# taz.de -- Serie Crowdfunding Teil 4: Visionen selbst gebacken
       
       > Die Leipziger "VisionBakery" ist eine von fünf deutschen
       > Unterstützungsplattformen für kulturelle und soziale Projekte.
       > Unterstützt wird, was gefällt.
       
 (IMG) Bild: Szene aus dem Erklärfilm der Crowdfoundingsite VisionBakery.
       
       DRESDEN taz | Das "Knalltheater Leipzig" braucht bis Ostern noch genau
       559,50 Euro Eigenmittelanteil, um an die öffentliche Förderung für die
       Leipziger Straßentheatertage im Juli heranzukommen. Querkariert, eine
       selbstverlegte "Zeitschrift für Gedanken aller Art", möchte seine
       Printausgabe halten und sucht dafür 223 Euro. Und gerade erst war die
       "Wolkenschiffpiratin" erfolgreich mit ihrem Werben um Geld für eine
       Nähmaschine, um ihre Modeideen verwirklichen zu können.
       
       Projekte, die schon auf der Startseite der "VisionBakery" Leipzig ins Auge
       springen. Wer Visionen hat, sollte eben nicht Helmut Schmidts
       sprichwörtlicher Empfehlung folgen und zum Arzt gehen, sondern ein Projekt
       auf dieser Internetseite starten. Sind sie gut, werden sich Unterstützer
       finden.
       
       "Wir haben im Grunde eine Verfahrensweise aus dem Offline-Bereich online
       übernommen", bringt es Geschäftsführer Stephan Popp auf eine Formel. Statt
       aufwändiger persönlicher Akquise von Projektmitteln bietet das Crowdfunding
       über die Netzplattform ein effektiveres Verfahren. Popp spricht von
       "virulenter Verbreitung".
       
       Seit Jahresbeginn 2011 ist die VisionBakery online, eine von fünf
       Crowdfunding-Plattformen in Deutschland, die sich parallel und nahezu
       unabhängig voneinander entwickelt haben. Mit inkubato, MySherpas, seedmatch
       und startnext ist man aber längst in einer Arbeitsgemeinschaft verknüpft.
       Am 1.März gab es das erste Branchentreffen in Karlsruhe, wo am Institut für
       Kommunikation in sozialen Medien ikosom auch über Crowdfunding geforscht
       wird. Und die erste Konferenz in Berlin am 15.April ist längst ausgebucht.
       
       ## Eine Nischengeschichte
       
       Noch ist diese Form der Projektrealisierung oder eines Gewerbestarts wenig
       bekannt. Die Leipziger VisionBakery freut sich immerhin über ein Echo in
       lokalen Medien und Radiostationen. Anne Pallas, Geschäftsführerin des
       Landesverbandes Soziokultur Sachsen, räumt aber ein, dass "die Soziokultur
       dieser Entwicklung noch hinterherhinkt". Und Susanne Kucharski-Huniat,
       Leiterin des städtischen Kulturamtes, antwortet auf entsprechende Nachfrage
       lapidar: "Die von Ihnen genannte Internet-Initiative ist im Kulturamt
       Leipzig bisher nicht bekannt."
       
       Etwas schlauer ist man schon im Leipziger Soziokulturhaus "naTo". Ja, man
       kenne die VisionBakery von einer Diskussionsrunde, bestätigt Konstantin
       Jakobi. "Wir finden den Ansatz gut und interessant", fügt er hinzu. Für den
       eigenen etablierten Kulturverein sei diese Unterstützerplattform aber
       weniger relevant, eher für "Leute, die noch nirgendwo vernetzt sind". "Das
       ist noch eine Nischengeschichte", schätzt auch Karsten Wenzlaff vom
       ikosom-Institut Karlsruhe ein. Aber bei allen "digital Affinen" und
       Mitgliedern sozialer Netzwerke werde sie sich schnell verbreiten, umso
       mehr, wenn sie sich auch bei klassischen Förderern herumspreche.
       
       Stephan Popp freut sich jedenfalls darüber, dass alle sechs seit
       Jahresbeginn abgeschlossenen Projekte erfolgreich waren und das gesteckte
       Sammelziel erreicht haben. Summen, die die Tausend-Euro-Marke eher selten
       und dann nur knapp überschreiten. Ehrgeizigstes Vorhaben ist derzeit das
       neue Modelabel Born 2B Awesome, das knapp 2.800 Euro sucht.
       
