# taz.de -- Kommentar Libyen-Einsatz: Gefährliche Präzedenzfälle
> Die Nato tut sich schwer den Libyen-Einsatz durchzuführen. Sie riskiert,
> in eine lange, hässliche Intervention zu schlittern. Das liegt an ihrer
> Uneinigkeit.
(IMG) Bild: Rebellen in der belagerten Stadt Misurata.
Die Nato hat die Führung des Libyeneinsatzes gewollt und hat sie bekommen.
Nun tut sie sich schwer, ihn durchzuführen. Sie riskiert, in eine lange,
hässliche Intervention zu schlittern. Das liegt nicht nur an Gaddafis
Truppen, die den Luftangriffen relativ erfolgreich ausweichen. Es liegt vor
allem daran, dass es in der Nato keinen Konsens über das Ziel der
Intervention gibt. Geht es um den Schutz der Zivilbevölkerung, die Stärkung
der Rebellen oder um den Sturz Gaddafis? Wird eine militärische oder eine
politische Lösung angestrebt? Die Gegensätze prallen in der Nato
aufeinander. Da sie es tun, kann die Allianz nur praktizieren, was alle
akzeptieren: Schutzverantwortung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner.
Das öffnet den Blick für die grundlegende Frage: Soll zum Schutz der
Bevölkerung künftig erlaubt sein, was die Charta der Vereinten Nationen
eigentlich verbietet - die militärische Einmischung in die inneren
Angelegenheiten souveräner Staaten? In Libyen geschieht das zum ersten Mal
mit Billigung des UN-Sicherheitsrats. Es geht also um einen Präzedenzfall,
eine Operation am offenen Herzen des Völkerrechts. Das macht es nicht
einfacher: Vier Sicherheitsratsmitgliedern (Brasilien, China, Indien und
Russland) und Südafrika geht die Nato inzwischen zu weit - sie kritisieren
ihr Vorgehen.
Und schon droht der nächste Präzedenzfall in Libyen. Die EU signalisiert,
sie sei zu humanitären Hilfslieferungen bereit, die von Bodentruppen
geschützt werden. Auch diesen Einsatz will die Nato führen. Sie plane ihn
bereits. Auch das gibt wieder intern Streit. Die EU stellt die Soldaten,
die Nato führt den Einsatz? Die EU als Instrument der Nato? Das haben sich
viele EU-Länder anders vorgestellt. Die Nato riskiert, sich selbst zu
überfordern und ihren inneren Zusammenhalt aufs Spiel zu setzen.
14 Apr 2011
## AUTOREN
(DIR) Otfried Nassauer
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