2007 waren es nur noch 16,7 Wochenstunden. In Ostdeutschland
       sank die Wochenarbeitszeit sogar von 27,9 auf 23,4 Stunden.
       
       "Der Vergleich zeigt, dass die Arbeitsvolumina in fast allen Altersgruppen
       gesunken sind", sagt Franz. Dabei sei vor allem der Anteil der
       vollzeitbeschäftigten Mütter zurückgegangen: Selbst bei Kindern über 15
       Jahre arbeite nur rund jede vierte Mutter Vollzeit. Väter hingegen
       erreichen, egal wie alt die Kinder sind, im Schnitt eine Vollzeitquote von
       96 Prozent.
       
       Woran liegt es? Schließlich hat der Bund 2008 ein Gesetz zum Ausbau der
       Kinderbetreuung auf den Weg gebracht: Bis 2013 sollen alle Kinder vom
       ersten Jahr an einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz haben. Der Ausbau
       stockt zwar wegen der Finanznot der Kommunen, aber zwischen 2009 und 2010
       stieg die Betreuungsquote von 20,4 auf 23,1 Prozent. War das kein Anreiz
       für die Mütter, mehr zu arbeiten?
       
       "Die Ergebnisse haben uns auch ein Stück weit erstaunt", sagt Franz. Sie
       nennt "erste Erklärungen": "Viel stärker als der Kita-Ausbau wirken Kräfte,
       die in die gegensätzliche Richtung ziehen wie das Ehegattensplitting und
       die geringfügige Beschäftigung." Beides stelle "niedrige Anreize für
       Frauen, Vollzeit einzusteigen", sagt die Forscherin.
       
       Ehegattensplitting bedeutet, dass Ehepaare, ob mit oder ohne Kind,
       steuerlich begünstigt werden. Sie sparen die meisten Steuern, wenn nur
       einer der beiden Eheleute verdient, die zweite Person - meist immer noch
       die Frau - aber wenig bis gar nichts zum Einkommen beiträgt.
       
       ## Immer mehr Minijobs in Westdeutschland
       
       Steuern spart auch, wer geringfügig beschäftigt ist: Minijobber müssen von
       ihren 400 Euro monatlich nichts an das Finanzamt abführen. Mittlerweile
       gibt es über sieben Millionen solcher Beschäftigungsverhältnisse, die
       meisten werden von Frauen ausgeübt, häufig als Zuverdienst zum Lohn des
       Mannes. Die Jobform boomt vor allem im Westen und auf dem Land.
       
       "Kurzfristig scheinen solche Jobs den Frauen Vorteile zu bieten: Sie sind
       hochflexibel, lassen sich gut mit Kindern vereinbaren", sagt Franz. Doch
       langfristig gehe die Rechnung nicht auf: "Die Frauen zahlen kaum etwas in
       die Rentenkasse ein. Im Alter oder bei einer Scheidung droht die Armut."
       Dazu kommt: Die vom Staat subventionierten Minijobs trocknen die
       Sozialkassen aus, und ein Wechsel in eine sozialversicherungspflichtige
       Beschäftigung findet kaum statt.
       
       Auch die Bertelsmann-Stiftung stellte Ende 2010 fest, Minijobs führten in
       die "Geringfügigkeitsfalle", da es sich aus finanziellen Gründen meist
       nicht lohne, sie aufzugeben. Für Franz gehören Minijobs zugunsten des
       Ausbaus sozialversicherungspflichtiger Teilzeitstellen abgeschafft. "Aber
       da müssen wir noch viel Aufklärungsarbeit leisten."
       
       Mit ihrer Forderung steht sie nicht allein da: Auch die
       Sachverständigenkommission, die im Auftrag des Familienministeriums den
       ersten Gleichstellungsbericht erstellt hat, fordert, die steuerlichen
       Sonderregelungen für die "erwerbsbiografische Falle" Minijobs aufzugeben.
       Und das Ehegattensplitting auf eine Individualbesteuerung umzustellen.
       
       Doch Union und FDP halten am Ehegattensplitting fest. Und im
       Bundesarbeitsministerium gebe es derzeit keine Überlegungen, die Minijobs
       abzuschaffen, erklärt eine Sprecherin.
       
       Im Bundesfamilienministerium will man sich erst dazu äußern, wenn die
       Bundesregierung den Gleichstellungsbericht abschließend bewertet habe. Viel
       Aufmerksamkeit hatte Ministerin Kristina Schröder dem Bericht nicht zuteil
       werden lassen: Zu seiner Übergabe Ende Januar schickte sie - zur großen
       Irritation der Sachverständigenkommission - nur ihren Staatssekretär.
       
       14 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Völpel
       
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