# taz.de -- Serie Crowdfunding - Teil 5: "Zu verrückt" gibt es nicht
> Startnext.de bringt Kreative und Förderer zusammen. Weil offizielle
> Kulturförderung immer von Streichungen bedroht ist, stehen die Chancen
> nicht schlecht.
(IMG) Bild: Fördern und fordern: Startseite von Startnext.de.
Dass es so etwas überhaupt gibt: eine Fotoplakatausstellung über
"tumorbedingte Fatigue". "Unsichtbar" heißt sie und 3575 Euro waren nötig,
um sie zu realisieren. Fotografin Esther Beutz leidet selbst an diesem
Erschöpfungssyndrom, das Krebserkrankte befällt. Um ihr Ausstellungsprojekt
zu realisieren, griff sie auf Startnext zurück - mit Erfolg, es wurde zu
100 Prozent gefördert.
"Macht Ideen zu Projekten" - das ist das Versprechen von [1][Startnext.de].
Das Prinzip ist einfach: Künstler und Kreative stellen ihr Vorhaben vor –
und jeder Nutzer entscheidet, ob er sich finanziell beteiligen will. 124
Fans hat Esther Beutz gesammelt, 29 Supporter, und je nachdem, wieviel sie
gespendet haben, werden sie namentlich auf der Seite erwähnt, bekommen
signierte Fotos oder sogar ein Fotobuch. Vor allem aber: Dank.
"Künstler, Kreative und Erfinder" sollen durch Startnext.de zu ihrem
Startkapital kommen. So unspezifisch diese Zusammenfassung klingt, so bunt
ist das Angebot an die Geldgeber. Da wirbt eine "Online Community für koch-
und essbegeisterte Menschen" direkt neben einem Lasker-Schüler-Hörbuch um
Aufmerksamkeit, barocke Volksmusik, Popballadenbands, junge
Geigenvirtuosen, ein Metallfestival, eine Funkrap-Combo und seichte
Popballaden haben alle ihren Platz gefunden, Film- und
Ausstellungsprojekte, Fotografie und Malerei, Theater, Spielkonzepte und
Architektur – all das kann man stattfinden lassen. Nur die Literatur fehlt.
## "Bedarf an neuen Lösungen"
Auf 9,6 Milliarden Euro beliefen sich die öffentliche Kulturausgaben im
Jahr 2010, das sind 28 Prozent mehr als noch vor sechs Jahren. Damit
finanzieren Bund, Länder und Kommunen vor allem Theater- und Musikbühnen,
Museen und Bibliotheken. "Es gibt eben viele Projekte, die nicht in die
Förderformate passen", sagt Anna Theil von Startnext.de, "weil sie zu klein
sind oder zu verrückt." Kulturförderung sei immer von Streichungen bedroht,
vor allem auf kommunaler Ebene. Es handle sich eben um freiwillige
Ausgaben. "Da gibt es Bedarf an neuen Lösungen."
Diese neuen Lösungen werden nicht gegen den angestammten Kulturbetrieb
entwickelt, sondern mit ihm. "Wir stehen da mit einigen Institutionen im
Dialog", sagt Theil, "und die sind da sehr offen und interessiert." Es
treffen hier zwei unterschiedliche Vorstellungen aufeinander. Die
öffentliche Förderung setzt auf Experten, die in Ausschüssen über
Unterstützung entscheiden und sich nach mehr oder weniger objektiven
Kriterien richten.
Auf der anderen Seite steht das Croudfunding-Modell, das auf kommunikative
Künstler setzt, die ein Publikum für sich einnehmen können. Dies habe seine
Vorteile, sagt Theil, wenn die Experten in den Ausschüssen über die
Unterstützung entschieden. Aber es bestehe auch immer die Gefahr, das
Vorhaben gefördert würden, die am Ende kein Publikum fänden. "Da ist eine
Koppelung sinnvoll."
Wie genau diese Koppelung aussehen könnte, darüber wird gerade viel
gesprochen. Neulich trafen sich Kulturaktivisten und -förderer auf der
Co:funding, der ersten Croudfunding-Konferenz im Rahmen der
Bloggerkonferenz Re:publica. Eine der vielen Ideen war, dass öffentliche
Stellen die erhobenen Einnahmen spiegeln könnten, dass sie also auf bereits
erzielte Einnahmen noch einmal dieselbe Summe drauflegen. Aber bis es dazu
mehr als nur erste Ansätze gibt, wird es noch eine Weile dauern. Bisher
bemängeln die öffentlichen Stellen unter anderem, dass die Summen zu klein
seien und der bürokratische Aufwand zu hoch.
Das könnte sich ändern. "Momentan sind wir noch in einer Nische", sagt
Theil, "aber das Thema kocht immer mehr hoch." Besucherzuwachsraten von bis
zu 45 Prozent im Monat hat Startnext zu verzeichnen, und jedes Projekt
bringt neue Besucher mit sich. Außerdem nimmt gerade die Berichterstattung
zu. Dennoch werde es wohl noch einige Monate dauern, so Theil, bis man
aussagekräftige Zahlen habe.
## Keine Provision
Bis dahin werden sich noch ein paar andere Dinge ändern müssen, damit
Croudfunding in Deutschland Erfolg hat. Zum Beispiel beim Geldtransfer.
"Bisher ist die Akzeptanz für Online-Bezahlsysteme noch nicht allzu hoch",
so Theil. Die meisten Plattformen nutzen Paypal, "aber die verlangen
ziemlich hohe Gebühren für kleine Beträge. Deswegen bietet Startnext auch
ein eigenes Bezahlsystem an, so dass keine Transaktionskosten anfallen.
Startnext nimmt keine Provision, sondern stellt es den Unterstützern frei,
ob und wieviel sie der Plattform überweisen wollen. "Wir sind
zuversichtlich, dass da genug bei rumkommt", sagt Theil. Startnext sei
privat vorfinanziert und solle sich irgendwann wirtschaftlich tragen. "Aber
ein kommerzielles Interesse haben wir nicht." Fotografin Esther Beutz ist
sehr angetan von der Resonanz der Community von Startnext auf ihre
Ausstellung: "Das tut richtig gut", sagte sie [2][in einem Interview,] das
auf der Website veröffentlicht wurde.
3 May 2011
## LINKS
(DIR) [1] http://www.startnext.de
(DIR) [2] http://www.startnext.de/Blog/Blog-Detailseite/b/unsichtbar-Esther-Beutz-im-Startnext-Interview-184
## AUTOREN
(DIR) Frédéric Valin
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