       Karsten Wenzlaff führt den Anfangserfolg auf die sorgfältige Auswahl der
       Projekte durch Popp und die Gesellschafter und auf enge persönliche
       Kontakte zurück. Die ersten Unterstützer kommen wie bei der traditionellen
       persönlichen Ansprache meist aus dem privaten Familien- oder Freundeskreis,
       bestätigt Popp. Die Plattform aber funktioniert nach dem Schneeballprinzip,
       und bald treten von der Idee begeisterte Interessenten oder
       Erlebnishungrige hinzu. Wie die soziologisch zusammengesetzt sind, hat auch
       ikosom in Karlsruhe noch nicht untersucht, aber zunehmend werde die
       VisionBakery als Ideenpool entdeckt, weiß Karsten Wenzlaff aus Gesprächen.
       
       ## Nachhaltiger Effekt?
       
       Das Verfahren ist übersichtlich. Man nimmt in der Regel persönlich mit der
       Geschäftsführung oder einem der fünf Gesellschafter Kontakt auf und stellt
       mit attraktiver Bild- und Textwerbung seine Projektwerbung befristet ein.
       Auf die angepeilte Zielsumme müssen die Betreiber zehn Prozent für ihre
       Dienstleistung aufschlagen, zusätzlich noch 1,9 Prozent für die
       PayPal-Transaktionskosten. Ja, mit diesem kommerziellen Geldeintreiber hat
       man auch in Leipzig ein bisschen Bauchschmerzen, aber das Einzugsverfahren
       biete vorerst die "einzige Möglichkeit", so der Geschäftsführer.
       
       Diese Kosten aber werden erst fällig, wenn die Zielsumme an Spenden
       erreicht worden ist. Auch der Spender geht kein Risiko ein. Geht das
       Funding schief, bekommt er seine Einlage zurück. Klappt es hingegen,
       erwartet ihn je nach Höhe der Unterstützungsleistung eine nette Belohnung.
       Eine handgestrickte Mütze zum Beispiel oder ein Essen im sozialen Café
       Geggo, das eine Küche sucht.
       
       Anne Pallas vom Landesverband Soziokultur äußert zwar Skepsis ob des
       nachhaltigen Effekts von Crowdfunding. "Mit einem massenhaften Auftreten
       dieses Web-Fundraisings wird es sich vermutlich selbst abschaffen", sagt
       sie und erwartet für die Kultur auch nur einen kurzen Boom. Zugleich äußert
       sie den Wunsch, mit dieser Prognose möglichst nicht Recht zu behalten.
       
       Stephan Popp ist hingegen von der Zukunft der Methode überzeugt, gerade
       weil die Projekte nicht nur auf Kunst und Kultur beschränkt sind. Es geht
       quer durch Lifestyle und Lebenswelt, und bei der Unterstützung von Startups
       klaffe noch eine große Lücke, meint der einzige Angestellte der
       VisionBakery Leipzig. Projekte und Unterstützergemeinde sollten nicht zu
       lokal begrenzt sein, meint Karsten Wenzlaff. Die Leipziger Ideenbäcker
       sieht er auf gutem Weg zu einer Vernetzung im Mitteldeutschen Raum.
       
       18 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Serie Crowdfunding Teil 7: MySherpas: Ilse Bilse, keiner will se!?
       
       Auf der Internetplattform MySherpas.com stellen Leute Projekte vor, für
       deren Umsetzung sie Förderung benötigen. Wer will, unterstützt sie mit
       Geld. Klappt das?
       
 (DIR) Serie Crowdfunding - Teil 5: "Zu verrückt" gibt es nicht
       
       Startnext.de bringt Kreative und Förderer zusammen. Weil offizielle
       Kulturförderung immer von Streichungen bedroht ist, stehen die Chancen
       nicht schlecht.
       
 (DIR) Serie Crowdfunding - Teil 3: "Viel Kapital hilft nicht immer viel"
       
       Die Plattform Seedmatch.de will Investoren und junge Unternehmen
       zusammenbringen. Dabei geht es nicht nur um Gewinn, sondern auch um den
       Mehrwert.
       
 (DIR) Serie Crowdfunding - Teil 2: Happy-Birthday-Singen für die Karriere
       
       Die Website SellaBand ist eine Mischung aus Börse und Spenden-Plattform.
       Fans können Anteile an Projekten von Künstlern kaufen – und bekommen
       Dividende.
       
 (DIR) Serie Crowdfunding - Teil 1: Das Publikum als Mäzen
       
       Statt sich Filme oder Musik von der Kulturindustrie finanzieren zu lassen,
       bitten einige Künstler lieber das Publikum um Spenden. Eine Plattform dafür
       ist Inkubato.com.